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Rebellenprovinz Idlib in SyrienTürkei beginnt offiziell Militäreinsatz

Die türkische Armee hat eine Aufklärungsmission über die Grenze nach Syrien entsandt. In Idlib soll eine „Deeskalationszone“ eingerichtet werden.

Idlib am 8. Oktober, nachdem ein Luftschlag dort mehrere Menschen verletzte und tötete Foto: ap

Istanbul/Beirut afp/dpa | Die türkische Armee hat den Beginn eines neuen Militäreinsatzes in der nordsyrischen Provinz Idlib verkündet. Wie die Armee am Montag mitteilte, diene der „Aufklärungseinsatz“ jenseits der Grenze der Einrichtung von Beobachtungsposten in Idlib. Die Armee hatte am Wochenende in Vorbereitung des neuen Vorstoßes auf Idlib Truppen an der Grenze zusammengezogen.

Idlib ist die letzte Region des Bürgerkriegslandes, die fast vollständig von Aufständischen beherrscht wird. Nach Angaben der Regierung dient der Einsatz der Durchsetzung einer geplanten „Deeskalationszone“. In dieser von der Türkei, Russland und dem Iran vereinbarten Zone soll eine Waffenruhe zwischen Rebellen und Regierungstruppen gelten. Davon ausgenommen ist aber das Dschihadistenbündnis Hajat Tahrir al-Scham, das große Teile von Idlib kontrolliert.

Um die Waffenruhe in der Deeskalationszone durchzusetzen, wird die Türkei daher zunächst Hajat Tahrir al-Scham (HTS) aus Idlib vertreiben müssen. Es wird mit heftigen Kämpfen gerechnet. Am Sonntag gab es bereits erste Schusswechsel an der Grenze. Unterstützt wird die Türkei bei der Offensive von Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA). Die Provinz Idlib grenzt an die von der Kurdenmiliz YPG kontrollierten Region Afrin. Die Türkei sieht in der YPG den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die sie bekämpft.

Das Dschihadistenbündnis Hajat Tahrir al-Scham feierte im August seinen größten Triumph, als es in einem Handstreich Idlib samt Umland in seine Gewalt brachte. Mit dem am Montag verkündeten Start des türkischen Militäreinsatzes in Idlib gerät die Allianz um den früheren Al-Kaida-Ableger Fateh al-Scham nun aber massiv unter Druck. Erste Gruppen haben sich schon abgespalten, dem Bündnis droht die Auflösung.

Die Abspaltungen stehen laut Experten in direktem Zusammenhang mit der schon länger erwarteten Intervention der Türkei in Idlib. Der Syrienexperte Charles Lister vom Middle East Institute sagt, die Rebellen in Syrien sähen es als zunehmend riskant an, mit Dschihadistengruppen wie HTS verbündet zu sein und damit zur Zielscheibe von Anti-Terror-Einsätzen ausländischer Streitkräfte zu werden.

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1 Kommentar

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Na hoffentlich gibt es keine militärischen Kontakte zwischen YPG und der türkischen Armee. Die US-Armee musste schon dazwischengehen, um die türkische Armee am Angriff auf YPG-Stellungen im autonomen Gebiet Rojava zu hindern (dessen Autonomität selbstverständlich nur de facto von der USA und Russland anerkannt wird, die dort sogar mal einer Meinung sind und beide in einem Pilotprojekt die demokratischen Kräfte unterstützen). Ich lehne mich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass Rojava wohl im Moment demokratischer ist als die Türkei.