Rassismus bei der Berliner Polizei: Familie fordert Gerechtigkeit

Nach einem rassistischen Polizeieinsatz: Die betroffene syrische Familie wagt bei einer Pressekonferenz den Schritt in die Öffentlichkeit.

An einem Tisch sitzen vier Personen mit Mikrofonen, in der Mitte das syrische Ehepaar

Klagen an: Das syrische Ehepaar H. (Mitte) und der Linken-Abgeordnete Ferat Koçak (r.) Foto: dpa | Andreas Rabenstein

BERLIN taz | „Wir wünschen uns an erster Stelle, dass der Polizist zu Rechenschaft gezogen wird“, übersetzt ein Dolmetscher aus dem Arabischen. Die Anspannung in den Gesichtern von Herrn und Frau H. lässt nur erahnen, wie viel Überwindung es das syrische Ehepaar gekostet haben muss, an diesem Samstagmittag vor die Öffentlichkeit zu treten.

Mit der Pressekonferenz, die am Samstagmittag im Neuköllner Wahlkreisbüro der Linkspartei stattfand, will das Ehepaar weiter Druck auf die Berliner Polizei aufbauen. Sie werfen zwei Beamten vor, sie bei einem unangekündigten Besuch in ihrer Wohnung rassistisch beleidigt und verletzt zu haben.

Die bei der Pressekonferenz anwesenden Abgeordneten der Linksfraktion Ferat Koçak, Niklas Schrader und Elif Eralp forderten neben der Bestrafung der Beamten auch politische Konsequenzen, um in Zukunft ähnliche Fälle besser verfolgen zu können.

Am Dienstag ging ein Video des Polizeieinsatzes, der am 9. September stattgefunden haben soll, in den sozialen Medien viral. In dem fünfminütigen Video, von dem vor allem ein einminütiger Ausschnitt kursiert, ist zu sehen, wie zwei Po­li­zis­t:in­nen Herrn H. vor den Augen seiner Frau und drei Kindern bedrängen und zu Boden werfen. Einer der Polizisten, der später als Jörg K. identifiziert werden sollte, fällt durch rassistische und beleidigende Aussagen auf: „Das ist mein Land und du bist hier Gast“, droht der Beamte Herrn H. in dem Video. „Halt die Fresse“, droht K. der Frau, „Ich bringe dich ins Gefängnis.“

Unnötiger Einsatz

Grund für den Polizeibesuch war unter anderem eine ausstehende Geldstrafe für mehrmaliges Fahren ohne Fahrschein in Höhe 750 Euro. „Ich habe die Strafe nicht ignoriert und war in Kontakt mit den Behörden“, behauptet H. Er habe sich bei der Polizei gemeldet, um eine Ratenzahlung zu vereinbaren, habe dann aber erst im Nachhinein erfahren, dass die Staatsanwaltschaft eigentlich die korrekte Ansprechstelle gewesen wäre.

„Wir waren überrascht und stehen immer noch unter Schock“, berichtet das Ehepaar. Seit dem Vorfall vermeide sie es, alleine in der Wohnung zu bleiben, übersetzt der Dolmetscher für Frau H. Besonders die drei Kinder der Familie hätten immer noch Angst, wenn die Klingel der Wohnungstür läute.

Der Fall zeige einmal mehr, dass die Polizei ein strukturelles Rassismusproblem habe, sagt Elif Eralp, Sprecherin für Antidiskriminierung der Linksfraktion. „Offensichtlich haben die Polizisten nicht einmal darüber nachgedacht, ob sie für ihr Verhalten belangt werden können.“ Ebenso müsse Fahren ohne Fahrschein entkriminalisiert werden, fordert Eralp. Eine Geldbuße dürfe nicht dazu führen, dass die Polizei in die eigene Wohnung eindringt.

Nach der Entscheidung, den Vorfall zur Anzeige zu bringen, sieht sich das Ehepaar nun mit einer Gegenanzeige der Beamten konfrontiert. Die Vorwürfe lauten Widerstand, tätlicher Angriff und versuchte Gefangenenbefreiung.

Der Fall zeige einmal mehr, dass die Polizei ein strukturelles Rassismus Problem habe, sagt Elif Eralp, Sprecherin für Antidiskriminierung der Linksfraktion.

„Gegenanzeigen sind ein häufiges Phänomen“, kommentiert der Sprecher für Polizei und Innenpolitik, Niklas Schrader. Der Abgeordnete zitiert eine Studie zu Körperverletzung im Amt des Kriminologen Tobias Singelnstein, laut derer nur 9 Prozent der Fälle überhaupt zur Anzeige gebracht werden. Einer der Hauptgründe sei die Angst vor Gegenanzeigen, so Schrader. Auf Nachfrage der taz berichtet die Familie, dass sie zunächst Bedenken gehabt habe, eine Anzeige würde sich negativ auf ihren Aufenthaltsstatus auswirken.

„Polizei braucht mehr, nicht weniger Kontrolle von außen“, folgert Schrader. Wie der Fall zeige, sei das Filmen mit Smartphones ein geeignetes Mittel. „Die Polizei muss das Filmen von Polizeieinsätzen durch Dritte akzeptieren“, fordert Schrader. Es komme immer wieder vor, dass Po­li­zis­t:in­nen das Filmen mit rechtlich fragwürdigen Argumenten unterbinden.

Weiteren Handlungsbedarf sieht Schrader im Disziplinarrecht. Für Jörg K., der nach dem Vorfall in den Innendienst versetzt wurde, ist es bereits das zweite Verfahren. Nach dem ersten wurde der Beamte in den Streifendienst versetzt. Obwohl der Grund für das erste Verfahren noch nicht bekannt ist, fordert Schrader, rassistische und antisemitische Motive besonders zu berücksichtigen, um auffällige Be­am­t:in­nen schneller aus dem Dienst entfernen zu können.

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