Reaktionen zu Libyen: Zukunft in Händen des libyschen Volkes
US-Präsident Obama hat Gaddafi nach der Eroberung Tripolis durch die Rebellen aufgefordert, die Macht abzugeben, "für immer". Die Libyen-Kontaktgruppe will sich kommende Woche in Paris treffen.
VINEYARD HAVEN/BRÜSSEL/BERLIN afp/dpa/dapd/rtr | Nach der Eroberung der libyschen Hauptstadt Tripolis durch die Rebellen drängt US-Präsident Barack Obama Machthaber Muammar Gaddafi zur Aufgabe. Die Libyen-Kontaktgruppe will sich in Paris treffen, die Bundesregierung schließt einen Einsatz der Bundeswehr in Libyen nicht aus.
Nach dem absehbaren Ende des Regimes von Muammar al-Gaddafi wird sich die Libyen-Kontaktgruppe kommende Woche in Paris treffen. Frankreichs Außenminister Alain Juppé kündigte am Montag in einer kurzen Ansprache an: "Frankreich schlägt ab kommender Woche ein Sondertreffen der Kontaktgruppe auf höchstem Niveau vor. Alles ist dabei, sich zu wenden; das ist Anlass zu großer Zufriedenheit. Frankreich ist genau kalkulierte Risiken eingegangen; der Anlass war gerechtfertigt."
Juppé rief die internationale Gemeinschaft mit Blick auf das nahende Ende des Libyenkonfliktes auf, das nordafrikanische Land jetzt tatkräftig zu unterstützen. "Es gibt keinen Ausweg mehr für Gaddafi; ich glaube an die Aussöhnung des libyschen Volkes", sagte er in einer vom TV direkt übertragenen Ansprache im Pariser Außenamt.
Obama fordert sofortigen Rücktritt Gaddafis
"Der sicherste Weg, weiteres Blutvergießen zu verhindern, ist einfach: Muammar Gaddafi und sein Regime müssen einsehen, dass ihre Herrschaft vorbei ist", erklärte Obama am Sonntag. Gaddafi habe keine Kontrolle mehr über Libyen. "Er muss die Macht abgeben, jetzt und für immer." Die USA würden sich weiter mit ihren Verbündeten dafür einsetzen, die libysche Zivilbevölkerung zu beschützen und dem Land bei einem friedlichen Wandel hin zur Demokratie zu helfen.
Das Gaddafi-Regime stehe vor dem Zusammenbruch, die Menschen in Libyen hätten gezeigt, dass der "Wunsch nach Würde und Freiheit viel stärker ist als der eiserne Griff eines Diktators, hieß es in der Erklärung. Er rief den Rat auf, das Land auf den Weg zu einer Demokratie zu führen, die "alle Menschen in Libyen einschließt".
"Die Zukunft Libyens ist nun in den Händen des libyschen Volkes", betonte Obama. Die Vereinigten Staaten würden sich weiter eng mit dem Übergangsrat abstimmen. Washington werde weiter darauf bestehen, dass die Grundrechte des libyschen Volkes respektiert würden. "Und wir werden weiterhin mit unseren Alliierten und Partnern in der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um das libysche Volk zu beschützen und einen friedlichen Übergang zur Demokratie zu unterstützen."
"Chance auf einen Neuanfang"
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte am frühen Montagmorgen in Brüssel, die Zeit sei gekommen, ein neues, demokratisches Libyen zu schaffen. "Heute können wir anfangen, eine neue Zukunft aufzubauen." Die Nato werde die Truppen Gaddafis beobachten und bombardieren, falls die Zivilbevölkerung durch sie bedroht sei, sagte Rasmussen.
Je eher Gaddafi erkenne, "dass er den Kampf gegen sein eigenes Volk nicht gewinnen kann, desto besser", erklärte der Nato-Generalsekretär. Die Menschen hätten nach dem Leid während Gaddafis mehr als vier Jahrzehnte dauernder Herrschaft jetzt "eine Chance auf einen Neuanfang".
Das Militärbündnis hat in den vergangenen fünf Monaten fast 20.000 Einsätze in Libyen geflogen, darunter etwa 7.500 Angriffe gegen die Regierungstruppen.
Anfragen an Bundeswehr "prüfen"
Ähnlich äußerte sich die britische Regierung. "Die Ereignisse in Tripolis machen deutlich, dass Gaddafis Ende nahe ist", teilte Premierminister David Cameron mit. Gaddafi habe unglaubliche Verbrechen am eigenen Volk begangen. "Er muss nun gehen, damit die Bevölkerung nicht noch mehr leidet." Eine Nato-Sprecherin bezeichnete die Lage in Tripolis als unübersichtlich und rief Gaddafi ebenfalls zum Rücktritt auf. "Wir können erkennen, dass sich das Regime auflöst", sagte sie. Je schneller Gaddafi realisiere, dass er den Krieg gegen das eigene Volk nicht gewinnen könne, desto besser sei dies.
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) schließt unterdessen einen Bundeswehreinsatz zur militärischen Stabilisierung Libyens nach dem Ende des Gaddafi-Regimes nicht aus. "Wenn es Anfragen an die Bundeswehr gibt, werden wir das konstruktiv prüfen", sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post. Die Bundesregierung setze jedoch darauf, dass Libyen "in einer Zeit nach Gaddafi" aus eigener Kraft einen stabilen Staat aufrechterhalten könne, sagte der Minister weiter. Am derzeitigen Einsatz der Nato zum Schutz der libyschen Bevölkerung ist Deutschland nicht direkt beteiligt. Allerdings wurden deutsche Soldaten in einem auch für den Libyen-Einsatz zuständigen Nato-Stab in Italien eingesetzt.
Westerwelle will beim wirtschaftlichen Aufbau helfen
Außenminister Guido Westerwelle verwies am Montag in Berlin darauf, dass von den Vereinten Nationen zum Beispiel der Wunsch nach Absicherung von humanitärer Hilfe kommen könnte. Dafür sei es derzeit aber noch "zu früh". "Ich schließe nicht aus, dass die Vereinten Nationen, wenn ein entsprechendes Mandat beschlossen werden sollte, auch verschiedene Staaten nach etwas fragen werden", sagte er. Zunächst gehe es aber darum, dass sich das libysche Volk selbst demokratisch neu aufstellen müsse. "Die deutsche Kompetenz besteht vor allen Dingen darin, dass wir beim wirtschaftlichen Aufbau helfen können."
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes gab es vom Übergangsrat der libyschen Rebellen bislang keine Bitte um deutsche militärische Unterstützung. "Der Wunsch ist nicht geäußert worden", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Andreas Peschke. Offen ist noch, wann das eingefrorenen Milliardenvermögen des Gaddafi-Regimes freigegeben werden kann. Allein auf deutschen Konten liegen mehr als sieben Milliarden Euro.
Erneut verteidigte Westerwelle die Entscheidung, der Libyen-Resolution im UN-Sicherheitsrat nicht zuzustimmen. "Jeder hat auf seine Art und Weise einen Beitrag geleistet, dass die Zeit des Regimes von Oberst Gaddafi vorbei ist. Wir Deutsche mit unseren politischen Prioritäten, mit unserer gezielten Sanktionspolitik. Das wird auch international sehr geschätzt."
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