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Ramazan Salman vom Ethno-Medizinischen Zentrum"Wir erreichen die, die es brauchen"

Migranten wissen zu wenig über das Gesundheitswesen, sagt Ramazan Salman vom Ethno-Medizinischen Zentrum. Sprachprobleme sind dabei nicht die einzigen Hürden.

Vorsorgeuntersuchungen bei der Schwangerschaft werden von Migrantinnen deutlich weniger in Anspruch genommen. Bild: dpa
Sabine am Orde
Interview von Sabine am Orde

taz: Herr Salman, Sie haben gestern auf der Fachtagung "Migration und Gesundheit" gesprochen. Worin liegen die besonderen Schwierigkeiten bei der gesundheitlichen Versorgung von Migranten?

Ramazan Salman: Aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft scheint es ganz einfach zu sein: Da wird die Sprache als der Hinderungsgrund dafür angesehen, dass Migranten die Angebote des deutschen Gesundheitssystems zu wenig nutzen. Aber das ist nicht der alleinige Grund. Auch Migranten, die ganz brauchbar Deutsch sprechen, haben Probleme. Da spielen soziale und kulturelle Aspekte eine wichtige Rolle. Das Personal im Gesundheitswesen ist auf Menschen, die andere Bedürfnisse oder einen anderen Umgang mit Gesundheit haben, meist nicht gut vorbereitet.

Bild: dpa
Im Interview: 

Ramazan Salman (Jg. 1960), Medizinsoziologe, ist Geschäftsführer des Ethno-Medizinischen Zentrums in Hannover. Dieses bearbeitet alle gesundheitspolitischen Fragen, die mit Einwanderung zu tun haben.

Wie wirkt sich das aus?

Alle Vorsorgeleistungen zum Beispiel, also die U-Untersuchungen bei Kindern oder die Vorsorgeuntersuchungen bei der Schwangerschaft, werden von Migranten deutlich weniger in Anspruch genommen.

Mit welchen Konsequenzen?

Es gibt kompliziertere Geburtsverläufe, einen höheren Anteil an Kaiserschnittgeburten, eine leicht höhere Säuglingssterblichkeit und mehr Erkrankungen besonders bei Kleinkindern. Ein anderes Beispiel sind Depressionen. Diese Krankheit tritt bei Migranten häufiger als bei Deutschstämmigen auf - und wird wesentlich schlechter behandelt.

Warum tritt es häufiger auf?

Umfassende Studien gibt es noch nicht, aber alle kleineren Untersuchungen deuten darauf hin, dass es häufiger vorkommt. Das hat mit der größeren Belastung zu tun: Einwanderer haben viele soziale Probleme, Sprachschwierigkeiten, fühlen sich häufig zerrissen zwischen zwei Kulturen.

Und warum werden sie schlechter behandelt?

Hier gibt es tatsächlich ein großes Sprachproblem. Meist werden Depressionen mit Psychotherapien behandelt, aber wenn es die nötigen Sprachkenntnisse nicht gibt, ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Es gibt in den verschiedenen Communitys nicht genügend Therapeuten, zum Beispiel insgesamt nur 140 bis 160 türkischstämmige. Das reicht nicht. Mancherorts wird es mit Dolmetschern probiert, das ist besser als nichts, aber natürlich problematisch.

Was kann man tun, um die medizinische Versorgung von Einwanderern hierzulande zu verbessern?

Die Migranten brauchen mehr Know-how über das deutsche Gesundheitswesen und ihre Rechte. Da gibt es in Deutschland einige gute Projekte. Die vier größten laufen bei uns.

Eines heißt "Mit Migranten für Migranten". Was ist das?

Wir überzeugen gut integrierte Einwanderer, an einer Schulung über das deutsche Gesundheitswesen teilzunehmen. Dann gehen sie in ihre Settings zurück, in Moscheen zum Beispiel oder Sprachschulen, und bieten dort Veranstaltungen an, in denen sie ihr Wissen weitergeben. Das funktioniert sehr gut, denn mit Migranten kommt man besser an Migranten ran. Inzwischen finden an 34 Standorten jährlich insgesamt 600 bis 700 Veranstaltungen in 15 Sprachen statt.

Und erreichen Sie die, die es brauchen? Oder bleibt da die Migranten-Mittelschicht, die viele der Probleme vielleicht gar nicht hat, unter sich?

Nein, fast 80 Prozent der Mediatoren gehören zwar der Mittelschicht an, die Teilnehmer der Veranstaltungen kommen aber zu 70 Prozent aus sozial schwächeren Schichten. Wir erreichen also genau die, die es brauchen.

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