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■ Frankreich: Jospin revidiert seine WahlkampfversprechenRealpolitik in neuen Farben

Als „rot-rosa-grün“ haben wir vor dreieinhalb Monaten die frischgewählte Regierung in Paris vorgestellt. Rein farbtechnisch stimmt das immer noch. Schließlich haben die regierenden Kommunisten, Sozialisten, Bürgerbewegten und Umweltpolitiker ihre Parteifarben beibehalten.

Geändert haben sie freilich ihre Politik, zumindest gemessen an ihren Wahlversprechen. Auf seiten der Sozialisten (22 Minister) und Kommunisten (3 Minister) lauteten die unter anderem: Wir werden die Privatisierungen stoppen. Wir werden die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich reduzieren. Wir werden die repressiven Pasqua- und Debré-Gesetze abschaffen. Die Bürgerbewegung (1 Minister) war strikt gegen die Beteiligung an der europäischen Einheitswährung. Und die Grünen (1 Ministerin) postulierten den Ausstieg aus dem Atomprogramm.

Dann kam die Wahl, die Koalition, die Ressortvergabe – und plötzlich laufen die Privatisierungen wieder an, es darf sogar Lohneinbußen geben, die Einwanderungspolitik wird lediglich punktuell überarbeitet, und Paris ist eurofreundlicher und -disziplinierter als all seine Partner. Lediglich dem seit Jahren kränkelnden Forschungsreaktor Superphénix wurde der Todesstoß versetzt.

Überraschend ist dabei weniger, daß der große Teil der Wahlkampfversprechungen zu Makulatur geworden ist – überraschend ist, daß ein großer Teil der Franzosen die Arbeit der Regierung weiterhin goutiert. Zu diesem Klima haben mehrere Faktoren beigetragen: eine Kommunikationsarbeit, die den Kommandoton der konservativen Vorgänger umgehend in den Schatten gedrängt hat; eine geschickt kalkulierte Komposition der Koalition, die beinahe die gesamte linke Öffentlichkeit entweder über Parteien oder über die traditionellen gewerkschaftlichen Transmissionsriemen an die Regierung koppelt und als Protestpotential lahmlegt; und eine konservative Opposition, die intern hoffnungslos zerstritten und seit ihrer Wahlniederlage völlig ziellos ist.

Jospin, Chef der „rot-rosa-grünen“ Regierung, kann zufrieden sein. Nachdem es ihm gelungen ist, seine vielfarbige Koalition binnen Rekordzeit auf den Kurs einer sozialdemokratischen Realpolitik zu bringen, macht er sich jetzt daran, zusätzliche Partner auf der politischen Rechten zu suchen. Diesem Zweck dient sein wirtschaftlicher Pragmatismus – die Koppelung von staatlicher Sparpolitik und Lohnflexibilität, die der Tradition seiner konservativen Vorgänger folgt. Dorothea Hahn

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