Reaktionen der Berliner Grünen und SPD: Pest oder Cholera
Berlins SPD-Chef Müller begrüßt den Beschluss der Bundespartei, die große Koalition nicht fortzusetzen. Die Grünen legen zu und haben die Chance auf Regierungsbeteiligung.
Der Regierende Bürgermeister und Berliner SPD-Landeschef Michael Müller steht kurz nach 18 Uhr im Rücken der über drei Meter hohen Willy-Brandt-Bronzestatue in der SPD-Bundeszentrale. Die Genossen im Saal haben die Ergebnisse der ersten Hochrechnungen still ertragen, noch nicht mal die starken Verluste der CDU werden beklatscht. 20,8 Prozent nur die SPD, ein Verlust von gut fünf Prozentpunkten gegenüber 2013. Noch nicht mal die starken Verluste der CDU werden beklatscht.
Müller sieht die Bundes-SPD ganz klar in der Oppositionsrolle – genau wie all die anderen prominenten SPDler, die sich unisono so äußern, ob im Saal oder auf den ARD- und ZDF-Videowänden. Er sagt aber auch: „Ich glaube, auch die Ära Merkel ist heute beendet worden.“ Wenn man sich durch den Saal bewegt, hört man immer wieder Begriffe wie „Zäsur“ und „Neubeginn“. Als eine Viertelstunde später Spitzenkandidat Martin Schulz am Mikro steht unddavon spricht, mit diesem Abend sei die Zusammenarbeit mit der CDU beendet, löst das den größten Beifall seiner Rede aus. Müller wird später der taz bestätigen: „Da war richtig Erleichterung spürbar.“
In den Räumen der Kreuzberger Bezirksverordnetenversammlung besteht die Reaktion auf die ersten Hochrechnungen dagegen in spontanem Jubel. Aktuell 9,5 Prozent für die Grünen, die hier feiern – jedenfalls der Bezirksverband -, das ist ein guter Prozentpunkt mehr als bei der vergangenen Bundestagswahl.
Dass nach der Ankündigung der SPD-Spitze, keine große Koalition mehr eingehen zu wollen, die Regierungsbeteiligung als kleinste Partei einer Jamaika-Koalition winkt – die FDP liegt in diesem Moment knapp über zehn Prozent -, stößt bei den bekanntermaßen linken Friedrichshain-Kreuzberger Grünen jedoch nicht auf große Begeisterung.
Opposition oder Jamaika – das ist die Wahl zwischen Pest und Cholera, so der Tenor im BVV-Saal in Kreuzberg. Wobei die Cholera dabei den meisten dann doch das kleinere Übel scheint. Doch leicht wird das für die Grünen nicht werden: „Besonders Wohnungs- und Mietenpolitik wird mit der FDP schwierig“, sagt Parteimitglied Dominik Pross.
Vasili Franco vom Kreisvorstand hat grundsätzlich „keine Lust“ auf eine Koalition mit der FDP. Er sieht die Probleme mit den Liberalen vor allem in der Klimapolitik. Und die Direktkandidatin des Wahlkreises, Canan Bayram, kann einer schwarz-gelb-grünen Koalition gar nichts abgewinnen. Das sei „kompletter Irrsinn“, hatte sie im Wahlkampf gesagt, und dabei bleibt sie auch am Sonntagabend: „Eine solche Koalition ist für mich ausgeschlossen.“
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