Rausschmiss von Paralympischen Spielen: Aus dem Spiel
Paralympische Rollstuhlbasketballer:innen mit geringem Handicap sollen von den Spielen in Tokio ausgeschlossen werden. Dagegen regt sich Widerstand.
Die Zeit drängt. „Vorschläge für eine gütliche Lösung“ bis spätestens 7. September fordern diverse nationale Athletenvertretungen am Montag in einem offenen Brief vom Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) ein. Es geht um den geplanten Ausschluss von Rollstuhlbasketballer:innen für die verschobenen Paralympischen Spiele in Tokio 2021. Das IPC übt auf den Internationalen Rollstuhlbasketballverband (IWBF) schon seit Längerem Druck aus, die sportlichen Voraussetzungen zwischen den Teams anzugleichen. Spieler:innen, die im Alltag ohne Rollstuhl auskommen und nur leichte körperliche Einschränkungen haben, sollen ausgeschlossen werden. Der IWBF setzt seit Jahren auf ein Reglement, dass möglichst inklusiv und offen ist.
Weil der IPC als Dachverband am längeren Hebel sitzt, sollen die neuen Klassifizierungsregeln nun für die nächsten Paralympischen Spiele umgesetzt werden. Die deutsche Rollstuhlbasketballerin Barbara Groß etwa, die einen maßgeblichen Anteil bei der Qualifikation des deutschen Teams für die Spiele in Tokio beitrug, ist nach den neuen Regeln nun doch nicht dabei. Das teilte der Deutsche Behindertensportverband Ende Juli mit.
Wegen eines schweren Verkehrsunfalls blieb ihr einst nur der paralympische Sport, jetzt werden ihr neue Grenzen gesetzt. Wie problematisch die Frage sein kann, wer gehandicapt genug ist, zeigte der britische Rollstuhlbasketballer George Bates auf. Er erklärte jüngst, die IPC-Entscheidung könne ihn möglicherweise dazu bewegen, sein schmerzendes Bein doch noch amputieren zu lassen, damit er noch mitmachen darf.
Die Athletenvertretungen aus Deutschland, den Niederlanden, Kanada und den USA sowie die Bewegung Global Athlete, die alle den Brief an den IPC unterschrieben haben, vermeiden es, sich inhaltlich zu positionieren. Keine Antwort also auf die delikate Frage, was wichtiger ist: Inklusion in diesem Teamsport oder die Vergleichbarkeit von Leistungen? Und wie genau und objektiv überprüfbar will man diese Vergleichbarkeit denn herstellen?
Entmündigung der Sportler:innen
Die Interessenvertretungen der Sportler:innen kritisieren vornehmlich, der Konflikt zwischen den Verbänden, zwischen dem IPC und dem IWBF, werde auf dem Rücken der Athlet:innen ausgetragen. Zwei Jahre hätte das Internationale Paralympische Komitee geduldet, dass der Rollstuhlbasketballverband sich nicht um die ihm auferlegten Vorgaben geschert habe. Der kurzfristige Ausschluss von regulär qualifizierten Sportler:innen sei dem IPC „rechtlich nicht gestattet“. Ebenso wenig rechtens sei die Drohung, Rollstuhlbasketball ganz aus dem paralympischen Programm von Tokio zu streichen.
Die Autor:innen des Briefs fordern die Beendigung der entmündigenden Vorgehensweise und Kompromissbereitschaft vom IPC ein. „Im Namen der Athlet:innen appellieren wir, die Unterzeichner, an das IPC, einer Übergangsperiode vor den Spielen in Tokio zuzustimmen und eine Lösung gemeinsam mit einer glaubwürdigen und effektiven Athletenvertretung zu finden.“
Neun Athlet:innen sind bislang weltweit wegen zu geringer Einschränkungen von den Spielen in Tokio ausgeschlossen worden. Mareike Miller, Kapitänin des deutschen Rollstuhlbasketballnationalteams, bemängelte vergangene Woche in einem Interview mit Athleten Deutschland e. V. die Hinhaltetaktik der Verantwortlichen: „Sowohl die nationalen Verbände als auch die Athlet:innen haben immer wieder nachgefragt, was los ist und ob sich vor Tokio etwas ändern könnte. Das wurde immer verneint oder abgetan.“
Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbands (DBS), hat schon vor Wochen für eine faire Lösung geworben: „Menschen im laufenden paralympischen Zyklus von den Spielen auszuschließen, ist nicht hinnehmbar.“
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