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Reaktionen auf Tod von Wolfgang Schäuble„Ein scharfer Denker“

Wolfgang Schäuble hat die deutsche Politik so lange geprägt wie kaum ein anderer. Neben dem Kanzler würdigten zahlreiche Politiker sein Schaffen.

Angela Merkel und Wolfgang Schäuble im Deutschen Bundestag, Berlin 17.7.2015 Foto: SVEN SIMON/imago

Berlin taz/dpa/epd | Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) würdigte den früheren Bundestagspräsidenten und Bundesminister Wolfgang Schäuble und sprach den Angehörigen sein Beileid aus. Am Dienstagabend war der CDU-Politiker zu Hause im Kreis seiner Familie gestorben. Schäuble habe das Land „mehr als ein halbes Jahrhundert geprägt: Als Abgeordneter, Minister und Bundestagspräsident“, erklärte Scholz am Mittwoch auf der Plattform X. „Mit ihm verliert Deutschland einen scharfen Denker, leidenschaftlichen Politiker und streitbaren Demokraten.“

Auch die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betrauerte den Tod ihres langjährigen politischen Weggefährten. „Wolfgang Schäubles Stimme werden wir in Deutschland vermissen, sein Rat wird mir persönlich fehlen“, hieß es in einer Erklärung. Er habe die Fähigkeit gehabt, weit über den Tag hinaus große politische Entwicklungen zu erkennen und zu gestalten. Schäuble habe zu den Architekten der Deutschen Einheit gehört, sei Vordenker der deutsch-französischen Freundschaft und leidenschaftlicher Europäer gewesen, erklärte Merkel.

Auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, der einen persönlichen Draht zu ihm pflegte, reagierte bestürzt auf den Tod von Schäuble. Die Nachricht erfülle ihn mit großer Trauer, schrieb er auf X. „Ich verliere mit Wolfgang Schäuble meinen engsten Freund und Ratgeber, den ich in der Politik je hatte.“ Auch der CDU-Politiker Jens Spahn tat seine Trauer kund. „Europa verliert einen großen Staatsmann. Ich verliere meinen wichtigsten Mentor und einen väterlichen Freund“, so Spahn.

Markus Söder versprach, dass die CSU ihm „ein ehrendes Andenken bewahren“ werde. Schäuble habe sich in unterschiedlichen Funkionen „große Verdienste um Deutschland erworben“, schrieb der CSU-Vorsitzende. Der ehemalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) schrieb: „Als junger MdB erhoffte ich einen Kanzler Schäuble.“

Die Beileidsbekundungen und Würdigungen gingen aber quer durch die politischen Parteien. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete Schäuble als „bedeutendsten Demokraten unserer Republik“, großen „Staatsmann“ und „Architekt der Deutschen Einheit“. Schäuble habe „das demokratische Nachkriegsdeutschland wie wenige andere“ verkörpert, so Faeser.

„Ein Gigant des Parlamentarismus“

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte: „Mit ihm zu streiten war immer eine Bereicherung: intellektuell, messerscharf, klar in der Analyse, fair.“ Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann dankten „für seinen beeindruckenden Einsatz für unseren Parlamentarismus und unsere Demokratie.“ Auch der Grünen-Parteivorsitzende Omid Nouripour bezeichnete Schäuble als „Gigant des Parlamentarismus“. Sein Platz in den Geschichtsbüchern sei „ihm gewiss“.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schätzte seine „tiefe Reflexionsfähigkeit und Besonnenheit“. „Er hat Großes geleistet für Deutschland und Europa“, schrieb der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Auch Linkenpolitiker Dietmar Bartsch fand anerkennende Worte. Schäuble sei ein „herausragender Demokrat“ gewesen, auch wenn ihre Positionen sich oft „diametral gegenüber“ standen. Noch in der letzten Sitzungswoche habe Schäuble zu ihm gesagt: „Es geht auf und ab in der Politik, denken Sie immer auch an sich.“

Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble gehörte mehr als ein halbes Jahrhundert dem Bundestag an und gestaltete Politik als Minister, Fraktions- und Parteichef. Als Bundesinnenminister im Kabinett von Helmut Kohl (CDU) verhandelte er 1990 die Verträge zur deutschen Einigung. 2006, als er erneut Innenminister unter Angela Merkel (CDU) war, gründete Schäuble die Deutsche Islamkonferenz.

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5 Kommentare

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  • Wovor ich respekt habe ist die Tatsache , dass er aus einer Zeit kam, in der es hier sprichwörtlich nur Holz und Steine gab, und dieses Land seit 45 von der Pike auf mitgestalten und aufbauem wollte, und niemals zurück. Ich glaube dass ein Wolfgang Schäuble bis zuletzt auch eine Schüssel voll "verheierte" mehr geschätzt hat, als Kaviar und Schampus-Parties. Bodenständig aus Überzeugung. Das kann alles hinterwäldleschich und konservativ klingen, aber wenn ich mir ansehe wie verschwenderisch wir alle heute sein können, aber sobald ein Pups an Steuer mehr so manch einen in eine AFD oder andre Dummschwätzer ohne Rückgrat treibt, dann vermisse ich einen wie ihn umso mehr.

  • Schäuble dürfte einer der wenigen gewesen sein, der das seinerzeit noch als Dissertation anerkannte Buch seines Kabinettskollegen zu Guttenberg, "Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU", aus Interesse gelesen haben.

    Bewundert habe ich ihn für seinen Umgang mit dem Attentat und seiner Querschnittslähmung:

    》Süddeutsche Zeitung:Was suchen, was finden Sie in Ihrer evangelischenKirche?

    Wolfgang Schäuble:Halt, Geborgenheit und Gemeinschaft. Ich bin ein einfacher Mensch. Ich war nie besonders fromm, aber ich habe im Laufe meines Lebens mehr und mehr die Erfahrung gemacht, dass es gut ist, wenn man Halt hat. Dietrich Bonhoeffer hat 1943 in seinem Glaubensbekenntnis gesagt: Man kriegt die Kraft, wenn man sie braucht. Das stimmt. Ansonsten versuche ich, mir meinen Konfirmandenglauben zu bewahren. Dann wird es nicht sokompliziert.

    SZ:Beschreiben Sie diesenKonfirmandenglauben.

    Schäuble:Ich glaube, dass wir nicht aus eigener Macht heraus leben. Das Alte wie das Neue Testament ist voll von fundamentalen Menschheitserfahrungen, Sie können sie als Finanzminister jeden Tag brauchen: den Tanz ums Goldene Kalb, den Turmbau zu Babel, die Maßlosigkeit der Menschen, die in ihrer Idiotie sich selbstzerstören《 (SZ 2010, www.sueddeutsche.d...einschaft-1.938277 )

    "Man kriegt die Kraft, wenn man sie braucht" - das war vorbildlich und groß: von 1990, noch keine 50 Jahre alt, bis zu seinem Tod hat er es 33 Jahre lang gelebt.

  • Hätte er schärfer nachgedacht, würde uns die Schuldenbremse nicht so schwer im Magen liegen, würde unser Bildungs- und Gesundheitssystem u.v.a.m. nicht an mangelnden Investitionen kaputt gehen. Wäre er ein so großer Europäer gewesen, hätte er die Griechen nicht an den Bettelstab geliefert um französische u deutsche Banken zu retten.

    • @ingrid werner:

      Bitte googeln: die Schuldenbremse habe wir der SPD zu verdanken.



      Ob die Sanierung Griechenlands eher innerhalb oder außerhalb der EU sinnvoller gewesen wäre, darüber kann man streiten. E



      Seine Haltung hatte nichts rassistisches aber fiskalisch konservatives. Was sonst. Er ist halt CDUler. Das bankrotte Bildungssystem kann man ihm nicht anhängen. Und das Gesundheitssystem haben alle zusammen verbockt, vorneweg marschierte hier Herr Lauterbach, dem wir die DRG zu verdanken haben, der meine Meinung nach aber aktuell eher in die bessere Richtung umsteuert. Mir hat an Schäuble immer seine badische Verschmitzheit und intellektuelle Schärfe gefallen. Auch sein grimmiges Gesicht ("das erspart mir 90 Prozent der Gespräche"). Auch wenn er Konservativer war: er war geradlinig und ein schlauer Fuchs.

  • Respekt



    Nie von mir gewählt habe ich trotzdem höchsten Respekt für seinen politischen Einsatz und seine Lebensleistung für seine Partei und seiner Arbeit für Deutschland. Er war sehr konservativ aber nie zu weit rechts. Durch ihn verliert die CDU ein ganzes Stück Substanz, welches Merz nie ersetzen kann.



    Und nun Ruhe in Frieden.