Rassismus im spanischen Fußball: „Wir sind alle Affen“
Fußballprofi Dani Alves vom FC Barcelona wird beim Spiel gegen Villarreal mit einer Banane beworfen. Was tut er? Das einzig Richtige: Er isst sie auf.
BARCELONA taz | In der amtlichen Diktion des Schiedsrichterberichts trug sich am Sonntagabend im Estadio El Madrigal von Villarreal Folgendes zu: „In der 75. Minute, als er sich zur Ausführung eines Eckballs bereit machte, flog auf die Nummer 22 der Gästemannschaft, Herrn Daniel Alves Da Silva, in der Zone nahe des Assistenten Nummer zwei eine Banane, welche schnell aufgehoben wurde von besagtem Spieler, der einen Teil selbiger verzehrte.“
In der Semiotik des Fußballs bedeutete der spontane Snack ein bisschen mehr: eine ironische Geste gegen eine alte Plage, wie gemacht für die Aufmerksamkeitsgesellschaft, die das Besondere braucht, um das Alltägliche wahrzunehmen.
Alves, Rechtsverteidiger einst in Sevilla, seit sechs Jahren für den FC Barcelona, leidet unter Rassismus, seit er in Europa spielt. „Ich bin jetzt seit elf Jahren in Spanien und seit elf Jahren geht das so“, sagte er nach Spielende. Er hat das in diesen elf Jahren gelegentlich thematisiert, nie passierte etwas. Zuletzt sprach er von einem „verlorenen Krieg“. Nun also Galgenhumor: „Man muss darüber lachen, was diese Zurückgebliebenen tun.“
Sein Landsmann und derzeit verletzter Teamkollege Neymar spielt erst seit acht Monaten in Spanien, aber er hat in dieser Zeit selbst schon etliche Anfeindungen erlebt. Alves’ Statement in Villarreal verfolgte er auf der Couch und von dort startete er noch in der Nacht über die sozialen Netzwerke eine Antirassismuskampagne: „Wir sind alle Affen“. Dazu die Aufforderung an seine Fans, ein Foto beim Verzehren einer Banane zu posten. Brasiliens Superstar machte schon mal den Anfang, gemeinsam mit seinem kleinen Sohn, der eine riesige Spielzeugfrucht in der Hand hielt.
Hakenkreuzfahne in der Fanzone
Alves und Neymar – noch vor knapp zwei Wochen standen sie zusammen im Finale des spanischen Königspokals auf dem Platz. In Valencia ging es gegen Real Madrid, dessen Ultras für ihre strammrechte Gesinnung bekannt und berüchtigt sind. Einige Stunden vor Spielbeginn hatte sogar eine Hakenkreuz-Fahne am Plastikzelt der Real-Fanzone in der Stadt gehangen.
Die Rassisten gaben dann auch während des Spiels in der Kurve den Ton an. Je hitziger die Partie wurde, desto mehr andere Fans stimmten in die Affenlaute der Aufhetzer mit ein, wann immer Alves oder Neymar den Ball berührten. Am Ende grölte die halbe Tribüne mit.
Ein finsteres Schauspiel im Namen und unter den Blicken Seiner Majestät, das ohne jede Konsequenz blieb. Im Schiedsrichterbogen tauchten die Rufe nicht auf. Im Radio sprachen sie von „vier oder fünf Idioten, die den Ruf aller anderen mit in den Dreck ziehen“.
Real-Trainer Carlo Ancelotti, der nach einem Heimspiel gegen Almería vier Tage vor dem Cupfinale die Ultras vor ihrem Block hofiert hatte, lobte ein „fantastisches und spektakuläres Ambiente“. Und Verteidiger Pepe, geborener Brasilianer wie Neymar und Alves, von ähnlicher Couleur und selbst immer mal wieder Opfer von Beleidigungen, feierte am ausgiebigsten von allen vor der Kurve.
Affenlaute als Folklore
Selbst den Beteiligten, das wurde in diesem Moment klar, fehlt jede Sensibilität für das Thema. Die Affenlaute gelten als Folklore – und ist Neymar etwa nicht ein Schwalbenkönig und Alves ein Provokateur? So beschönigen das manchmal selbst vernünftige Leute, die jede Form von Rassismus als inakzeptabel bezeichnen würden und sich darauf berufen können, dass Spanien tatsächlich weniger rassistische Gewaltdelikte verzeichnet als die meisten anderen europäischen Länder.
Doch auch verbale Aggressionen können Wunden hinterlassen, wie bei Verteidiger Paulão von Absteiger Betis Sevilla. Beim verlorenen Stadtderby im November wurde er nach einer Gelb-Roten Karte von den eigenen Fans rassistisch beleidigt. In Schutz nahm ihn danach niemand, er wurde zum Sündenbock gestempelt.
Wie groß die psychische Belastung für einen Spieler in so einem Umfeld werden kann, wurde voriges Wochenende für alle greifbar. Da bat Paulão nach nur einer halben Stunde des Spiels bei Rayo Vallecano weinend um die Auswechslung, weil er ein Eigentor verschuldet hatte.
„Ich werde wie ein Schwarzer rennen, um wie ein Weißer zu leben“: So hat Ex-Barça-Stürmer Samuel Eto’o mal auf die doppelten Standards angespielt, nach denen sich einige eben immer etwas korrekter verhalten müssen. Eto’o übrigens hat 2006 wegen permanenter Affenlaute beim Spiel in Saragossa gedroht, das Feld zu verlassen. Es war bis zur Aktion von Dani Alves das letzte Mal, dass das Thema in Spanien größere Aufmerksamkeit erfuhr. Geändert hat sich nichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter