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Razzia bei Potsdamer Rechtsextremen

Die Brandenburger Polizei durchsucht die Wohnungen von 19 bekannten Rechten und will so die Szene verunsichern

Das Potsdamer Polizeipräsidium hat am Mittwochabend die Wohnungen von 19 bekannten Rechtsextremisten in Potsdam, Luckenwalde und Zossen durchsuchen lassen. Schwerpunkt der „präventiven Maßnahme“ war Potsdam, wo die Polizei 12 Objekte aufsuchte. Beschlagnahmt wurden dabei unter anderem zwei Computer, fünf Schreckschusswaffen, jede Menge rechtsextremes Propagandamaterial und CDs sowie Baseballschläger und Stichwaffen.

Bei den betroffenen Personen im Alter von 16 bis 33 Jahren habe es sich um „auffällige Rechte aus der Skinheadszene“ gehandelt, sagte Bettina Cain, Sprecherin des Potsdamer Innenministeriums. „Das Strafregister der Durchsuchten umfasst in den meisten Fällen Verurteilungen für rechtsextremistische, fremdenfeindliche oder antisemitische Straftaten oder auch normale Gewalttaten.“ Die Rechten seien aber nicht als Mitglieder von Organisationen oder Freien Kameradschaften aufgefallen.

Einen aktuellen Anlass für die Durchsuchungsmaßnahmen gab es nicht. Auch ein Zusammenhang zu den nach wie vor erfolglosen Ermittlungen gegen die so genannte Nationale Bewegung, die in Potsdam und Umgebung durch eine Serie von antisemitischen Schändungen und Brandanschlägen gegen Dönerimbisse Verunsicherung und Empörung ausgelöst hat, besteht nach Auskunft des brandenburgischen Innenministeriums nicht. Ziel der Durchsuchungen sei es, „den harten Kern der Rechtsextremen zu isolieren und die Mitläufer durch Verunsicherung aus der Szene zu lösen“, so Cain.

Das Polizeipräsidium Potsdam folgt damit dem Beispiel von Cottbus und Guben, wo seit Jahresanfang ebenfalls groß angelegte Razzien zur Verunsicherung der rechten Szene beitragen sollten. Mitte Januar hatte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) medienwirksam per Erlass neue Maßnahmen der „aufsuchenden“ Polizeiarbeit verkündet – so genannte individuelle Präventionskonzepte. Auffällig gewordene Rechte müssen mit Hausbesuchen der Polizei sowie koordiniertem Vorgehen von Jugendämtern, Jugendgerichtshilfen, Schulen und anderen Einrichtungen rechnen. Mit diesem Konzept, das unter anderem in Nordrhein-Westfalen schon länger praktiziert wird, versucht das Innenministerium, Brandenburgs Image als Hort rechter Schläger loszuwerden.

Im vergangenen Jahr stieg die Zahl offiziell registrierter rechter Straftaten um 26,7 Prozent auf 365. Darunter fielen unter anderem 71 fremdenfeindliche Gewalttaten und 34 antisemitische Straftaten. Hier ist die Aufklärungsquote mit nur 38 Prozent am niedrigsten. Im Potsdamer Innenministerium wurden gestern nicht nur Zahlen, sondern auch Erklärungen für deren Anstieg mitgeliefert: Innenstaatssekretär Eike Lancelle (CDU) verkündete, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die breite gesellschaftliche Debatte zum Thema Rechtsextremismus zu einer „erhöhten Anzeigebereitschaft der Bevölkerung“ geführt und außerdem die Rechten zu Straftaten angeregt habe. HEIKE KLEFFNER

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