Reaktionen auf Wahlausgang in Polen: EU gibt sich demonstrativ gelassen
Brüssel will zuversichtlich auf den Wahlsieg des rechtsnationalistischen Kandidaten Nawrocki in Polen blicken. Dabei hat die EU viel zu verlieren.
„Ich bin zuversichtlich, dass die EU ihre sehr gute Zusammenarbeit mit Polen fortsetzen wird“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag auf X. Gemeinsam werde man die Nato „noch stärker“ machen, kommentierte deren Generalsekretär Mark Rutte in Brüssel.
In Wahrheit müssen sich Rutte und von der Leyen einige Sorgen machen. Nawrocki lehnt den Nato-Beitritt der Ukraine ab. Außerdem gilt er als Nationalist, der die EU in die Schranken weisen will. Polnische Gesetze müssten in Warschau gemacht werden, nicht in Brüssel, meint er.
Damit setzt er sich vom polnischen Regierungschef Donald Tusk ab, der – nachdem er einige Jahre lang als Ratspräsident in Brüssel gearbeitet hatte – auf eine enge Zusammenarbeit mit der EU bedacht ist. Damit könnte es nun vorbei sein, sogar EU-Hilfen sind wieder in Gefahr.
Nach Tusks Wahl 2023 hatte von der Leyen ohne Zögern EU-Gelder in Milliardenhöhe ausgezahlt, die zuvor wegen Problemen mit dem Rechtsstaat eingefroren worden waren. Doch nun dürften die Reformen, die Tusk versprochen hat, kaum noch voran kommen: Nawrocki kann sie blockieren.
Damit stellt sich die Frage nach den EU-Zahlungen neu. Probleme werden in Brüssel auch in der Energiepolitik und bei der Migration erwartet. Polen lehnt die laufende Reform der Asyl- und Migrationspolitik ab; mit Nawrocki dürfte der Widerstand aus Warschau noch zunehmen.
Auch das Verhältnis zu den USA könnte jetzt schwieriger werden. Von der Leyen fordert mehr Unabhängigkeit, doch Nawrocki will Polen wieder enger an Amerika binden. Er gilt als großer Fan von US-Präsident Donald Trump, der seine Wahl denn auch nach Kräften unterstützt hat.
Die Trump-Fans freuen sich
Nun freuen sich die Trump-Fans in Europa. Frankreichs Nationalistenführerin Marine Le Pen sprach nach der Wahl in Polen von einer „guten Nachricht“. Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán jubelte über den „fantastischen Sieg“, den Nawrocki eingefahren habe.
Orbán war zuletzt in die Defensive geraten, immer mehr EU-Politiker wollen ihm den Geldhahn zu drehen. Nun kann er wieder auf Rückendeckung aus Polen hoffen. Für ein polnisch-ungarisches Bündnis gegen Brüssel, wie unter der früheren PiS-Regierung, dürfte es jedoch nicht reichen.
Spannend wird es im Europaparlament. Hier verspürt die nationalistische polnische PiS-Partei plötzlich Aufwind. Sie arbeitet in der rechtskonservativen Fraktion der EKR (Europäische Konservative und Reformer) mit und könnte künftig wieder mehr Gewicht bekommen.
Vor dem Hintergrund, dass der EKR oft für Mehrheiten im EU-Parlament gebraucht wird, ist dies nicht ganz unwichtig. Ausgerechnet die konservative Europäische Volkspartei von Kommissionschefin von der Leyen (CDU) holt sich fehlende Stimmen immer wieder beim EKR.
Sozialdemokraten und Grüne haben dies schon oft angeprangert und vor einem Rechtsruck gewarnt. Nun hat der Rechtsdrall auch Polen erreicht – mit möglicherweise weit reichenden Folgen für die gesamte EU.
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