Reaktionen auf das Lübcke-Urteil: Kritik am zweiten Urteil
PolitikerInnen loben die Verurteilung von Stephan E. zu lebenslanger Haft. Viele finden aber, dass es damit nicht getan ist.
Zahlreiche BundespolitikerInnen haben die Verurteilung von Stephan E., dem Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), zu einer lebenslangen Haftstrafe begrüßt. Im Detail aber fallen die Einschätzungen des Urteils gegen E. und den Mitangeklagten Markus H. sehr unterschiedlich aus. So sprach etwa Martina Renner, Rechtsextremismus-Fachfrau der Linksfraktion im Bundestag, von einer „herben Enttäuschung“.
Insgesamt bleibe das Urteil hinter den Erwartungen zurück. Dass Markus H. mit einer Bewährungsstrafe davonkomme, sei „enttäuschend“: „Ich teile die Position der Angehörigen, die davon ausgehen, dass Markus H. wesentlich an der Planung und Durchführung der Tat beteiligt war“, so Renner. „Skandalös“ sei zudem der Freispruch des Hauptangeklagten E. „im Fall des rassistischen Attentates gegen Ahmed I.“.
Auch die grünen Innen-politikerInnen Irene Mihalic und Konstantin von Notz sehen das Urteil gegen H. kritisch. Dadurch bleibe der Blick allein auf E. fokussiert. „Hierdurch besteht die Gefahr, dass auch Netzwerk- und Unterstützerstrukturen aus dem Fokus geraten“, so die Grünen. „Das wäre verheerend.“
Mathias Middelberg, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hält das Urteil für „klar und angemessen“: „Der Mörder von Walter Lübcke wird nach diesem zu Recht harten Urteil seine Bereitschaft zu rassistischer Gewalt nicht mehr ausleben können“. Sein FDP-Kollege Konstantin Kuhle sprach von einem „deutlichen Urteil“. „Die politische und gesellschaftliche Aufarbeitung der Bedrohung durch den Rechtsterrorismus hat jedoch gerade erst begonnen“, so Kuhle weiter. Frühwarnsysteme der Sicherheitsbehörden und des Verfassungsschutzes dürften nicht wieder versagen.
Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Edgar Franke, forderte nach dem Urteil weitere politische Konsequenzen. „Dieser von Hass und Menschenverachtung getriebene Mord bleibt eine Mahnung: Wir müssen die Demokratie auf allen Ebenen viel entschiedener schützen als bisher“, sagte Franke. Drohungen seien für viele, die sich politisch engagieren, beinahe Alltag geworden. Immer wieder hätten sich Bürgermeister an ihn gewandt, die um ihre Familien fürchten. Kommunalpolitiker müssten besser geschützt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“