Reaktion auf EU-Strafzölle: Chinas Rache ist Vin rouge
Nachdem Brüssel Strafzölle auf chinesische Solarpanele verhängt hat, prüft Peking Gleiches für französische Weine. Die deutsche Industrie ist fein raus.
BRÜSSEL taz | Auge um Auge, Zahn um Zahn: Diese biblische Maxime gilt seit Mittwoch auch in den europäisch-chinesischen Handelsbeziehungen. Einen Tag nach der Ankündigung von EU-Strafzöllen auf chinesische Solarpanele leitete die Regierung in Peking am Mittwoch Untersuchungen gegen europäische Weinproduzenten ein. Sie zielen vor allem auf französische Winzer, die des Dumpings beschuldigt werden. Die deutsche Industrie hingegen kann sich vorerst beruhigt zurücklehnen.
Ob das wohl damit zu tun hat, dass Deutschland vehement gegen die EU-Strafzölle protestierte, während Frankreich die EU-Kommission unterstützt hat? Der Sprecher von Handelskommissar Karel De Gucht wollte diese Frage nicht beantworten. Man werde das von Peking eröffnete Prüfverfahren gegen europäische Weine „genau beobachten“, sagte er. Auf die Nachfrage eines französischen Journalisten, ob es sich um Vergeltung handle, ging er nicht ein.
Doch der Verdacht liegt nahe. Schließlich ist Frankreich der wichtigste Weinlieferant für China. Vergangenes Jahr wurde nach EU-Angaben Wein im Wert von 763 Millionen aus der EU nach China verkauft. Frankreichs Anteil an den edlen Tropfen betrug 546 Millionen Euro, was fast 72 Prozent entspricht. Präsident François Hollande reagierte verschnupft und forderte ein Treffen der 27 EU-Staaten. Man dürfe sich nicht auseinanderdividieren lassen.
Deutschland isoliert sich
Doch das wird schwierig. Schließlich war Deutschland schon vor Wochen aus dem EU-Verfahren ausgeschert und hatte sich offen gegen Sanktionen im Solarstreit mit China ausgesprochen. Am Mittwoch bekräftigte Regierungssprecher Steffen Seibert diese Haltung: Die Strafzölle seien nicht „im Sinne Europas, Deutschlands oder Chinas“. Nun müsse verhandelt werden.
Die CDU-Wirtschaftsvereinigung ging noch weiter und beschuldigte Brüssel, einen „Handelskrieg“ vom Zaun zu brechen. 2012 habe Deutschland Waren im Wert von über 66 Milliarden Euro nach China exportiert. Das dürfe nicht gefährdet werden.
Bei der Chemie stimmt's wieder
Allerdings muss sich die deutsche Wirtschaft bisher keine Sorgen machen. Der Strafzoll auf chinesische Solarpanele, der am heutigen Donnerstag in Kraft tritt, ist mit 11,8 Prozent so niedrig, dass er weder Herstellern noch Käufern schadet.
Und Repressalien gegen die Industrie drohen derzeit auch nicht. Peking hatte zwar noch Anfang der Woche Sanktionen gegen die Chemiebranche angedroht, die auch deutsche Hersteller getroffen hätten. Doch davon ist nun keine Rede mehr.
Zum Schwur dürfte es allerdings erst Anfang August kommen. Dann läuft die von der EU-Kommission angesetzte Verhandlungsfrist aus, der Strafzoll klettert auf 47,6 Prozent. Sollte es bis dahin keine Einigung geben, könnte der Streit eskalieren. Die Leidtragenden wären wohl aber eher die französischen Winzer als die deutsche Industrie.
Aus dem Europaparlament kam gestern ein gemischtes Echo. „Die Entscheidung ist mitnichten eine handelspolitische Kriegserklärung an China“, sagte SPD-Experte Bernd Lange. Die Tür für eine einvernehmliche Lösung stehe weiter offen. Kritik kam dagegen von der grünen EU-Abgeordneten Ska Keller. Während die EU in China gegen Dumping vorgehe, verbiete sie anderen Ländern durch Handelsabkommen, ihre junge lokale Industrie zu schützen. Diese „Doppelmoral“ sei falsch.
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