Reaktionen auf Trumps Jerusalem-Vorstoß: Ablehnung des Alleingangs
Die Entscheidung des US-Präsidenten, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, wird kritisiert. In den Palästinensergebieten kam es zu Demonstrationen.
Trump wies das US-Außenministerium an, sofort mit den Vorbereitungen für den Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu beginnen, wie er in einer Ansprache im Weißen Haus mitteilte. Der US-Präsident sprach von einem „lange überfälligen“ Beschluss. Er betonte, dass er mit seiner Entscheidung das Engagement seines Landes für einen „dauerhaften Frieden“ in Nahost nicht in Frage stelle.
Trumps Entscheidung hatte bereits im Vorfeld Ängste vor einem neuen Flächenbrand in Nahost ausgelöst. Der endgültige Status von Jerusalem ist einer der größten Streitpunkte im Nahost-Konflikt. Die Palästinenser beanspruchen den 1967 von Israel besetzten und dann 1980 annektieren Ostteil Jerusalems als künftige Hauptstadt ihres angestrebten eigenen Staates. In der internationalen Gemeinschaft herrschte bislang Konsens darüber, dass der Status der Stadt in Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern geklärt werden muss.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von einer „mutigen und gerechten Entscheidung“ und einem „historischen Tag“. Im Gazastreifen protestierten dagegen am Abend mehrere tausend Menschen gegen die US-Entscheidung. Sie verbrannten Flaggen der USA und Israels und skandierten Parolen wie „Tod für Amerika“ oder „Tod für Israel“. Im von Israel besetzten Westjordanland waren für Donnerstag Demonstrationen angekündigt.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sagte im palästinensischen Fernsehen, „diese beklagenswerten und unannehmbaren Maßnahmen“ würden „bewusst alle Friedensbemühungen“ untergraben. Damit gebe Washington seine „Rolle als Förderer des Friedensprozesses“ auf, den es im vergangenen Jahrzehnt innegehabt habe.
Auch die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) kritisierte, dass die USA sich nun für jede vermittelnde Rolle im Nahost-Konflikt „disqualifiziert“ hätten. Trump habe „die Zwei-Staaten-Lösung zerstört“, sagte PLO-Generalsekretär Sajeb Erakat. Damit ist die friedliche Koexistenz eines Palästinenserstaats mit Israel am Ende eines Friedensprozesses gemeint.
Europäische Union „zutiefst besorgt“
Die radikale Palästinenserorganisation Hamas erklärte, Trump habe auch den US-Interessen geschadet und für sein Land „das Tor zur Hölle“ aufgestoßen. Die Hamas hatte bereits vor der Rede des US-Präsidenten mit einem neuen Palästinenseraufstand, der dritten Intifada, gedroht.
Saudi-Arabien nannte die Entscheidung „ungerechtfertigt und unverantwortlich“. Sie verstoße gegen die „historischen und permanenten Rechte des palästinensischen Volkes“, erklärte der Palast in Riad.
Indonesien, das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung, hat die USA aufgefordert, die Entscheidung zu überdenken. Präsident Joko Widodo verurteilte das Vorgehen Trumps: „Das kann die globale Sicherheit und Stabilität erschüttern.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ging auf Distanz zu der US-Entscheidung. „Die Bundesregierung unterstützt diese Haltung nicht, weil der Status von Jerusalem im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung auszuhandeln ist“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte in der ARD, mit der US-Entscheidung werde „Öl ins Feuer“ gegossen. Die Interessen der Palästinenser würden ignoriert.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte in Brüssel, die Europäische Union sei „zutiefst besorgt“ über die Ankündigung des US-Präsidenten und „die Auswirkungen, die diese auf die Friedensperspektiven haben kann“.
Der UN-Sicherheitsrat befasst sich am Freitag in einer Dringlichkeitssitzung mit der Entscheidung Washingtons. Die Tagung des obersten UN-Gremiums war von acht Ländern beantragt worden. Dabei solle UN-Generalsekretär Antonio Guterres Bericht erstatten, teilte die schwedische Vertretung bei der UNO mit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge