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Rassismus in der Anthroposophie

betr.: „Einschüchterung auf Waldorf-Art“, taz vom 4. 8. 00, Leserbrief von Christoph Kranich, taz vom 10. 8. 00

Entgegen der Schlussfolgerung Kranichs in seinem Leserbrief ist Rassismus in der Anthroposophie keineswegs unmöglich. Im Gegenteil, die Schriften Steiners zeugen von einer – in ihrer Naivität fast schon lächerlichen – rassistischen Ideologie:

In Anlehnung an seine Lehrerin, die Theosophin Blavatsky, unterscheidet Steiner sieben evolutionär aufeinanderfolgende menschliche „Wurzelrassen“, die wiederum jeweils in sechs bis sieben „Unterrassen“ aufgeteilt werden. Jede „Wurzelrasse“ ist weiter entwickelt und nach Steiner „höherwertiger“ als die vorangegangenen. Auch die „Unterrassen“ werden nicht als gleichwertig angesehen: Die „minderwertigen“ sind nach Steiner’scher „Logik“ dazu bestimmt auszusterben (Völkermord verwirklicht dann nur das „Karma“ dieser Menschen). [...] Dass die „Rassenunterschiede“ nach Steiner einst wieder verschwinden werden – weil nämlich die „minderwertigen Rassen“ quasi naturgegeben aussterben – ist also mitnichten ein Beleg für fehlenden Rassismus.

Wenn es nicht viel zu viele Menschen gäbe, die sich von derartigen Ideen beeinflussen lassen, könnte man sich auf ein kopfschüttelndes Schmunzeln beschränken, wenn man Steiners Fantasien zu verschiedenen Hautfarben liest: „Diese Schwarzen in Afrika haben die Eigentümlichkeit, dass sie alles Licht und alle Wärme vom Weltenraum aufsagen. Und dieses Licht und diese Wärme . . . hält sich an der Oberfläche der Haut, und da wird die Haut dann selber schwarz . . . Beim Neger ist daher das Hinterhirn besonders ausgebildet . . . Und das kann alles . . . an Licht und Wärme verarbeiten. Daher ist beim Neger namentlich alles das, was mit dem Körper und dem Stoffwechsel zusammenhäng, lebhaft ausgebildet. [...] Die Weißen sind eigentlich diejenigen, die das Menschliche in sich entwickeln . . . Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse.“ (Rudolf Steiner: Gesamtausgabe, Band 349: Vortrag vom 3. 3. 1923, S. 52 ff.; zitiert nach Ditfurth: „Feuer in die Herzen“, 1992, S. 218 ff.)

Nun vermute ich mal, dass diejenigen, die heute anthroposophischen Lehren anhängen, an Waldorfschulen arbeiten bzw. ihre Kinder dorthin schicken, nicht sämtlich rassistisch sind. Ein grundsätzliches Misstrauen bleibt aber zurück, solange anthroposophischerseits eine öffentliche Auseinandersetzung mit beziehungsweise Distanzierung von der rassistischen Ideologie Steiners nicht stattfindet, sondern jegliche Kritik als böswillige Verleumdung abgetan wird. Es reicht nicht aus, sich nur die netten, „schmusigen“ Seiten der Anthroposophie/Waldorfpädagogik herauszupicken und deren Menschlichkeit zu preisen. Wer eine anthroposophische Weltsicht vertritt, muss sich vielmehr das Gesamtwerk des geistigen Vaters Steiner vorhalten lassen und dazu Stellung beziehen. LISA VIERHAUS, Bremen

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