Rassismus-Debatte in Österreich: Ich überfordere euch jetzt

Früher, als wir Migrant*innen schwach und hilflos waren, habt ihr gerne geholfen. Nun da wir Stimmen haben, passen wir euch nicht mehr.

Ein Schild mit "Nein", weiß auf schwarz

Kundgebung für eine menschliche Asylpolitik und gegen Rassismus in Wien, März 2018 Foto: Alex Halada/imago

Österreich tut sich schwer im Umgang mit Rassismus. Lange sah sich das Land als erstes Opfer des Nationalsozialismus. Irgendwann begann man sich dann doch mit seinem Nazihintergrund zu beschäftigen und Vergangenheitsbewältigung zu leisten. Wenngleich es noch immer österreichische Politiker*innen gibt, die trotz rechtsradikaler Entgleisungen nicht sofort ausgeschlossen werden – „Einzelfälle“ nennt man das hierzulande gern.

Gesamtgesellschaftlich könnte man aber sagen, dass Antisemitismus in Österreich offiziell nicht geduldet wird. Was Rassismus gegenüber anderen Minderheiten angeht, ist man sich nicht so einig. Es herrscht die Annahme, dass es zwischen eindeutigen Nazis und allen anderen keine rassistischen Grautöne gibt. Wenn du noch nie „scheiß Ausländer“ gesagt hast, kannst du kein Rassist sein.

Ich halte oft Vorträge zum Thema. Jedes Mal passe ich Ton und Inhalt an das Publikum an, denn ich habe gelernt: man darf die autochthonen Zuhörer*innen nicht überfordern. Sie hören nicht gern, dass auch „Woher kommst du wirklich“-Fragen rassistisch sind. Denn sie stellen diese Frage doch so gerne – und auch nur aus Interesse. Vor allem lassen sie sich nicht gerne von mir, einer Migrantin, erklären, was sie jetzt noch fragen oder sagen dürfen. Ob diese Haltung denn nicht schon rassistisch ist?

Wenn sie nach meinen Vortrag oder währenddessen aufzeigen, um mir zu erklären, warum ich falsch liege, erzählen sie mir gerne, wie sie damals 1992 bosnischen Flüchtlingen wie mir geholfen haben. Ja, als wir Migrant*innen arm und schutzlos waren und jemanden gebraucht haben, der für uns spricht, da haben sie uns unterstützt (wofür wir unglaublich dankbar sind).

Gut, aber bitte nicht besser

Aber jetzt, wo eben diese Migrant*innen eine eigene Stimme haben, vor ihnen stehen und erklären, was falsch läuft, passt ihnen das nicht mehr. Man will ja, dass es den Migrant*innen gut geht – aber bitte nicht besser als einem selber.

Das Thema Migrantenquote in wichtigen Positionen hat sich in Österreich noch niemand gewagt anzusprechen. Stellenausschreibungen, die Menschen mit Diskriminierungserfahrungen bevorzugen und in Deutschland nicht unüblich sind, würden hierzulande eine Welle der Empörung auslösen. Es ist auch kein Zufall, dass das Kopftuch erst zum Streitfall geworden ist, seit es nicht mehr die Putzkräfte sind, die Kopftuch tragen, sondern Akademiker*innen. Doppelte Staatsbürgerschaften sind in Österreich ein Tabu­thema.

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Je älter ich werde, umso mehr Wissen ich mir zu dem Thema aneigne, aber auch je klarer ich sehe, dass Bildung und Fleiß allein mir eben nicht dieselben Chancen wie gebürtigen Österreicher*innen eröffnen, desto weniger möchte ich mit meinen Worten Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Mehrheitsgesellschaft nehmen. Denn Rassismus ist nicht nett, er nimmt keine Rücksicht auf meine Befindlichkeit. Wir müssen endlich einen ehrlichen Rassismus-Diskurs in diesem Land führen, nur so kann Gegenwartsbewältigung stattfinden.

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Autorin "Generation haram", Journalistin, ehemalige Lehrerin, lebt in Wien

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