Reaktion auf transfeindliche Gewalt: Transfeindlichkeit hält an
Ein Bremer Bündnis fordert konsequentes Handeln gegen Transfeindlichkeit. Aufklärung und Prävention müssten in der Bildungsarbeit verankert werden.
Knapp anderthalb Monate sind seit den transfeindlichen Angriffen in Münster und in Bremen vergangen. In Münster starb der trans* Mann Malte C. Anfang September nach einem Angriff auf dem Christopher Street Day (CSD). In Bremen griff eine Gruppe Jugendlicher eine trans* Frau in der Straßenbahn an.
Auf einer spontanen Kundgebung hatten sich daraufhin rund 250 Menschen vor dem Bremer Kulturzentrum Schwankhalle versammelt. „Wir hatten diese Versammlung eher für die Community organisiert, nach innen“, sagt Müller. „Jetzt wollen wir nach außen wirken und Transfeindlichkeit ins öffentliche Bewusstsein rufen.“
Anfeindungen und Ausschlüsse seien für trans* Menschen „leider normal“, berichtet Müller – ob online, auf der Straße oder auch bei Ärzt*innen. Auf dem CSD in Bremen und auf dem Inter*Dyke*March hätten sich in diesem Jahr gleich mehrere Übergriffe ereignet: Passant*innen beleidigten Teilnehmer*innen und rissen ihnen Fahnen von Hals und Fahrrad ab. „Hetze schlägt schnell in körperliche Gewalt um“, sagt Müller. Die Gruppe Queeraspora sagt in ihrem Redebeitrag: „Die alltägliche Transfeindlichkeit ist im Tod von Malte gemündet.“
Mehr Investition in Bildungsprojekte
Bei Queeraspora organisieren sich queere Geflüchtete und BIPoCs (Black, Indigenous and People of Colour). „Transfeindlichkeit ist ein globales Problem“, sagt der*die Sprecher*in von Queeraspora. Nach den Angriffen habe es Versuche gegeben, transfeindliche Gewalt auf BIPoCs und geflüchtete Menschen zu schieben. Das verurteilen sowohl Queeraspora als auch die Organisator*innen der Mahnwache. „Wir werden nicht sicherer, wenn benachteiligte Gruppen gegeneinander ausgespielt werden“, sagt Müller.
Das Bündnis fordert auch mehr Investitionen in Bildungsprojekte. „Die Arbeit mit Schüler*innen ist wichtig, da Transfeindlichkeit auch von Kindern und Jugendlichen ausgeht“, sagt Müller. Das habe sich bei dem Angriff in der Bremer Straßenbahn, aber auch im Projekt „Queere Bildung“ gezeigt, welches das „Rat und Tat“-Zentrum Bremen für Schulklassen und Lehrkräfte anbietet.
In einem der Workshops hätten mehrere Schüler*innen den Angriff auf die Bremer trans* Frau gerechtfertigt. „Die Situation hat sich so weit hochgeschaukelt, dass ein Schüler mit körperlicher Gewalt gedroht hat“, sagt Müller – dies habe das Team „nur knapp verhindern“ können. Im Projekt gebe es seit diesem Jahr eine Stelle, die von der Senatorin für Kinder und Bildung gefördert wird. „Das ist ein großer Fortschritt, gemessen an der Realität aber leider zu wenig“, findet Müller. Jährlich fänden 50 Workshops statt, die jeweils zwei bis vier Personen durchführen.
Außer Müller arbeiten derzeit alle Teamer*innen ehrenamtlich. Sie seien nicht immer verfügbar – inklusive Vor- und Nachbereitung nehme ein Workshop etwa sechs Stunden in Anspruch. „Um die Qualität unseres Projektes sicherzustellen, benötigen wir eine zweite Fachkraft“, sagt Müller. Auch über ein Budget für Fortbildungen und Aufwandsentschädigungen möchte das Projekt mit dem Bildungsressort ins Gespräch kommen.
Nächste Demo geplant
In der Koalitionsvereinbarung der rot-grün-roten Landesregierung heißt es, dass „Aufklärung sowie Prävention gegen Homophobie und Trans*/Interfeindlichkeit“ fest in der Bildungsarbeit verankert werden sollen. Außerdem will die Regierung das „Rat und Tat“-Zentrum „finanziell besser ausstatten“.
„Wenn trans* Menschen sich gegen Transfeindlichkeit engagieren, sind sie schnell in 40 Projekten gleichzeitig involviert“, sagt ein*e Teilnehmer*in der Mahnwache – zu vieles sei zu tun, zu wenig Unterstützung gebe es von außen. „Wir sind auf Solidarität aus allen Gruppen der Gesellschaft angewiesen – auch Kirchen und Gewerkschaften“, sagt Müller. Als nächstes plane das Bündnis eine Demonstration am 19. November, dem Vortag des „Trans Day of Remembrance“.
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