Rauchmelderpflicht in Berlin: Gefährliche Verzögerung
Berlin hat als letztes Bundesland Rauchwarnmelder in Wohnungen vorgeschrieben. Doch wohl nicht alle Vermieter schaffen die Frist rechtzeitig.
Wer kontrollieren will, ob sich sein aktueller oder künftiger Vermieter um die Wohnungen auch wirklich kümmert, kann das derzeit mit einem einfachen Blick an die Decke tun. Klebt dort in der Mitte eine kleine weiße oder graue Dose, manchmal mit einem dezent blinkenden Lämpchen, ist das schon mal ein gutes Zeichen. Denn bis zum 31. Dezember 2020 müssen alle Berliner Wohnungen umfassend mit Rauchwarnmeldern ausgerüstet werden. Ob das gelingt, ist jedoch fraglich.
Dabei ist die Pflicht zur Nachrüstung aller bestehenden Wohnungen schon seit vier Jahren bekannt; Berlin ist zudem – zusammen mit Brandenburg – das letzte Bundesland, das diese Vorschrift einführt. In Nordrhein-Westfalen etwa gilt sie bereits seit 2017, in Baden-Württemberg sogar schon seit 2015. Sachsen hat sie zumindest für Neubauten schon lange umgesetzt. In Berlin hingegen war sie bis zur Gesetzesänderung Mitte 2016 umstritten.
Die Schuld an der späten Umsetzung sieht Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, vor allem bei der SPD, die bis Ende 2016 viele Jahre den Bausenator gestellt hat. „Die Wohnungswirtschaft hat sich jahrelang gegen die Ausstattung bestehender Wohnungen mit Rauchwarnmeldern gewehrt. Bei der SPD ist sie damit auf offene Ohren gestoßen“, sagte Wild der taz.
Trotz der langen Vorlaufzeit werde die Zeit nun knapp, so Wild: „Wir gehen davon aus, dass bis Jahresende die Vermieter nicht überall Rauchwarnmelder eingebaut haben.“ Das liege ganz offensichtlich daran, dass sie die Übergangsfrist bis zuletzt ausreizen wollten.
Lebensretter
Dabei ist unbestritten, dass die kleinen und schon für wenige Euro erhältlichen Geräte Leben retten können. Registrieren sie eine starke Rauchentwicklung, erklingt ein wirklich ohrenbetäubender Alarmton. Menschen, die etwa im Schlaf von einem Wohnungsbrand überrascht werden, können sich so hoffentlich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Die Feuerwehr weist darauf hin, dass oft nicht das Feuer selbst die größte Gefahr darstelle, sondern der Rauch: Die meisten von einem Brand heimgesuchten BewohnerInnen verbrennen nicht, sondern sterben an einer Rauchvergiftung.
Ohne Corona wäre die Übergangsfrist für die verpflichtende Ausstattung mit Rauchmeldern wohl ausreichend gewesen, sagt sogar der Mieterverein. Auch der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) spricht von Schwierigkeiten durch die Pandemie: Oftmals konnten oder wollten HandwerkerInnen nicht in die Wohnungen zum Einbau der Geräte, berichtet BBU-Sprecher David Eberhart. Zudem gab es zuletzt Lieferschwierigkeiten wegen Corona. „Wir hätten uns angesichts der Pandemie mehr Flexibilität seitens der Politik gewünscht und haben – leider erfolglos – um eine Verlängerung der Frist um bis zu sechs Monate gebeten“, berichtet Eberhart.
Der BBU vertritt nach eigenen Angaben rund 350 Wohnungsunternehmen in Berlin und Brandenburg mit etwa 1,1 Millionen Wohnungen. Im April, kurz nach Beginn der Pandemie, hatten laut Eberhart 17 Prozent der Mitgliedsunternehmen angegeben, dass sie die Ausstattung aller Bestandswohnungen mit Rauchmeldern als „besondere Herausforderung“ – sprich als nicht umsetzbar – einschätzen. Trotzdem und trotz der Bitte um eine Fristverlängerung geht man beim BBU aber davon aus, „dass die Nachrüstung bis Ende des Jahres umgesetzt sein wird“.
Auch die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind laut der Senatsbauverwaltung optimistisch, dass dies gelingt. Bei dreien – der Gewobag, der Howoge sowie der Stadt und Land – liege die Einbauquote aktuell bereits bei nahezu 100 Prozent. Bei der Gesobau sind es erst 90 Prozent, Degewo und WBM hätten dazu keine Angabe machen können, teilte eine Sprecherin von Bausenator Sebastian Scheel (Linke) mit.
Und was passiert, wenn der eigene Vermieter bis Ende des Jahres die Pflicht nicht umgesetzt hat? Laut Reiner Wild gehören Rauchwarnmelder ab 1. Januar zum Mindeststandard einer Wohnung; fehlen sie, handle es um einen „Mangel der Mietsache“. „Es ist dann im Einzelfall zu prüfen, ob neben dem unzweifelhaften Anspruch auf Mängelbeseitigung auch ein Mietminderungsrecht gegeben ist“, sagt er.
Ob die Vermieter umfassend ihrer Pflicht nachkommen, wird weder kontrolliert noch mit Bußgeldern geahndet. „Eine systematische Überprüfung der Nachrüstung mit Rauchwarnmeldern von Amts wegen ist gesetzlich nicht vorgesehen“, erklärt die Senatsbauverwaltung dazu. Zuständig sind die Bezirke, und die würden allenfalls bei konkreten Hinweisen auf Versäumnisse tätig. Sie könnten dann eine Nachfrist zur Nachrüstung setzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert