Ratko Mladic: Er hieß der "Schlächter des Balkan"
Dem Befehlshaber der bosnischen Serben werden unter anderem die Belagerung von Sarajevo und das Massaker von Srebrenica vorgeworfen.
SPLIT taz | Sein bulliger Kopf, der gedrungene Körper und die energischen Bewegungen strahlen Autorität aus. Die Untergebenen Ratko Mladic in Bosnien vergöttern ihn bis heute. Sie leugnen seine Verbrechen, wollen nichts wissen von den systematischen Morden an der nichtserbischen Zivilbevölkerung während des Krieges in Bosnien und Herzegowina von 1992 bis 1995. Doch auch in Serbien selbst konnte Mladic sich 16 lange Jahre lang auf "seine" Leute verlassen. Jetzt wurde er dennoch gefasst.
Geboren am 12. März 1943 im Dorf Bozinovici bei Kalinovik, wuchs Ratko Mladic in einer kargen Bergregion 60 km südlich von Sarajevo auf. Das bisschen Viehzucht brachte nie viel ein, die Gegend war arm. Die Region gilt bis heute als Hochburg serbischer Nationalisten, hier schlug die serbisch-nationalistische Tschetnikbewegung schon im Zweiten Weltkrieg tiefe Wurzeln.
Ratko Mladic Vater aber ließ als kommunistischer Partisan im Kampf gegen kroatische Nationalisten sein Leben. Ob die Geschichte der Region und die seiner Familie ein Schlüssel für die Psyche des Ratko Mladic ist, bleibt offen. Gesichert ist, dass der junge Ratko Mladic Anfang der 60er Jahre gern zum Militär ging und die damalige Jugoslawische Volksarmee ihm glänzende Perspektiven bot.
Schon vor 1991, dem Kriegsausbruch in Kroatien, wurde er als Oberst zum Kommandeur des 9. Armeekorps in der kroatischen Region Knin ernannt. Seine militärischen Fähigkeiten stellte Mladic bald öffentlich unter Beweis. Zusammen mit dem Polizeichef von Knin ordnete er im Juli 1991, bei Kriegsausbruch in Kroatien, "ethnische Säuberungen" beim Sturm auf das von Kroaten bewohnte Dorf Kijevo an. Sie griffen mit schwerer Artillerie an, schickten dann Infanterie und Freischärlertruppen vor, die töteten, wer sich ihnen in den Weg stellte.
44 Monate Belagerung von Sarajevo
Die Serben eroberten mit dieser Taktik fast ein Drittel des kroatischen Territoriums. Als 1992 der Krieg in Bosnien anstand, wurde Mladic Kommandeur des II. Militärdistrikts in Sarajevo. Im Mai 1992 wurde er zum Chef der neu formierten Bosnisch-Serbischen Armee ernannt, die fortan die Kämpfe in Bosnien führen sollte. Mladic gelang es in den folgenden Monaten bis zum Herbst 1992, fast 70 Prozent des Territoriums von Bosnien und Herzegowinas zu erobern.
Die 44-monatige Belagerung von Sarajevo gehört mit zu den Punkten, die ihm das UN-Tribunal für Exjugoslawien in Den Haag zur Last legt. Über 70.000 muslimische Bosniaken und Kroaten fanden während dieser Zeit durch "ethnische Säuberungen" den Tod, zehntausende Menschen wurden in Konzentrationslagern ermordet oder bei den Angriffen getötet, tausende Frauen vergewaltigt, 2 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben.
Zwei Gesten sollten fortan Mladic weiteres Schicksal bestimmen. Als im Frühjahr 1993 auf Drängen der USA, der EU und der Nato unter Mitwirkung des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic der Vance-Owen-Friedensplan für Bosnien und Herzegowina unterzeichnet werden sollte, sperrte sich Mladic. Der Plan sah vor, mehrere Kantone zu schaffen, die so zugeschnitten waren, dass jede Volksgruppe in ihren Hauptsiedlungsgebieten dominieren konnte. Die Vertriebenen sollten zurückkehren. Das serbisch-bosnische Parlament sollte dem Plan zustimmen. Doch Mladic stellte sich quer, die Mehrheit der Abgeordneten stellte sich hinter ihn. Präsident Milosevic verließ frustriert den Raum. Und der Krieg ging weiter.
Das Massaker von Srebrenica
Die zweite Geste war tödlich für 8.000 Gefangene. Als einer seiner Offiziere am 11. Juli 1995 auf die zusammengetriebenen Männer von Srebrenica deutete und fragte, was mit diesen Männern geschehen sollte, erklärte Mladic vor laufenden Kameras "Das ist die Rache für Kosovo Polje" - Rache an den "Türken" wegen der vor 600 Jahren verlorenen Schlacht auf dem Amselfeld. Das Massaker begann.
Nun konnte die internationale Gemeinschaft nicht mehr neutral bleiben. Die USA und die Nato gaben grünes Licht für die darauf folgenden Offensiven in Kroatien und Bosnien. Die Serben verloren im Sommer 1995 das gesamte eroberte Gebiet in Kroatien und wurden in Bosnien auf 49 Prozent des Territoriums zurückgedrängt.
Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag erhob 1995 Anklage gegen Ratko Mladic, seit 1996 wurde er mit internationalem Haftbefehl gesucht. Seither musste er sich in Acht nehmen. Das serbische Militär hielt trotzdem weiter zu ihm, sowohl in Bosnien wie in Serbien. Solange Milosevic regierte, also bis zum Herbst 2000, durfte er trotz dessen Groll gegen ihn in Belgrad wohnen und verkehrte frei in Restaurants und Cafés.
Erst mit dem Machtwechsel in Serbien unter dem demokratischen und 2003 ermordeten Premierminister Zoran Djindjic musste er vorsichtiger werden. Doch weiterhin unterstützte ihn ein Netzwerk aus Gleichgesinnten und früheren Untergebenen. Nur einmal zeigte sich Mladic menschlich betroffen, das war, als seine Tochter sich 1994 in Belgrad das Leben nahm. Sie konnte seine Taten offenbar nicht mehr ertragen.
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