piwik no script img

Reaktion auf FinanzkriseStaatshilfe für private Banken

Sollen die Staaten und ihre Notenbanken Privatinstitute retten, die sich mit faulen Immobilienkrediten verspekuliert haben? Debatte zwischen Bankern und Ökonomen.

Glaubt plötzlich nicht mehr an Selbstheilungskräfte des Marktes: Deutsche Bank-Chef Ackermann. Bild: ap

BERLIN dpa/rtr/taz Mehrere Zentralbanken diskutieren laut Medienberichten einen Massenaufkauf von hypothekengesicherten Wertpapieren, um die globale Kreditkrise zu bekämpfen. Wie die Financial Times ohne Angabe von Quellen berichtete, sind die Gespräche noch in einem frühen Stadium und Teil eines allgemeineren Austausches über Möglichkeiten, die Finanzmärkte zu beruhigen. Dabei scheine die Bank von England am ehesten einen Kauf zu befürworten, die US-Notenbank Fed stehe grundsätzlich der Idee offen gegenüber, und die Europäische Zentralbank (EZB) sei weniger enthusiastisch. Bislang haben sich die Zentralbanken bereiterklärt, die Papiere als Sicherheiten für Kredite anzunehmen.

Bestätigungen für eine koordinierte Intervention von Privat- und Staatsbanken waren am Osterwochenende nicht zu erhalten. Ein Sprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte, das Ministerium sei in solche Gespräche bislang nicht einbezogen gewesen.

"Ich glaube nicht mehr an die Selbstheilungskraft der Märkte", hatte Josef Ackermann, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, unlängst gesagt. Er sprach sich für ein konzertiertes Vorgehen von Notenbanken, Regierungen und Anlegern aus, betonte später aber, dass er damit nicht der Rettung von Investoren durch den Staat das Wort geredet haben wolle.

Durch den verlustreichen Handel mit schlecht gesicherten Immobilienkrediten sind in den USA und Europa zahlreiche Banken in Schwierigkeiten geraten. Das Wachstum der US-Wirtschaft hat sich stark abgeschwächt. Im Vergleich zum letzten Quartal 2007 legte sie in den ersten drei Monaten 2008 nur noch um 0,1 Prozent zu.

Finanzexperten erwarten, dass sich die internationale Bankenkrise noch weiter verschärft. "Wir sehen erst die Spitze des Eisbergs", sagte die US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Carmen Reinhart von der Universität Maryland. Sie gehe davon aus, dass weitere Banken ins Trudeln geraten werden. "Die faulen Kredite müssen erst aus den Bilanzen raus, und das passiert nicht über Nacht", sagte Reinhart. Bis dahin verliehen die Banken nur noch äußerst vorsichtig ihr Geld. Und das habe Folgen für die Wirtschaft.

Der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger sieht durch die aktuelle internationale Finanzkrise klare Abwärtsrisiken für die deutsche Konjunktur. "Die Bundesregierung darf darüber nicht einfach hinweggehen", sagte das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Allerdings unterscheide sich die Lage hierzulande grundlegend von der in den USA. "Der Aufschwung in Deutschland ist kein Aufschwung auf Pump gewesen. Wo es keine Kreditblase gibt, kann auch keine platzen." Als größte Gefahr für die deutsche Wirtschaft bezeichnete Bofinger die Aufwertung des Euro. Mit Blick auf mögliche staatliche Konjunkturprogramme sagte er, effektiver als ein nationaler Alleingang wäre eine internationale Initiative.

Der Ökonom betonte, das internationale Finanzsystem befinde sich in der schlimmsten Krise seit dem zweiten Weltkrieg. Nötig sei eine Änderung der Kreditvergabe und stärkeres Eingreifen des Staates. "Kredite müssen in Zukunft wieder stärker über traditionelle Banken laufen und nicht über exotische Zwischenhändler." KOCH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!