piwik no script img

Rassismus in KinderbüchernIgel bratende Zigeuner

Der Historiker Wolfgang Benz kritisiert Vorurteile in Kinder- und Jugendbüchern - zum Beispiel Pippi Langstrumpfs Vater als "Negerkönig". Aber ist diese Debatte noch aktuell?

Heldin des Feminismus, Anarcho und Punk der ersten Stunde - war Pippi in Wirklichkeit Rassistin? Bild: dpa

Pippi Langstrumpf galt bislang als literarisches Vorbild der Frauenbewegung und des Feminismus. Endlich mal ein Mädchen, das mit den gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen brach und sich nicht um Autoritäten und Konventionen scherte. Gar anarchistische Züge schrieb man ihr zu und nannte sie den ersten Punk, lange vor den Sex Pistols. Nun soll dieses Mädchen eine Rassistin sein.

"Pippi Langstrumpf ist mit Ressentiments befrachtet", sagte Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin, am Dienstagabend bei einem Vortrag über "Vorurteile in der Kinder- und Jugendbuchliteratur" in München.

Kolonialrassismus und weiße Dominanz seien in der Lektüre zu finden. So behauptet Pippi an einer Stelle, "dass es im Kongo keinen einzigen Menschen gibt, der die Wahrheit sagt. Sie lügen den ganzen Tag". Und im "Taka-Tuka-Land" ist Pippis Vater als Weißer automatisch König - ein "Negerkönig", wie es in der Originalausgabe von 1945 noch hieß. Seit 2009 wurde er vom Verlag zum "Südseekönig" umbenannt.

Benz geht es um den Schaden, den Vorurteile und rassistische Klischees bei den jungen Lesern anrichten können. "Vorurteile werden früh erlernt und eingeübt", sagt er. "Früh erworbene Ressentiments bleiben besonders wirksam und prägen nachhaltig das Weltbild vieler Erwachsener." Wolfgang Schäuble dient ihm als prominentes Beispiel. Dieser habe, so Benz, bei der Eröffnung der ersten Islamkonferenz in Berlin bekannt, sein Bild des Islams sei durch die Lektüre von Karl May geprägt. Auch Wolfdietrich Schnurres autobiografische Geschichte "Jenö war mein Freund" führt Benz als Beispiel an. Hier ist es der Zigeunermythos, den der Autor unhinterfragt transportiert. Ganz selbstverständlich klaut Jenö, die Hauptfigur - ein Zigeunerjunge der zudem Igel fängt, um sie anschließend über dem Feuer zu braten.

Benz' Kritik ist berechtigt. Bücher für Kinder und Jugendliche sollten - ebenso wie Belletristik für Erwachsene - keine rassistischen Klischees und Vorurteile enthalten, denn was schwarz auf weiß geschrieben steht, findet auch Eingang ins Denken. Dennoch erscheint Benz' Kritik seltsam altbacken. Die Bücher, die er zitiert, sind alt. Astrid Lindgren schrieb den ersten Band von Pippi Langstrumpf 1945 und Wolfdietrich Schnurres "Jenö war mein Freund" wurde 1970 veröffentlicht. Einen aktuellen Anlass für Benz' Kritik gibt es nicht. Vielmehr, so gibt er selbst zu, habe das Thema schon lange auf seiner Agenda gestanden. Nun, da er bald in Rente gehe, habe er die Kinder- und Jugendliteratur noch einmal kritisch beleuchten wollen. Wo bleibt da der Erkenntnisgewinn? Sollen wir die liebgewonnene Pippi Langstrumpf einstampfen? "Nein", sagt Benz. "Gegenüber Vorurteilen und Feindbildern hat man nur eine Chance: Man muss über sie sprechen."

Benz fordert also den oder die kritische VorleserIn, die in der Lektüre innehält und mit den Kindern über das Gehörte spricht, wenn Pippi über die lügenden Kongolesen urteilt. Aber hätten das die meisten Eltern, die heute noch Vorlesen, nicht ohnehin getan? Auch plädiert Benz für eine engere Zusammenarbeit zwischen Autoren und Historikern. "Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf historisch wahrhaftige Literatur", sagt er.

D'accord, gegen sorgfältige Recherche ist nichts einzuwenden. Dennoch greift Benz' Kritik zu kurz. Denn statt nur auf veraltete Phänomene hinzuweisen, wäre es konstruktiver gewesen, nach Kinder- und Jugendbüchern zu fahnden, die Minderheiten thematisieren und damit schon früh zu Toleranz und Offenheit beitragen. Dazu hatte Benz' Vortrag leider nichts beizutragen. "Spunk", würde Pippi Langstrumpf dazu vermutlich sagen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

56 Kommentare

 / 
  • T
    tatsaechlich

    Wie uebersichtlich dimensioniert muss man eigentlich sein zu glauben, bloss weil "Zigeuner" in "Sinti und Roma" umdeklariert wurde, dadurch irgendwas geloester ist? Typisches Fassadendenken.

     

    In diesem Falle geht das sogar nach hinten los. Waehrend der Begriff 'Zigeuner' naemlich ambivalent betrachtet wird (immerhin schwingen ja - was permanent ausgeblendet wird - auch positive Stereotypen (uebrigens besteht 99% der Literatur aus Stereotypen, VOR ALLEM "pc-konforme" (!) mit), klingt "Sinti und Roma" eigentlich fuer viele nur noch nach Sozialamt, Kriminalitaet, Banden und Praekariat.

     

    Ich habe noch keinen einzigen getroffen, der nachweisen konnte, dass daraus irgendein Vorteil entstande. Die Nachteile werden krampfhaft verschwiegen, uebrigens auch von den Sinti und Roma selbst, bei denen es in Wirklichkeit schlicht so ist, dass typische LINKE halt entsprechende Diskurse aufgegriffen haben. Die meisten Sinti und Roma merken diese Instrumentalisierung noch nicht einmal.

     

    Viele Sinti und Roma nennen sich selbst Zigeuner bzw. Variationen davon. Taten sie frueher. In anderen Laendern gibt es Entsprechungen. Will man Woerter positiv assoziieren, dann basiert das letztlich eh auf eine Kombination aus Wirklichkeit und entsprechenden Assoziationen. Da hilft nur Einsicht.

     

    Etwas anderes ist es, wenn jemand ausserhalb des pc-konformen Unsinns auf seine genaue Herkunft legt. Das halte ich zwar fuer genauso rassistisch, denn eigentlich ist das stinkegal und ebenfalls Kollektivdenken, aber bitte. Gleiches Recht fuer alle.

  • K
    Kinderbuchfreund

    Ich besitze noch die Bücher von Astrid Lindgren aus meiner Kindheit. Die war bevor die Bücher entsprechend der Gutmenschen-Denke angepasst wurden.

     

    Meine Kinder bekommen aus diesen Bücher vorgelesen.

     

    Es ist erschreckend was mitlerweile hier abläuft...

  • A
    Arno

    Mann, mann, mann... die ach so toleranten "Antis" (Anti-Rassisitisch, Anti-sexistisch, Anti-whatever) wieder am Werk - und hier zeigen sie ihr wahres Gesicht: Das der Zensur, des Aufzwingens der eigenen Meinung, des eigenen Sprachgebrauchs, des eigenen Weltbildes.

     

    Glauben die ernsthaft, irgendein halbwegs intelligentes Kind würde auch nur eine Sekunde daran zweifeln, dass Geschichten wie die vom Kongo, wo alle lügen von Pippi ausgedacht sind? Oder dass ein Kind zum Rassisten würde, weil vom "Negerkönig" die Rede ist?

  • BA
    bitte anonym

    Und vom 'Kinderlied', " Zehn kleine Negerlein', ist keine Rede ?

    Na...

    : (

  • BA
    Bitte Anonym

    Seit 1969 hat sich die Welt dramatisch veraendert, wobei man eigentlich auf ' Vortschritt' einstellen wollte, muss man sich mehr und mehr dem 'Ruesckschritt' anpassen, denn 'damals' ( zu den Goldenen Freien Zeiten) hat niemand etwas Rassistisches in ' Pipi Langstrumpf' gesehen, ganz zu schweigen von ' heimlich ' vermutet.

     

    Wie viele in den sechziger/siebziger Jahren wuchs ich mit Pipi Langstrumpf im Fernsehen auf.

    Pipi inspirierte ' Freies Sein und Denken, der ' damaligen Zeit ; Lange offene Haare, Emanzipation, Freie Liebe, und neue Musik die die damaligen Zeiten Reflektiereten und in Rock und Pop uebergingen - alles Neue und vorher nicht 'gelebte' kam aus diesen Zeiten -

    Auch ( und das ist sehr wichtig) Rassengesetze, Civil rights, und Mischfamilien, da sich Weisse und Schwarze trauten sich in einander zu verlieben -

     

    Pipi war fuer uns Kinder eine die sich traute so zu sein wie sie ist, und auch ihre zwei Spielkameraden dazu inspirierte Frei zu sein: daraus resultierte Kreativitaet der Idee-Verwirklichung, was den zwei sicherlich genauso geschadet wie uns, den Zuschauern.

     

    Alles das aenderte sich Radikal, und wird Heutzutage offensichtlich wobei es sich dabei handelt; alles das anzugreifen und als 'Rassistisch', oder Totalitaer ( man siehe TAZ ' schlumpfen' ) zu titulieren was Kreativ, und zum ' Freien Denken ' inspirieren koennte.

    Wenn da der Haase im Pfeffer liegt, wird er bald niessen - "Gesundheit"

     

    Haette sich einer dieser Kritiker nun aber auf den ' Strubelpeter' berufen, koennte man es ihm nicht verdenken, und ich wuerde nicht nur meinen Loewensenf, sondern auch meinen Dijon Mustard dazu geben und dem einstimmen.

     

    Dieses Strubelpeter Buch machte mir, und auch vielen anderen Kindern richtig doll Angst; es ist aber immer noch genauso Verkaeuflich wie es damals war, und wurde auch nicht veraendert oder editiert: Die Mooren fallen immer noch in den grossen Pot - der Daumen wird weiterhin mit einer riesen Scheere entfernt - all dies ist noch sehr visuell in meiner Erinnerung weil es eine Emotion in mir weckte die mir damals noch nicht bekannt war: Angst.

     

    Das Zigeuner mit Roma aus Romaenien verwechselt werden ( siehe TAZ Einmal Zigeuner immer Zigeuner) ist auch nichts neues: manche Roma essen tatseachlich Igel; es ist eine Delikatesse, genauso wie Franzosen Schnecken und Froschschenkel als Kulinarische Spezialitaet ansehen, manche Kasten in Indien Ratten sammeln und verspeisen, und es Hunde und Katzen auf dem Chinesischen Markt fuer ein ueppiges Dinner zu kaufen gibt, und Heuschrecken als Gesundes Protein im mittleren Osten zu sich nehmen.

    In diesem fall ( obwohl Roma keine Zigeuner sind) sollte man die Essgewohnheiten anderer Voelker nicht gleich verpoenen weil mans nicht ' kennt'.

     

    Andere Laender, andere Sitten.

     

    Warum man in letzten Zeiten soviel Rassismus, und dergleichen, in Lustigen, Unschuldigen, Kreativen Werken zu ' suchen' scheint kann sich nur auf die in den Gedanken und Aktionen der ' Kritiker' widerspiegeln, denn wo man keine boesen 'Gedanken' hat, sieht man auch keine -denn wir projektieren uns selbst auf alles das wir sehen- der Grund warum jeder Mensch die Welt anders sieht.

     

    Wenn man dieses Kommentar lesend aufnimmt und dann Zurueckspielt ( also rueckwaerts) koennte man auch eine ' Teufelsnachricht' hoehren wenn man ganz, ganz, doll danach sucht- denn... Wer suchet, der findet.

     

     

    So, nun lese ich mir erstmal die Kommentare alle durch, denn sie sagen immer so schoen viel ueber die Schreiber selbst aus, als ueber anderes, gell ?

  • CR
    Claudio R.

    "Benz' Kritik ist berechtigt. Bücher für Kinder und Jugendliche sollten - ebenso wie Belletristik für Erwachsene - keine rassistischen Klischees und Vorurteile enthalten, denn was schwarz auf weiß geschrieben steht, findet auch Eingang ins Denken."

     

     

    Wir sollten unbedingt mal prüfen, inwieweit negative Vorurteile oder gar rassistische Klischees gegen Deutschland, den Westen oder das Christentum eine Rolle für unser Selbstverständnis spielen.

  • A
    Apollo

    Das ist ja alles erschreckend.

    Feinjustierungen helfen da nicht mehr. Hier ist eine generelle Lösung gefragt.

    Mein Vorschlag:

    Alle schlechten Bücher verbrennen. Öffentlich!

  • K
    Korkie

    Als Kind wertet man gottseidank nicht so schnell wie Erwachsene, und vor allem sind wenige Begriffe schon so negativ behaftet.

     

    Als ich mir vorgelesen wurde, daß im Kongo alle Leute den ganzen Tag lügen, habe ich da früher überhaupt keinen Zusammenhang mit der Hautfarbe herauslesen können (das tun wahrscheinlich nur Erwachsene die das unbedingt wollen).

    Ich hab nur gedacht: "Was für ein lustiges Land, wenn ich Hunger habe, muss ich lügen, dass ich keinen Hunger habe, und weil die anderen Leute wissen das ich lüge, wissen sie das ich Hunger habe, wenn sie dann sagen, dass sie leider nichts zu essen dabei haben, bedeutet das das sie mir etwas anbieten würden...oderso... Um zu sagen das ich Geschwister habe, muss ich sagen ich hätte keine...uiuiui...kompliziert..."

     

    Und Igel grillen und klauen? Klingt doch interessant... Welcher Junge träumt nicht von Abenteuern? Ist das schlimmer wie Geschichten von Piraten, die auf Beutezug gehen oder Cowboys, die Indianer platt machen?

     

    Ich hab so manches vorgelesen bekommen und bezweifele, dass solche marginalen Überbleibsel aus früheren Zeiten einen signifikanten Einfluss auf die Denkweise haben.

     

    Mein Favorit der Kinderbücher ist übrigens : "Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat."

    Ganz unkorrekt macht der Hund da einfach dem Maulwurf auf den Kopf und der Maulwurf rächt sich... Auge um Auge, Zahn um Zahn... sowas sollen unsere Kinder lernen...unverantwortlich ;-)

  • RC
    romano chavo

    Latscho Tonigel^^

    Kennt da noch jemand ein Rezept?

    Nene...stehen ja unter Schutz die kleinen Burschen und freiwillig wurden die nie verspeist.Da wurden meine Vorfahren aus Städten und Ortschaften verbannt und was blieb uns denn über?

  • D
    dabi

    Danke, Herr Burschel.

  • FB
    Fritz Burschel

    Eine hirnverbranntere Bewertung als die in dieser Veranstaltungsbesprechung habe ich schon lange nicht mehr gelesen: Die Autorin wirft Wolfgang Benz vor, er sei „altbacken“ und befasse sich mit „veralteten Phänomenen“, wenn er Rassismus und stereotype Ressentiments etwa im All-time-Kinder-Bestseller „Pippi Langstrumpf“ herausarbeitet. „Die Bücher, die er zitiert, sind alt“, schreibt die taz-Korrespondentin. Na und, möchte man sie fragen, und ob sie keine Kinder kennt, die noch heute völlig verrückt sind nach Pippi… Nur weil Astrid Lindgren das Buch 1945 schrieb, ist eine Beschäftigung mit ihren Rassismen damit nicht obsolet, im Gegenteil: damit angesichts millionenfacher Lektüre einen guten Umgang zu finden, um der wunderbaren Kinderbuchautorin einerseits gerecht zu werden, andererseits ihre verderblichen rassistischen Bilder im historischen Kontext zu problematisieren, ist äußerst verdienstvoll. Und wen Benz’ Thema nicht interessiert, mag einfach nicht zu seinem Vortrag über „Rassismus in der Kinder- und Jugendliteratur“ gehen: Man kann doch auch nicht zu einem Origami-Kurs gehen und sich beschweren, dass da zu viel Papier gefaltet wird. „Wo ist da der Erkenntnisgewinn?“ ruft die begriffsstutzige Schreiberin aus: wer das nicht versteht nach hunderten Jahren Rassismus, sollte sich vielleicht andere Themen suchen!

  • D
    Dabi

    Sinti und Roma wurden bereits vor dem Nationalsozialismus aus der Gesellschaft ausgegrenzt und isoliert. Im frühen Mittelalter wurden die "Zigeuner" für Vogelfrei erklärt, d.h. sie wurden entrechtet, vertrieben und kamen in keine Handwerkerzünfte. Die Folge war, dass sie ein mobiles Leben führen mussten. Sie flüchteten in die Wälder. Dort gab es keinen Supermarkt, wie ihr euch vielleicht denken könnt. So gab es Sinti Familien die aus der Not auch Igel als Nahrung auf dem Plan hatten. Jedoch ist das einige hundert Jahre her und ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht nur bei den Sinti so war, sondern auch in der Mehrheitsbevölkerung Personen gab, die Igel aßen oder Anderes. In den letzten hundert Jahren haben die Menschen ganz andere Nahrungsquellen gehabt. In der Not frisst der Teufel fliegen. Aber jetzt den Igel als Spezialität der Sinti und Roma auf den Speiseplan zu rufen, ist schon allerhand. Aber so ist es halt mal mit den Klischees. Wir Sinti wachsen damit auf.

  • D
    dabi

    Ich glaube behaupten zu können, dass Igel keine Spezialität der Sinti oder Roma ist. Ich selbst bin Sinti und würde eine Ekel bekommen, wenn ich mir einen Igel einverleiben müsste. Ich danke Wolfgang Benz für diesen Artikel. Wie eine Posterin bereits erwähnt hat, man versteht diese Probleme erst, wenn man selbst von betroffen ist. Die über jahrhundert alten "Zigeunerbilder" werden von Generation zu Generation in der Mehrheitsbevölkerung weitergegeben. Unter anderem in Form von Kinder- und Hörbücher wie zb. TKKG, Mecki, Lurchi, Die Drei Fragezeichen, Pippi Langstrumpf. Die Kinderbuchautoren stecken diese Minderheiten in eine bestimmte Schublade. „Zigeuner" werden vorwiegend über die Tatsache der „Fremdhaftigkeit“ und Exotik definiert und geraten nur dadurch zum Gegenstand des Interesses. Dies ist die Hauptschwierigkeit im Umgang mit Werken, die „Zigeuner“ zu ihrem Thema machen. "Zigeuner", "Neger", "Eskimos", "Indianer" usw. sind in den seltensten Fällen Hauptträger der Handlung. Sie werden vielmehr entweder als Helfer oder als Gegenspieler der eigentlichen Helden eingesetzt. Die Typisierung der „Zigeuner“ als Antagonisten bedient sich aller gängigen Klischees. Sie leben Abseits der Gesellschaft, Stehlen ab und an mal gerne, sind Wahrsager, tragen bunte Klamotten, Leben in Wohnwagen. Hier wird den Kindern von klein auf diese Klischees und Vorurteile geimpft.

    Wie sollen wir von den Schulen verlangen, zur Humanität und zum Antirassismus zu erziehen, wenn wir zugleich erlaubten, dass in Büchern herabsetzende und entwürdigende Vorurteile über Sinti und Roma und Juden verbreitet werden. Bei uns in der Familie wurde noch nie Igel gegessen. Wir tragen keine bunte Klamotten. Wir sind keine Geigenvirtosen und haben nicht mal ein Wohnmobil. Mein Urgroßvater diente in der Kaiserlichen Armee und mein Großvater in der Wehrmacht. Sie waren Arbeiter und Angestellte. Diese Märchengeschichten von den Kinder- und Jugendbuchautoren haben zur Folge, dass diese Klischees und Vorurteile den Kindern eingeimpft werden. Aus meiner Sicht als Sinti kann ich es nicht nachvollziehen, wenn hier einige schreiben, dass Herr Benz keine Welle machen soll. Ich habe einen großen Teil meiner Verwandtschaft in Vernichtungslager verloren und möchte nicht, dass dies meinen Kindern oder Enkel passiert. Die Vorurteile werden im Kindesalter weitergegeben.

  • ES
    Eyk Seiler

    Was hat Igelbraten mit Rassismus zu tun? Für viele Sinti und Roma-Angehörige ist der Igel eine Delikatesse. Na und! Woanders essen die Leute Schlangen,Ratten,Hunde oder Robben. Übrigens wird ein Igel nicht gebraten sondern in einer Lehmhülle in Lagerfeuer-Glut gebacken!

  • G
    Gabi

    @ Paramisa

     

    Absicht meines Kommentars war es nicht, zu unterstellen, dass diese Bilder tatsächlich zugetroffen haben. Meine Formulierung legt allerdings die Vermutung nahe, dass ich dies meine Absicht war. Daher anders: Wichtig ist, dass man sich mit dem über Jahrzehnte propagierten und nicht zutreffendem Bild über Sinti und Roma auseinandersetzt, alte Stereotypen und Vorurteile beim Namen nennt und deutlich macht, dass diese nicht der Realität entsprechen und größtenteils auch nie haben. Eine Zensur ist meiner Ansicht nach dennoch nicht der richtige Weg.

  • R
    Reflexion

    Mein Ansatz ist nicht der der Zensur, sondern der der Aufklärung, Diskussion, Boykottes usw. um eine Verbreitung und Verinnerlichung rassistischer Konzepte zu bekämpfen. Es wäre ein Diskurs zu führen, der alle Gesellschaftsmitglieder beteiligt - als Leser_in, Schüler_in, Lehrer_in, Verleger_in usw. Insofern erscheint mir Wolfgang Benz' Buch hierzu ein wichtiger Beitrag zu sein.

     

    Wie hier schon erwähnt wurde, scheint es auch um die Einordnung von Rassismus an sich zu gehen. Antisemitismus scheint ablehnenswerter als Rassismus zu sein. Eine Vorführung von "Der ewige Jude" vor Kindern würde wohl mehr Widerspruch erfahren als die Vorführung von Pippi Langstrumpf. Die Absichten der Urheber_innen, seien sie NS-Propagandaminesterium oder Astrid Lindgrens (Womit ich sie nicht gleichsetze sondern VERGLEICHE), sind dabei egal. Es kommt auf die Wirkung und Darstellung von kulturellen Werken an und die ist bei Pippi Langstrumpf zweifelsfrei rassistisch.

     

    Die Bewertung antirassistischer Strategien scheint mir Spekulation zu sein. Da die Menschen nicht gleichgeschaltet agieren, wird Antirassismus multifaktoriell sein. Allerdings wäre es wohl sinnvoll, Strategien nach dem Effekt wiederholender Performativität zu durchleuchten.

  • P
    Paramisa

    @Gabi

    ihr kommentar war sicher gut gemeint und der literaturtipp ebenso. gestolpert bin ich über folgendes:

     

    "Wichtig ist doch nur, dass man darüber aufklärt, dass diese Bilder nicht mehr zutreffen und sich kritisch mit ihnen auseinandersetzt."

     

    mit dieser einlassung haben sie ein gutes selbstbeispiel dafür geliefert, wie tief eben jene bilder, u.a. etwa das des "stehlenden zigeuners", im kollektiven gedächtnis verankert sind.

     

    sie unterstellen (sicher unbeabsichtigt und deswegen umso glaubwürdiger) diese bilder hätten einmal, irgendwann in der vergangenheit "zugetroffen" also gestimmt. dem ist eben nicht so. es handelt sich in ihrer verallgemeinernden qualität um projektionen, ob nun romantisch verklärend ("geige spielend am lagerfeuer") oder dämonisierend.

     

    realität ist und WAR etwas anderes.

     

    wenn wir diese bilder ändern wollen, müssen wir uns von alten überlieferungen und formulierungen trennen. auch wenn's weht tut.

  • G
    Gabi

    Es geht doch hier nicht darum, sämtliche Kinderbücher umzuschreiben oder zu zensieren, die Äußerungen enthalten, die heute nicht mehr als politisch korrekt toleriert werden können und natürlich gibt es zweifelsohne auch wichtigere Dinge. Übersehen sollte man diese Problematik jedoch trotzdem nicht.

     

    Änneke Winckel hat in einem sehr interessanten Buch mit dem Titel "Antiziganismus" festgestellt, dass die Konstruktion von Zigeuner-Stereotypen für jene, die als Zigeuner bezeichnet werden, zur Folge hat, dass sie entsprechend diesem Stereotyp behandelt werden. Handelt es sich bei diesen Stereotypen dann zu einem großen Teil um antiziganistische Ressentiments, kann man sich die Folgen lebhaft ausmalen, wenn die staatliche Seite, so Winckels Erkenntnis, das antiziganistische Denken und Handeln der Mehrheitsbevölkerung nicht nur unterstützt, sondern auch legitimiert.

     

    Man kann die Geschichte nicht umschreiben und nach 1945 war es eben jahrzehntelang sowohl gesellschaftlich als auch politisch legitim, dass man in Sinti und Roma asoziale Wanderer gesehen hat, die melancholische Geigenmusik am Lagerfeuer machen und Wäscheleinen plündern. Wichtig ist doch nur, dass man darüber aufklärt, dass diese Bilder nicht mehr zutreffen und sich kritisch mit ihnen auseinandersetzt. Das ist in jedem Fall besser als Schweigen und Zensieren.

  • N
    Noblinski

    Meine Lebenserfahrung sagt mir, daß die Stigmatisierung von unerwünschten Wörtern keinesfalls dazu führt, dass diese aus dem Sprachgebrauch verschwinden. Vielmehr nimmt man diese Leute, die diese Stigmatisierung betreiben, von Tag zu Tag weniger ernst.

     

    Irgend jemand hat hier mal Malcolm X zitiert, das fand ich sehr gelungen, das war ein Mann, der stolz war, ein Neger genannt zu werden. Warum nicht "black is beautiful", das ist der bessere Weg.

  • O
    otto

    Es ist doch eindeutig Astrit Lindgren war eine Rassistin! :-)

    Nein jetzt mal im erst gehen wir nicht ein bisschen weit Kinderbücher zu zensieren?

    Kommt mir auch irgendwie bekannt vor. Ich habe einen Alten tacitus irgendwann zwischen 33 und 45 verlegt der wurde auch „Politisch korrekt" zensiert. Es scheint ja alles wieder zu kommen.

    Gott sei dank gibt es in Deutschland und der Welt keine drängenderen Probleme zu besprechen.

  • R
    Reflexion

    Ich verstehe nicht, wie Sentimentalität und romantisierende Verklärung eigener Kindheitserinnerungen als Argument herhalten könnten, rassistische Literatur zu legitimieren. Es sind größtenteils nicht "nur" rassistische Begriffe sondern auch geschichtliche Kontexte/essentielle Erzählstränge, die in den Geschichten weitervermittelt werden und damit auch (unterschwellig) Rassismus als Norm Vorschub leisten. Eine Abänderung z.B. des Begriffes "N-könig" zu "Inselkönig" ändert nichts daran, dass durch die Darstellung Pippis Vater als weißer Herrscher Kolonialismus positiv verklärt wird.

     

    Es geht nicht nur um Authenzität sondern um Selbstbestimmung, -bezeichnung, -darstellung -bewusstsein usw. Es geht um die Selbstbestimmung von sozialen Gruppen und Individuen, die allzugerne von Privilegierten mit Füßen getreten wird. In Deutschland wären Privilegierte jene, die weiß, christlich, männlich heterosexuell ... sind, welche sich oftmals über die Würde von ihrer Norm als abweichend konstruierte Mitmenschen ohne Sanktionen hinwegsetzen können. Das trifft nicht nur auf den Alltag zu sondern als Sprachhandlung auch in Kultur und Literatur als Teil letzterer. Was ist daran problematisch, sich als Autor_in vor Textveröffentlichung über Begrifflichkeiten und Sprachbildern zu informieren und über diese zu reflektieren um Verletzungen von Würde zu verhindern? Problematisch ist da wohl die arrogante Bequemlichkeit (als Nichtbetroffen_er), die das Nichthandeln bei Würde-Verletzungen darstellt: die rassistische Haltung der weißen Überlegenheit "White Supremacy"/Privilegiertheit.

     

    Sprache im Allgemeinen schafft Realität bzw. bildet Realität ab. Sie transportiert Werte und Normvorstellungen, die maßgeblich Einfluss auf die Menschenbilder von Heranwachsenden nimmt. Es gibt doch genügend andere Literatur. Rassistische Literatur gehört in Museen bzw. als Aufklärungswerke verwandt - zur Aufklärung über Rassismus!

  • R
    Reflexion

    Ich pflichte Madelein Rau in Ihrer Einschätzung bei, dass bei vielen Kommentator_innen Wissen über Rassismus und rassistische Begrifflichkeiten herrscht. Hier erste Hintergrundinfos zum N-Wort:

     

    Quelle: http://www.derbraunemob.info/deutsch/content/content_fragen_presse.htm#p01

     

    "INFORMATIONSTEXT: WARUM NICHT "NEGER"?

     

    Historisch:

    Das Wort Neger (...) erlangte mit dem Aufkommen des europäischen Imperialismus und „wissenschaftlichen“ Rassismus im 19. Jahrhundert weite Verbreitung, sowohl in der Gelehrten- als auch in der Alltagssprache. Nach dem Ende des Kolonialismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist seine Verwendung stark zurückgegangen und beschränkt sich heute im wesentlichen auf die Vulgär- und Umgangssprache. Mit dem Aufkommen der modernen Rassentheorien kam der Begriff „Neger“ in die deutsche Sprache. Mit dem Rassismus und dem deutschen Imperialismus prägte sich ein zunehmend herablassender Blick auf Menschen dunkler Hautfarbe, den schon Kant, der den Rassebegriff in die deutsche Sprache einführte, in seinen Vorlesungen 1790 -1791 skizzierte: sie seien wie Kinder und benötigten Erziehung, zudem hätten „die Neger von Afrika [...] von der Natur kein Gefühl, welches über das Läppische stiege.“ Der deutsche Staat und die Kirche stellten in der Folge die Kolonialisierung Afrikas als eine Schutz- und Erziehungsmaßnahme für die "Neger“ dar. Eine weitere ethnozentristische Zuschreibung ist die der Triebhaftigkeit. In Zeiten zwanghafter Sexualrepression in Deutschland wurden "exotische“ Menschen als sexuell aufgeladen gesehen (vgl. Exotismus). In den Kolonien kam es zunehmend zu Vergewaltigungen durch die Besatzungstruppen, was ein weiterer Anlaß für die antikolonialen Aufstände wurde (vgl. Herero, Nama).* [...]"

  • MR
    Margret Ross

    ... und dass der Rassismus in der KJL - auch in der heutigen, dazu gibt es Untersuchungen - weder in der Literaturkritik noch in der

    pädagogischen Literatur kaum thematisiert wird, ist das auch ein veraltetes Phänomen? Ist die Autorin colourblind? Ich habe meine Diplomarbeit 2009 zu Race- und Genderkonstruktionen bei Pippi Langstrumpf

    geschrieben. Die Sekundärliteratur zeugt nicht nur von Ignoranz und Verleugnung, sondern auch von Fortsetzung rassistischer Wahrnehmungsmuster. Die Debatte ist nicht überflüssig, sondern überfällig."

  • D
    Dante

    Ich gebe Fr. Madeleine Rau vollkomm recht!

     

    Würde Pipi nicht sagen, dass die Kongolesen lügen sondern die Juden, würde dieses Kinderbuch hierzulande auf dem Index landen genauso wie "Mein Kampf" und keiner würde hier argumentieren, dass es damals halt zum guten Ton war antisemitischer Gedankengut zu haben und das Buch als wichtiges Zeitdokument zu betrachten.. Solange nur Afrikaner diffamiert werden, ist alles nicht weiter schlimm.

     

    Klar, es liegt mir fern Pipi und "Mein Kampf" auf die gleiche Stufe zu stellen, aber das Verbot antisemitischer Bücher soll die Verbreitung brauner Gedankengut entgegenkommen (zwar aussichtlos, aber ein Versuch wert!) und die politische, korrekte und moderne Version manchen Kinderlektüren soll rassistischen Vorurteile in den Kinderzimmer Einhalt gebieten, weil viele Eltern unreflektiert solche Bücher weiter vorlesen, sonst kann ich mir nicht z.B. erklären, warum die Mehrheit der Kinder (und auch Erwachsene..)hierzulande immer noch glaubt, dass Afrika ein "LAND" ist, das sehr warm ist und nur von wilden Tieren bewohnt wird!!!

    Ich kann nur hoffen, dass wenigstens in der letzten Zeit, dass die deutschen Kinder entdeckt haben, dass es in Ägypten nicht nur Pyramiden und Kamellen gibt, sondern ÄgypterInnen, die satt hatten unterdrückt zu werden. Aber das ist ja ein frommer Wunsch..

  • DP
    Daniel Preissler

    Es gilt hier verschiedene Ebenen auseinanderzuhalten:

     

    1) (mittlerweile) historische Werke kann man nur bedingt verändern, man sollte sie jedoch untersuchen (was ja bei dieser Studie getan wurde). Wenn etwas zu problematisch ist, muss man sich ggf. davon verabschieden und sich neuere Werke suchen. Ich erinnere mich noch an eine Relektüre meiner liebsten Enid Blyton-Werke im Teenie-Alter: "Keine gefährlichen Unternehmungen wenn die Mädels dabei sind!" war so ein Standardspruch, das war mir als 7-9-Jährigem nicht oder kaum aufgefallen.

     

    2) Die Forderung, aktuelle Kinderbücher (und Hörspiele) zu überprüfen und positive Bsp. zu loben halte ich für sehr wichtig. Allerdings war das nicht der Ansatz der Studie und man kann nicht alles auf einmal machen. Da hat Frau Malser ein wenig zuviel verlangt, so wie sonst häufig die Kommentatoren. Das bleibt eine extra Arbeit, die auch nie abzuschließen sein wird (TKKG ist ein negativer Fall, die Bösen sprechen immer gebrochen deutsch, haben dunklere Haut und häufig "verdächtige" Gesichtszüge, das schürt Angst vor Arabern und ggf. Juden).

     

     

    Die Beiträge von Toby und Carola haben mir sehr gut gefallen. Zum einen: Man muss die Zeit tatsächlich mitlesen, was heute gar nicht mehr geht, muss man eben fallen lassen.

    Pipi lügt tatsächlich selber den ganzen Tag, dadurch wird das Klichee "Afrikaner lügen" mindestens sehr stark relativiert. Der "Negerkönig" war für A.L. wohl die einzige damals zur Verfügung stehende Bezeichnung. "10 kl. Negerlein" war auch noch 20 J. später populär, oder? Da muss man im Einzelfall entscheiden. T. Sawyer ist ohne "Nigger" sinnlos.

     

    @Tystie:

    Juno, Julia, Julius, Augustus sind alte Namen/Bezeichnungen aus dem Lateinischen. Die von dir genannten Bsp. haben nichts mit der rassistischen Praktik des Benennens nach Zeitangaben zu tun.

     

    Noch kurz zur Geschichte: "Neger" war ursprünglich keine Beleidigung, es bedeutet(e) schlicht "Schwarzer". Es ist jedoch durch die jahrhundertelange Missachtung von Menschen mit dunklerer Haut durch Europäer, weiße Amerikaner und Araber mit dieser fest verknüpft worden und wird daher heute zu Recht nicht mehr gebraucht (außer in kleinen Dörfern ein wenig abseits der Zivilisation d;-) ).

    2 afrikanische Staaten heißen heute (etymologisch gesehen) immer noch "Negerland" bzw. "Schwarzland" und haben damit kein Problem. Einer der größten afrik. Flüsse heißt "Schwarzer (Fluss)", wobei eher "Fluss im Negerland" gemeint ist, da der Name "schwarzer Fluss" (Schwarzer Volta, Bafing) an andere Flüsse vergeben ist und für den Niger nie konkret verwendet worden ist.

     

    Spannendes Thema jedenfalls (Rassimus in Kinderbüchern und Begriffsveränderungen bzw. Entwicklungen im Sprachgebrauch)! Mal sehen, ab wann wir im Fußballstadion statt "schwule Sau" und "Ruhrpottkanaken" "Steuerhinterzieher" rufen d;-)

    Wir bleiben dran und jeder literarischen Einzelfall interessant.

    Grüße, Daniel

  • M
    Moppel

    Waren das nicht die lügenden Ägypter? Witzigerweise hat sogar meine damals 5-jährige Tochter verstanden, dass es sich dabei um eine Geschichte handelt, die sich Pipi selbst ausdenkt um ihre eigenen Lügengeschichten zu erklären. Die Ägypter gehen auch alle rückwärts und schlafen mit den Füßen auf dem Kopfkissen.

     

    Ein bisschen Schade finde ich heutzutage auch, dass Fremdenfeindlichkeit so stark an Worten festgemacht wird. Natürlich vermeide auch ich das Wort "Neger". Ob das hier wirklich eine Abwertung der "stärker pegmentierten Ethnien" darstellen soll, wage ich aber doch zu bezweifeln. Für mich wollte Astrid Lindgren Exotik in die Geschichte bringen und das hat auch funktioniert. War ihr Vater nicht sogar unkorrekterweise Seeräuberkapitän? Darf man solch niederträchtiges Lumpenpack überhaupt menschlich positiv darstellen?

     

    Die sprachliche Goldwaage der "politischen Korrektheit" nervt mich persönlich ziemlich.

  • P
    Patrick

    @Toby:

    niemand betreibt geschichtsfälschung, wenn man z.b bei Tom Sawyer "nigger" gegen "slave" austaucht. beide wörter haben die gleiche bedeutung. Vielleicht literarisch zweifelhat, weil der autor über die veränderung nicht mehr gefragt wird, aber durchaus zulässig, weil das "n-wort" vor allem in der afroamerikanischer bevölkerung immer noch sehr stark emotionen hervorruft.

    Wenn Pipi gesagt hätte, dass nicht die kongolesen sondern die juden lügen würden, stünde das buch hierzulande auf der index genauso wie "mein kampf" und keiner wurde hier argumentieren, dass es halt damals normal war solche antisemitischer gedankengut zu haben und das buch als wichtiges zeitdokument zu betrachten wäre.. klar, es liegt mir fern Pipi und "mein kampf" auf die gleiche stufe zu stellen, aber man versucht durch verbot antisemitischen bücher die verbreitung brauner gedankgut entgegenzukommen, was immer noch nicht so richtig klappt. und durch die politische korrekte und moderne version einige kinderbücher versucht man rassitischen vorurteile in den kinderzimmer einhalt zu gebieten, weil nicht alle eltern reflektierend solche kinderlektüren vorlesen.

  • L
    lef

    Zunächst ist festzustellen, dass W.Benz tatsächlich den Koran glorifiziert - da disqualifiziert sich diese Stellungnahme automatisch.

     

    Andererseits ist unser Denken aber kaum weniger oberflächlich(sichtbar auch an den Kommentaren).

    Wörter werden nicht automatisch zu Schimpfwörtern, sondern dadurch, dass die Benannten ein "Image" haben. Dieses schlechte Image perpetuiert sich aber nicht automatisch durch die Bezeichnung - es ist den Betroffenen auch durchaus möglich, dieses Image zu ändern.

    Klassisches Beispiel ist tatsächlich MLKing - der verwendete das Wort damals mit Absicht, um Stolz auf die Herkunft zu wecken, Stolz auch auf die Hautfarbe.

    Leider ohne durchgreifenden Erfolg. Deswegen musste das Wort geächtet werden - das ändert aber nicht das Image (hier der Farbigen), trotz guter Gegenbeispiele (z. B. in den USA) wohlgemerkt.

     

    Nur ein Beispiel zur Verdeutlichung:

    In Schwarz-Afrika werden Weiße durchgängig "beschimpft" - alle Kinder schreien "Toubab", wenn sie eine/n sehen. Erwachsene entschuldigen sich dafür, aber die Kinder haben das ja von Erwachsenen gelernt. Trotzdem empfindet das kein/e Weiße/r als schlimm. Grund: Sie sind ja die Reicheren, aus erfolgreichen Staaten kommend.

     

    Wichtig ist also die Überlegung, warum es erfolgreiche Gesellschaften gibt und innerhalb dieser Gesellschaften auch erfolglose Schichten - da sind alle Industriestaaten ähnlich.

     

    Das wird viel zu wenig erforscht. Nur eine Möglichkeit wäre:

    Erfolgreiche Gruppen haben im Programm:

    Förderung von Individualität und vor Allem: Empathie.

    daraus ergibt sich von selbst das Entstehen einer Emergenten Ordnung - die Basis auch unserer "Demokratie".

    Wichtig wäre also: Auch und gerade Kindern nicht nur mit Empathie (authentischer) zu begenen, sondern sie auch mit Erzählungen heran zu führen - Breithaupt nennt das "Narrative Empathie".

    "Pippi" tut genau das nicht.

     

     

    A.Lindgren hat mit PL Vorurteile nachgeplappert,

    ohne darüber nachzudenken, und das war damals falsch und ist auch dann falsch, wenn es durch Eltern korrigiert wird. Denn das falsche Denken ist nicht in Worten, sondern im gesamten Stück. FeministInnen mögen das toll finden, aber auch die müssten inzwischen bemerkt haben, dass Feminismus mehr sein sollte, als altes Denken nur umzupolen.

     

    Verrückterweise ist "Pippi" trotzdem immer noch ein Renner, z. B. im Kindertheater.

    Es gibt aber andere Werke von AL, die weit sensibler sind (sogar immer noch aktuell, wie z. B. Roja Räubertochter), aber die sind nicht so beliebt, wie "Pippi". Dabei ist "Ronja" ein wunderbares Beispiel gerade für Empathie und Individualität.

     

    Ich könnte mir vorstellen, dass der Erfolg von "Pippi" auch daran liegt, dass die Eltern das alte Denken eher glorifizieren - die Kinder ahmen das nur nach.

    Über "Ronja" muss reflektiert werden, um die immer noch ganz aktuelle Tragik zu begreifen.

    "Pippi" steht da für sich - zwar altes (+falsches) Denken, aber leider immer noch populär.

     

    Wie gesagt, W.Benz ist zu disqualifizieren,

    aber ändern tut sich auch ohne ihn wenig im Denken in unserer Gesellschaft.

  • S
    stimmviech

    Inselkönig, das geht gar nicht, da wird das Vorurteil transportiert, daß es hierarchischer Strukturen bedürfe. Demokratisch auf Zeit gewählter Inselpräsident, ja das ginge. Die Kinder wirds freuen...

  • EG
    Egon Grünholz

    „Zigeuner und Sinti/Roma werden vorwiegend über die Tatsache der „Fremdhaftigkeit“ definiert und geraten nur dadurch zum Gegenstand des Interesses vieler Kinder- und Jugendbuchautoren. Dies ist die Hauptschwierigkeit im Umgang mit Werken, die „Zigeuner“ zu ihrem Thema machen.

     

    Die Freude an einer spannenden Geschichte soll den kindlichen und jugendlichen Lesern nicht genommen werden. Die Kritik verschiedener Werke kann nicht darin gipfeln, besagte Bücher zu zensieren und als Lesestoff zu verbannen. Es gilt, Kinder und Jugendliche zu Lesern zu erziehen, die die literarische Ebene nicht mit ihrer Realität identifizieren. Antiziganismus ist ein Problem der Mehrheitsbevölkerung, das Kinder und Jugendliche durchschauen lernen müssen.

  • F
    FAXENDICKE

    Diese ganze abgefuckte Erbsenzählrei nervt doch einfach nur noch. Ich war als Kind ein totaler Fan von Pippi habe alle Bücher verschlungen, allein schon wegen der kleinen Bücher, der großen Schrift und der Bilder. Das alles ist doch wieder typisch Erwachsenen-Denke, Kinder fanden Pippi grandios weil sie machte was sie wollte, weil ihr keiner ewig reinredete und weil ihr Vater einfach cool war. Ob da nun Neger oder sonstwas übers Lügen stand, war allenfalls lustig, auf solche bornierten Ideen wie Rassismus etc. können eben nur Erwachsene kommen. Weder Pippi noch der Sarottimohr haben mich, zum Rassisten gemacht.

  • B
    bartosh

    ich finde man sollte sich mit realem und nicht mit fiktivem rassismus beschäftigen! z.B. das aktuelle "gesetz zur begrenzung der zuwanderuung [...]" ist realer kapitalistischer rassimus, da ist doch pippi echt scheissegal!

  • T
    tystie

    @von t. erklärt die welt:

     

    Ist nicht die Kernthese meines Beitrags, sondern die des ARTIKELS!

     

    @von Madeleine Rau:

     

    Der Gedanke drängt sich tatsächlich auf, aber eigentlich geht es, glaube ich, darum, dass die Kommentierenden nicht begreifen, dass all diese Geschichten nichts als den Mythos darstellen, mit dem Kinder auf die Gesellschaft vorbereitet werden ('Kennst Du etwa nicht Pippi?').

     

    Wenn wir mal nachdenken, ist es doch absurd, dass Leute, die Tierkadaver aus industrieller Haltung und Schlachtung essen, sich einbilden, es sei verachtenswert, einen waidgerecht gejagten, ausgenommenen, abgehäuteten und schmackhaft zubereiteten Igel zu essen, den man zudem noch selbst erlegt hat!

     

    Und überhaupt der Rassismus und Antirassismus!

    Die neueste, fernsehverkündete Fassung geht so, dass Europäer und Asiaten Genom von Neandertalern haben, Afrikaner aber NICHT! Es gibt also doch einen Unterschied! Ob es allerdings für die Überlegenheit der kaukasischen Rasse spricht, teilweise von Neandertalern abzustammen, die noch mehr verunglimpft wurden als AfrikanerInnen, steht dahin!

     

    Die beste, weil anarchistischste Geschichte, die ich von Pippi kenne, ist übrigens die, wo sie zum Geburtstag eingeladen wurde und den Damen der Gesellschaft einschenkt, wie klassengebunden sie denken. Aber leider fehlt den meisten kleinen Kindern, die davon hören, der Horizont, um einzusehen, dass ihre gesamte Schulausbildung in erster Linie dazu dient, Klassenbewusstsein zu prägen.

  • EG
    Egon Grünholz

    "Zigeuner aus Lausedonien" Comic-Igel Mecki war das Hörzu-Maskottchen der 50er Jahre!

     

    FAZ-Artikel:

    http://www.fr-online.de/kultur/debatte/zigeuner-aus--lausedonien-/-/1473340/2857980/-/index.html

     

    Es ist nicht nachvollziehbar, daß die Werke der von den Nazis hochdekorierten Comic Autoren heute noch unkommentiert nachgedruckt und als bunte Kinderbücher in Umlauf gebracht werden. Wie sollen wir von den Schulen verlangen, zur Humanität und zum Antirassismus zu erziehen, wenn wir zugleich erlaubten, dass in Büchern herabsetzende und entwürdigende Vorurteile über Sinti und Roma und Juden verbreitet werden. Ich selbst gehöre der deutschen Minderheit der Sinti an. Neben den Juden wurde auch an den Sinti und Roma ein systematischer Holocaust betrieben. Famielenweise wurden sie in den 13 besetzten europäischen Staaten ermordet. Es gibt keine Erbschuld aber eine Verantwortung!

  • MR
    Madeleine Rau

    @Frau Halser:

     

    setzen Sie sich bitte auch mit ihrem eigenen Sprachgebrauch auseinander ("Zigeuner").

    Sollten Sie Unterstützung dabei brauchen, der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ist Ihnen sicher behilflich.

  • B
    Brigitte

    Man kann von Literaten nicht erwarten, dass sie fremde Kulturen oder das Fremde schlechthin nur "authentisch" darstellen. Wie sollte das auch möglich sein, das Fremde ist eben nicht das Eigene. Menschen lassen im Umgang mit dem Fremden ihre Phantasie spielen, sie schmücken es aus, projizieren Ängste und Sehnsüchte hinein. Das ist wohl in allen Kulturen so. Natürlich ist das oft nicht ungefährlich und spiegelt auch Machtverhältnisse wider. Aber wenn ich das krampfhaft vermeiden will und von Literatur nur noch "Authentizität" verlange, dann wird sie langweilig; ganz abgesehen davon, dass es wohl schwer sein dürfte, sich darauf zu verständigen, was Authentizität eigentlich ist.

  • MR
    Madelein Rau

    Liebe taz,

     

    habt ihr einen Schwarzen Journalisten / eine Schwarze Journalistin in eurer Redaktion?

     

    Nein? Warum nicht?

     

    Ja? Warum lasst ihr sie/ihn nicht diesen Artikel schreiben?

  • MR
    Madeleine Rau

    Die Kommentierenden haben ihre Hautfarbe zwar nicht erwähnt, aber man kann herauslesen, dass hier hauptsächlich Weiße über ein Thema reden, von dem sie keine Ahnung haben, weil sie sich nie mit Rassismus beschäftigt haben, weil sie sich ihrer Privilegien als Weiße gar nicht bewusst sind und ihnen die schwarze Perspektive fehlt. An der Diskussion kann man sehr gut sehen, wie sehr Erwachsene hier selbst mit Rassismus in Kindermedien aufgewachsen sind und das bis heute scheinbar nie wahrgenommen und reflektiert haben, anders lassen sich die teilweise haarsträubenden Kommentare nicht erklären. Schade. Traurig. Erschreckend.

  • FM
    Friedhelm Menge

    Jetzt sollten wir doch mal richtig loslegen und all die alten Bücher endgültig über Bord kippen, die solch inkorrekten Sachen enthalten:

     

    Märchenbücher, die überhaupt kein differenziertes Menschenbild haben, sondern nur Gut und Böse kennen, die Kleinwüchsige oder Verkrüppelte veräppeln (Rumpelstilzchen), die Frauen verunglimpfen (Hänsel und Gretel und die böse Hexe) usw. usw. -- weg damit.

     

    Überhaupt sollte man wieder einen Index einführen, was alles nicht gelesen werden darf oder nur unter Anleitung von neopaganen Priestern, das war doch früher alles viel besser geregelt.

  • JM
    Jost Manderbach

    In Frankreich gab es bis in die neunziger Jahre nur eine moralisch gereinigte und den pädagogischen Mittelschichtsansprüchen verpflichtete Version von Pipi (die hieß dort Fifi),unsere französischen Freunde waren begeistert, als wir ihnen eine unzensierte Version besorgt hatten. Erst jetzt konnten sie die revolutionäre weltliterarische Qualität des Textes erkennen. Auch bei uns gibt es eine Tradition, klassische Texte "jugendgerecht" umzuschreiben. Achtet beim Kauf von Moby Dick,der Schatzinsel und Oliver Twist auf behutsame Übersetzungen. Wenn vorne drinsteht nacherzählt von Soundso-Finger weg!

  • N
    Noblinski

    Was für ein Glück für mich, daß ich in dieser prägenden Phase von diesen rassistischen Pippi-L-Geschichten verschont geblieben bin. Es ist aber nicht ganz auszuschließen, daß man den lesehungrigen Jungpionieren damals viel größeren Quatsch zu lesen gegeben hat. Ich kann mich nicht daran erinnern, vermutlich wühlt es noch als sozialistischer Humanismus schadbringend im Unterbewußtsein. Das einzige, was mir auf Anhieb einfällt, sind die Mosaik-Geschichten und die von Wilhelm Busch. Aber der ist ja bestimmt inzwischen rundum verboten. Alles andere wäre ja eine Zumutung.

  • UK
    Ulrich Krieger

    Zunächst finde ich es absurd ausgerechnet Bücher von Astrid Lindgren, welche ein unglaublich fortschrittliches Welt- und Kinderbild, über Freundschaft und Zusammenhalt haben, jetzt, Jahrzehnte später wegen einer kleinen Partikularität zu kritisieren ist absurd. Kinder lesen doch nicht "Neger", Kongo-Lügner" sondern ein ganzes Buch mit der kritischen Haltung zur Erwachsenenwelt.

     

    In der neueren, sehr guten Edition der Pippi Langstumpf geschichten im Oetinger-Verlag steht der Originaltext ("Negerkönig") zusammen mit einer, wie ich finde, extrem guten, kindgerechten Fußnote. Dort wird das Thema problematisiert und erläutert. So ist doch allen geholfen: Dem Text ist Genüge getan worden und der neueren Entwicklungen ist Rechnung getragen. Die Kinder machen sich ja solche Gedanken nicht. Die sagen nur: Okay, früher hat man Neger gesagt und heute eben nicht mehr. Fertig.

  • L
    Lulabay

    Was für eine Chuzpe!

     

    Herr Benz empfindet Märchen wie Pippi Langstrumpfs als rassistisch, aber ein Buch wie der Koran in dem es auf unzähligen Stellen zu Gewaltakten aufgerufen wird, das leider KEIN Märchenbuch ist, findet Herr Benz als harmlos.

     

    Sorry, aber langsam wird es nur noch grotesk.

  • HB
    Heike Brandt

    Die Anregung der Autorin, über Bücher für Kinder- und Jugendliche nachzudenken, die sich mit der Vielfalt der Kulturen beschäfitgen und die dann auch authentisch darstellen, geht in die richtige Richtung. Und ich würde es auch begrüßen, wenn man bei heute veröffentlichen Büchern für Kinder und Jugendliche mal genauer hinsehen würde - es gibt nämlich immer noch jede Menge, die Stereotypen und Klischees bedienen - zum Beispiel das Nachwort in dem Buch "Wie schön weiß ich bin", das den Jugendliteraturpreis bekommen hat (2006) näheres unter http://www.ajum.de/html/j-j/pdf/0102_wie-schoen-weiss-Kritik.pdf. Oder die Schreibweise von Namen aus anderen Sprachen - selbst die taz ist immer noch nicht in der Lage, türkische Buchstaben korrekt wiederzugeben. Und wenn jemand behauptet, er oder sie sei trotz der Lektüre von Pippi Langstrumpf oder ähnlicher Bücher nicht rassistisch, der oder die sollte einfach mal darüber nachdenken, wieviel unbewusste Vorurteile in so gut wie allen von uns schlummern, die durch jahrelanges "Einüben" von Klischees aufgebaubt werden. DAs gefährliche ist - für meine Begriffe - dass eine Art Pseudowissen entsteht, und genau das ist die Grundlage für alle Vorurteile. Und natürlich kann man mit Kindern Bücher gegen den STrich lesen, aber leider, leider ist nicht immer jemand dabei, der die entsprechenden Gesprächsangebote macht. Die Kritik, die Benz und seine KollegInnen in ihrem Buch vorbringen, mag alte Bücher betreffen - aber gerade die sind es doch, an die sich viele so gerne erinnern. Ende der siebzier Jahre kam ein richtig Linksradikaler in unsere Buchhandlung und verlangte die "Häschenschule" für sein dreijähriges Kind - einfach, weil er damit sentimentalen Erinnerungen verbanden - ohne einen Gedanken an den autoritären Charakter des Buches zu verschwenden. Die Nazis konnten mit ihren Aktionen gegen Minderheiten so erfolgreich sein, weil sie die bestehenden Vorurteile so sicher sicher zu bedienen wussten. Und die Islamphobie heute, bzw. die Subsumierung aller, die in eine moslemische Familie hineingeboren wurden, unter das Böse, Fremde, Bedrohliche, Unverständige hat seine Wurzeln in - ja, Karl May und Ähnlichem. Auch heute noch haben wenige LehrerInnen, Eltern, BibliothekarInnen, LektorInnen wirklich Kenntnis vom Leben ethnischer oder reliiöser Minderheiten in Deutschland, so dass in viele Bücher gesammelter Unsinn einfließt - oft gepaart mit bestem Willen, eine äußerst gefährliche Mischung wie ich finde. Daher ja: Kinder- und Jugendbücher genau angucken und nciht einfach nach dem greifen, was so bequem daherkommt. Und es geht hier nicht darum, Kindern eine "heile" Welt vorzugaukeln oder sie einer Gehirnwäsche zu unterziehen (was ja gerne mit dem Begriff politcal correctness umschrieben wird) - sondern Kindern die Möglichkeit zu geben, selber zu denken, selber zu entscheiden - und das geht schlecht, wenn ihnen Raster vorgegeben werden, die rassistische Vorurteile entstehen lassen oder bestärken. Wenn ich mir nicht sicher bin, ob bestimmte Darstellungen klischeehaft oder stereotyp sind, dann frage ich die, die solcherart beschrieben werden. Eine Beleidigung findet dann statt, wenn sich jemand beleidigt fühlt - egal, welche Absicht dahinter steckt. Heike Brandt

  • DT
    der Tom

    Ja, als Nächstes werden die "Märchen aus 100 und 1 Nacht" unter Generalverdacht gestellt.

     

    Vorsicht, die Kinder könnten zum Islam konvertieren.

     

    Frage mich immer aus welcher Ecke solche Studien kommen

  • TE
    t. erklärt die welt

    @tystie

     

    "Jene können gar nichts anderes als Rassisten sein, denn ihnen wurde in der Kindheit ja auch schon sowas vorgelesen. Logisch!"

     

    wollte die Kernthese ihres grandiosen Beitrags nochmal gebührend hervorheben

     

    so was nennt man dann wohl "einfach gestrickt"

  • P
    Petra

    Fakt ist, der Begiff "Neger" ist eindeutig eine sehr abwertende Beleidigung. Die Menschen welche oftmals leider auch noch in unserer Zeit so bezeichnet werden sind "Farbige". Dies sollten wir uns endlich mal ganz dick hinter unsere Ohren schreiben. Es sind Menschen genau wie wir. Leider gibt es in der heutigen Zeit hin und wieder immer noch Probleme zwischen Schwarzen und Weißen. Man bekommt oftmals eine gewisse Verachtung der einen Rasse gegenüber der anderen zu spüren. Als Weißer bist du halt die "Kalkwand" und als Farbiger der "Neger". Unschönes Verhalten.

  • J
    jovanni

    Political Correctness ist ein weites Feld, auf dem man sich schnell vergallopieren kann! Das Igel braten eine Zigeunertradition sei, stimmt übrigens. Das haben mir meine sehr ehrenwerten Zigeunerfreunde erzählt haben. Ist aber selten geworden, weil wegen Artenschutz verboten!

  • L
    lounger

    "Und Pippis Vater ist ein „Negerkönig“. Basta."

     

    Bei uns ist Pipis Vater ein Inselkönig oder der König von Takatuka. Weil wir nicht möchten, dass unserer Sohn seinen besten Freund oder seine Mutter als Neger anspricht, weil dies heute beleidigend und herabwürdigend ist. Und ein 5-Jähriger versteht leider nicht (und kann es noch nicht verstehen!!!), dass es früher anders war.

    Ich würde mich sehr über eine sprächlich aktualiserte Version von Pipi freuen, bei der Rechtschreibung stört eine Aktualisierung auch keinen ebenso bei zahlreichen anderen Übersetzungen (wie der Bibel ;)).

     

    Übrigends glaube ich nicht, dass Astrid Lindgren heute noch dieses Wort verwenden würde.

  • C
    Carola

    Pippi Langstrumpf lügt in allen Büchern wie gedruckt.

    Sie erzählt wundervolle Geschichten und sowohl Tommi, als auch Annika grübeln danach, was davon wohl stimmt.

    Ihre Südsee-Erzählungen und den Negerkönig, glaubt ihr keiner. Um so größer die Überraschung, als Pippis Vater auftaucht.

    Und Negerkönig hieß er in einer Zeit, in der wir noch Negerküsse futterten, Sarottis Mohr noch mehr als nur ein Schattenriss war und wir durch Onkel Toms Hütte und Co wussten, dass Neger gute Menschen sind.

    Als begeisterte Lindgren-Leserin und Vorleserin habe ich den Umstieg auf "Schokokuss" herorragend gemeistert und bilde mir nicht eine Sekunde ein, dass ich nur auf Grund meiner Minderpigmentierung Neger-Königin werden könnte.

    Ich finde es gruselig, wenn Kinderbücher zu arg umformuliert werden. Als ich meinen Kindern Tom Sawyer vorlas, in dem es von "Niggern" nur so wimmelt, verschaffte der Gedanke, dass Tom ja nun einer der "Guten" war meinem Nachwuchs, zu einer Idee, wie rassistisch es damals zuging.

    Tom Sawyer ist für den Vorlesenden heftig, da einem die Worte schwer über die Lippen gehen, aber für die Kinder ist es in seiner Abfälligkeit ein wichtiges Zeitdokument.

    Ein politisch korrektes Umschreiben führte in meinen Augen nur dazu, dass Kindern die Möglichkeit genommen wird, einen Einblick in das zu nehmen, was früher traurige Wahrheit war.

  • B
    Brigitte

    Wenn man der Literatur mit dem Political-correctness-Besen zu Leibe rückt, beraubt man sie ihrer Hintergründigkeit und ihres Charakters als Zeitzeugnis. Und entmündigt den Leser, der solche Signale ja auch selbst deuten kann und soll.

     

    Ich kann mich vage an das Vernügen erinnern, das mich als Kind durchrieselte, als ich von Pippi erfuhr, dass die Kongolesen den ganzen Tag lügen. He! Die dürfen das! Klasse! Wie schön für sie!

     

    Lügen sind ja oft die legitimen Waffen der Machtlosen, auch der Kinder. Man verbündet sich doch als Kind eher mit den Kongolesen, als dass man sie verachtet, wenn man liest, dass sie lügen!

     

    Und "lügt" nicht auch die poetische Sprache? In dem Sinne, dass sie die auf Eindeutigkeit - auf tumbe Eindeutigkeit - zielende Alltagsprache erweitert, unterläuft, neu erfindet? Uns davon erzählt, wie vieldeutig und schillernd die sogenannte Wahrheit ist? Uns davon erzählt, dass es viele Wirklichkeiten gibt - und viele Kulturen?

     

    Mir hats nicht geschadet, von Pippi zu erfahren, dass die Kongolesen lügen - es hat mich weder zur Rassistin gemacht noch mein Bild der realen Kongolesen geprägt oder beschädigt -, und ich bin froh, dass die Erwachsenen, die mit mir "Pippi" gelesen haben, nicht daran dachten, mir das Lesevergnügen zu rauben, indem sie mir Problematisierungen aufdrängten, die gar nicht in meinem Horizont lagen.

  • I
    Ingo

    Neger ungleich Nigger.

    Neger ist eine Beleidigung, war aber bis zur Globalisierung keine.

  • T
    tystie

    @ Antonius:

    Interessanterweise gehörte es in früheren Jahrhunderten zu den Bräuchen von Kolonialherren, wie beispielsweise der Niederländer auf Indonesien, ihre Sklaven unter anderem mit Tages- und Monatsnamen zu 'taufen'. Ich war ziemlich erstaunt, dass in englischsprachigen Gesellschaften auch heutzutage Frauen June und July genannt werden. Ein Schalk, wer Böses dabei denkt.

     

    Vergessen wir nicht Tom Sawyer und Mark Twains legendären Rassismus. Ausschlaggebend ist nicht das Erscheinungsdatum eines Buchs, sondern, ob es immer noch gelesen wird, bzw. im Falle von Pippi Langstrumpf VORgelesen wird. Aus dem Munde ihrer erwachsenen Vorleser werden Kinder Vorurteile noch viel besser annehmen! Jene können gar nichts anderes als Rassisten sein, denn ihnen wurde in der Kindheit ja auch schon sowas vorgelesen. Logisch!

     

    Ja, es ist richtig, dass wir mit dem niedlich verklärten Bild von Schweden aufräumen müssen!

     

    Heute handelt es sich um ein Land, dessen Regierung über ihren Staatskonzern Vattenfall Atomkraftwerke betreibt, obwohl die laut Referendum schon längst abgeschaltet sein sollten. Deren Abwässer verseuchen die Ostsee radioaktiv und die behördlichen Dummbacken vergraben ausgerechnet unter der Ostsee Atommüll, obwohl jedes Kind weiß, dass sich das gesamte Ostseebecken in einem ständigen geologischen Prozess im Norden hebt und im Süden senkt, mithin unstabil ist. Nicht genug damit, betreibt Vattenfall nach kapitalistischer Kolonialmanier doch auch in Deutschland Atomkraftwerke - zumindest versuchen sie es krampfhaft.

    Kurz, von Schweden geht nichts Gutes aus und eigentlich sollte man das Land so lange boykottieren, bis der Atomskandal beigelegt ist und die ultrabrutalen Gewaltfantasien des Schweden Stieg Larsson nicht mehr im CDF verbreitet werden.

  • T
    Toby

    Entschuldigung, aber so weit es Pippi Langstrumpf betrifft, ist das inkompetenter Blödsinn. Hat sich mal jemand angeschaut, WANN das geschrieben wurde? Hätte dieses Frauen- und Menschenbild in jenen Tagen Geltung in Deutschland gehabt, wäre der Welt einiges erspart geblieben!

    Noch in den Sechzigern wurden Bücher von Martin Luther King unter Verwendung des Begriffs "Neger" übersetzt (Original "Negros"). Wohlbemerkt: das war Kings Sprachgebrauch!

    Man muß die Zeit mitlesen!

    Und das kann man sich nicht ersparen.

    Ich habe meinem Sohn die alte Übersetzung vorgelesen und bei passender Gelegenheit über den Wandel der Begriffe kurz gesprochen. Schließlich hatte er den Begriff "Neger" noch nicht gehört. Über die Kongolesengeschichte zu sprechen erübrigte sich, weil Pippi über absolut jeden Landstrich der Erde haarsträubenden Unsinn verzapft. Und gelegentlich im nächsten Moment widerruft. Das ist der Sinn der Sache. Kinder verstehen das. Sie merken sich nicht irgendwelchen Blödsinn über Kongolesen, den sie ernst nehmen, sondern lachen über den Mumpitz.

    Kürzlich hieß es, Twains Tom Sawyer und sein Huck Finn sollten in einer neuen Übersetzung nicht mehr "Nigger" sagen. Sie haben aber "Nigger" gesagt! Das ist nicht schön. Aber alles andere ist Geschichtsfälschung. Und Übergriffig gegen das Werk. Was kommt als nächstes? Soll ich nicht mehr vorlesen dürfen, daß diese Leute Sklaven waren? O.k. Dann hat also nicht mehr der "Master" den "Nigger" reinbringen lassen um ihn auszupeitschen, sondern dann hat der Bauer seinen Mitarbeiter hereingebeten um ein Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräch zu führen.

    Das wäre wirklich eine viel nettere Welt.

    Aber nicht die von Tom Sawyer und Huck Finn.

    Und Pippis Vater ist ein „Negerkönig“. Basta.

    Man muß mit Anstand mit dem leben, was nicht anständig war.

     

    Lernziel für Kinder und den Rest:

    Menschenwürde leben.

    Literatur achten.

    Geschichte akzeptieren.

    Und die Illusion aufgeben, man könne die Welt schönfälschen.

  • AR
    Antonius Reyntjes

    In dem sog. Jugendbuch "Die Abenteuer des Robinson Crusoe" darf der Eingeborenen-Flüchtling nicht mehr "Freitag" heißen, also nach englisch-mitteleuropäischen Manieren denunziert werden.

     

    Er muss heißen: "Native-Man from the other desert-island".

  • B
    barbara

    es muss heißen:

    nach Kinder- und Jugendbüchern zu fahnden ....nicht fanden

     

    ***Anmerkung der Redaktion: Danke für den Hinweis. Das haben wir sofort verbessert.