Rat und Tat: Hassan fragt Mehmet
■ AusländerInnen finden viel zu selten den Weg in die Verbraucherzentrale
Euro, Riester-Rente, Bau-Finanzierung - eigentlich müßten die 130.000 in Bremen lebenden MigrantInnen ähnliche Probleme mit den vertrackten Fragen des Lebens haben wie ihre deutschen Mitbürger. Nur: die Bremer Verbraucherzentrale (VZ) merkt davon nichts. Nur ein verschwindend geringer Teil der AusländerInnen informiert sich bei der VZ - bei über 70.000 Beratungen im vergangenen Jahr. Der Versuch, eine türkische Beratungsstunde einzurichten, scheiterte mangels Nachfrage. „Viele wissen gar nicht, dass es uns gibt. Dabei bin ich sicher: Wenn die Deutschen Probleme mit Verbraucherfragen haben, dann erst recht die Ausländer“, sagt Yalcin Sahin, Deutscher türkischer Herkunft, der sich bei der VZ mit Finanzdienstleistungen beschäftigt. „Natürlich ist das auch eine Frage der Mentalität. Sie wenden sich lieber an ihre Landsleute: Hassan fragt im Zweifel Mehmet.“ Das kann teuer werden: Bei Sahins letzter Ausländer-Beratung - vor drei Wochen - mußte er eine Türkin trösten, die für viel Geld ein völlig heruntergewirtschaftetes Haus ersteigert hatte. Sahin: „Leider kommen die Leute meistens zu spät.“
Dabei kostet eine der unabhängigen Spezialberatung zum Thema Finanzen oder Recht gerade 100 Mark pro Stunde. Sahin: „Das sind Peanuts, wenn man sich überlegt, wieviel Geld sich zum Beispiel beim Thema Vorfälligkeitsentschädigung von Hypothekendarlehen sparen läßt.“
Bei der Frage, wie sich am schmerzlosesten vorzeitig aus einem Bankkredit für eine Immobilie herauskommen läßt, sind die Bremer bundesweit absolute Spezialisten: Ein Bremer VZ-Mitarbeiter beriet den Bundesgerichtshof. 1.500 Anfragen werden zur Zeit bearbeitet - natürlich meistens von Deutschen. „Ich habe ermittelt, dass eine Bank statt 800.000 Mark nur Ansprüche auf die Hälfte hatte“, erzählt Sahin.
Auch beim Thema Baufinanzierung können Kundige eine Menge sparen: „Die Klauseln in den Verträgen sind oft so kompliziert, dass nur Experten durchblicken“, meint Sahin. Häufig versuchten die Banken, ihren Kunden auch noch einen Bausparvertrag aufzudrücken. Dabei übernehmen sich viele. Die Folge: Zwangsversteigerung.
Jetzt will die VZ gegen das AusländerInnen-Loch in ihrer Kundenkartei gegensteuern: Demnächst erscheint eine türkischsprachige Broschüre zum Thema „Euro“, weitere sollen folgen. ksc
Beratungszentrum Bremen, Altenweg 4, Tel.: 160777.
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