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Ratgeber über das Altwerden boomenMit jedem Ratgeber ein Jahr jünger – oder so

Altern kann so einfach sein: Smoothies, Yoga, Kräuter. Wer’s glaubt, wird jung – oder Bestsellerautor. Ein Blick in das boomende Genre Altersratgeber.

Die Einschläge kommen näher, oder zumindest die Ratgeber in Form von Büchern Foto: Chris Emil Janssen/imago

W enn mir ein bisschen langweilig ist, schaue ich mir manchmal Bestsellerlisten an. Das ist interessant, weil man an ihnen ein wenig ablesen kann, was die Leute, zumindest die, die ab und zu Bücher kaufen, so bewegt. Seit 46 Wochen ist Elke Heidenreich mit „Altern“ auf der Spiegel Sachbuch-­Bestsellerliste, meistens auf Platz 1.

Das verwundert ein bisschen. Denn bei aller Sympathie für die Autorin, ist das schmale Buch doch nicht viel mehr als eine ermüdende Aneinanderreihung von Zitaten zum Thema Alter.

Doch das Interesse am Thema ist groß, es erscheint praktisch täglich ein Buch mit Empfehlungen zu Anti-Ageing oder Successful-Ageing.

Zum erfolgreichen, würdevollen Altern braucht man nichts weiter als Smoothies, Beweglichkeitsübungen, Rohkost und Heilkräuter zur völligen Zellerneuerung, Vitamine, Achtsamkeit, Gelassenheit und den richtigen Altersratgeber.

Etwa die „Die Arthrose-Diät“, „Die sieben hermetischen Prinzipien“, Die Gefäßgesundheit-Diät“, den „Bulletproof -Plan“, die „Anti- Entzündungs-Strategie“, „Die 7 Geheimnisse der Hundertjährigen aus den Blue Zones“, „Active Pro Ageing Yoga“ und „Die Rezepte der Hundertjährigen aus den Blue Zones“.

Prinzipiell wird im Alter empfohlen, Neues zu wagen, spirituell zu werden. Ohne Meditation läuft nix. Fit, glücklich, beweglich und gelassen zu bleiben hilft. Einige sagen, man solle sich mit dem Alter abfinden, andere raten, dagegen anzukämpfen und mit den Mitteln der Wissenschaft, das biologische Alter zurückzusetzen.

Health-Autorin Nina Ruge behauptete: „Altern wird heilbar“, im Nachfolgeratgeber geht es um die Möglichkeit von Zeitreisen: Ab morgen jünger!

„Alt werde ich später“

Bei den Prominenten-Büchern angekommen, verliert man den Überblick, denn jeder prominente Deutsche über 50 hat schon einen Altersratgeber geschrieben. Lame Wortspiele in den Titeln sind obligatorisch, zum Beispiel: „Restlaufzeit“, „Alt werde ich später“, „Die guten Zeiten sind jetzt“ oder „60 ist die neue 60“.

Auch im Marktsegment Alters-Mitbringbuch setzt man auf flachen Galgenhumor. „Je älter man wird, desto seltsamer werden die anderen“, „ALT ist nur eine Taste“, „Älterwerden macht mich echt knackiger – mal knackt es hier, mal knackt es da“, „Ich dachte, älter werden dauert länger“.

Auf die Unzahl von Menopausen-Ratgebern, verschriftliche Menopausen-Podcasts und in Buchform gepresste Contents von Instagram-Menopausen-Influencerinnen hier genauer einzugehen, würde das taz-Format sprengen.

Fast wünscht frau sich, die Wechseljahre würden wieder etwas mehr tabuisiert. Erstaunlich ist, wie schnell die Buchproduktion läuft. Kaum wird ein neuer Lifestylebegriff wie Longevity aus den USA importiert, kommen Bücher dazu auf den deutschen Markt.

Zum Thema Langlebigkeit informieren der „Longevity-Kompass“, „Lifestyle of Longevity“, „Die Longevity-Food-Formel“, „Longevity – ein Leben lang leben“ und „The Longevity Paradox“.

Erhoffen sich die Leser und Leserinnen von diesen Büchern wirklich Tipps zur Unsterblichkeit? Und wo soll das eigentlich alles hinführen? Fragen über Fragen – wir bleiben dran.

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4 Kommentare

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  • "Wer nicht alt werden will, muss früh sterben."



    Luisa Francia

  • Zum Thema Unsterblichkeit von E. Roth:



    Ein Mensch schaut in der Straßenbahn



    der Reihe nach die Leute an:



    jäh ist er zum Verzicht bereit



    auf jede Art Unsterblichkeit

  • Die Altersratgeber können das Leben leider nicht verlängern sind aber meist so ätzend langweilig dass es einem wesentlich länger vorkommt

  • Am besten altern die, die so etwas gar nicht lesen. Ähnlich wie bei den Glücksratgebern. Glücklich sind die, die kein Bedürfnis nach solchen Büchern verspüren. Wer das liest, vergisst einfach zu leben und zwar im Hier und Jetzt.