philipp maußhardt über Klatsch: Ralf und der Dorfklatsch
Der kleine Schumi zog nach Österreich, um Steuern zu sparen. Aber das ist natürlich nicht der einzige Grund
Vor ein paar Tagen rief mein Informant aus Salzburg wieder an. Salzburg besteht eigentlich nur aus Informanten. Jedenfalls kenne ich keinen Salzburger, der nicht gleichzeitig Informant wäre. Mein Informant also fragte mich – wie immer – erst: „Wie geht’s im großen Deutschland?“ Das ist sein Eingangssatz bei jedem Telefonat. Dann plauderten wir ein wenig über Herrn Borer und Uschi Glas, und anschließend zog er mich wieder einmal damit auf, dass ich ihm dummerweise verraten hatte, in Maybrit Illner verliebt zu sein. „Di is a Schlampen.“ Er redet halt so, er meint es nicht wirklich. Männer findet er außerdem viel erotischer. Wir waren beim Thema. „Ralfi is wieder g’sichtet wor’n. Wast scho.“ Was für ein Satz! Mir verschlug es die Stimme. „Bist no da?“ In meinem Kopf rauschte es, und ein Film lief ab: Ralf Schumacher wieder gesichtet. Er brauchte mir nicht sagen, wo. Das Lokal an der Salzach, das als Schwulentreff gilt, ist mir bekannt.
Dass Ralf seine Cora nur zum Schein geehelicht und ein geheimes Doppelleben führe, hält sich als Gerücht in den Klatschredaktionen schon lange. Viele Stunden wurde im vergangenen Jahr darüber diskutiert, manche sind dafür, manche dagegen, alle haben eine Meinung. Einige sagen „bi“. Für den Betrieb eines Rennwagens sind sexuelle Vorlieben wahrscheinlich unerheblich. Aber die Vorstellung, dass ein deutscher Rennfahrer sich aus all diesen blonden Boxenludern gar nicht sonderlich viel macht, die ist so ungeheuerlich, ja geradezu kühn, dass allein die Spekulation über die hormonelle Ausrichtung dieses Mannes enorme Energien freisetzt. Es soll ja sogar Fotos geben. Ralfs Manager, den manche noch unter seinem früheren Namen als „Schnallen-Willi“ kennen, soll alles wissen. Ralf sei ja, behauptet mein Salzburger Informant seit langem, nur deshalb nach Österreich gezogen, weil er dort in Ruhe gelassen würde. Nein, nicht vom Finanzamt.
„He! Bist no da?“ Mir surrte der Schädel, und ich fragte mich, ob es mit Weihnachten zu tun habe, dass in diesen Tagen so viel über Homosexualität gesprochen wird. Jedenfalls war ich am Vorabend unfreiwillig Zeuge einer Unterhaltung geworden, bei denen sich zwei Eingeweihte am Nebentisch des Lokals über eine CDU-Vorstandsfrau unterhielten. Die also auch. Natürlich ist das egal und geht sowieso niemanden was an. Aber interessant ist es schon. Jedenfalls könnte ich einen ganzen Abend damit zubringen, mir eine Namensliste anzuhören, wer wie herum ist. Nicht weil ich auch. Ich bin richtig herum. Entschuldigung, das war jetzt nicht korrekt. Aber anders herum sage ich halt deswegen, weil es noch immer die Minderheit ist. Vielleicht wird das ja noch einmal anders herum.
Kaum hatte mein Salzburger Informant den Hörer aufgelegt, sprang das Faxgerät an: Er schickte mir noch einen Artikel aus den Salzburger Nachrichten, in denen sich Ralf Schumacher über „den ganzen Dorfklatsch hier“ aufregte und damit drohte, das schöne Land wieder zu verlassen. Vordergründig bezog sich Schumi II damit auf eine harmlose Verkehrskontrolle in der vergangenen Woche, die in den österreichischen Medien dann zur Radarfalle aufgebauscht worden war. Schumacher hätte seinen Führerschein abgeben müssen. „Lüge“, sagt Ralf. Der Salzburger Informant und ich wussten allerdings, dass der „Dorfklatsch“ auf das andere Thema zielte. Ralf weiß, dass man ihm auflauert.
Wo soll er hin? Nach Berlin? Sozusagen in das nächste Dorf? Nein, besser in die Schweiz. (Der Steuersatz seines Bruders beträgt dort 3 Prozent. DREI PROZENT!) Für meinen Berufsstand wäre das aber sehr, sehr schade. Denn in Luzern oder in Zug gibt es keine Informanten. Da ruft nie einer an und sagt: „Wast scho.“ Nix erzählt man dort, weil Schweigen Gold ist. Mitteilen kommt von teilen, von hergeben, von Großzügigkeit. Ein einziges Mal hatte die Tageszeitung Blick einen Klatschversuch unternommen und über eine angebliche Affäre ihres Berliner Botschafters berichtet. Anschließend hat sich der Verleger entschuldigt und Herrn Borer viel Geld bezahlt. Kein Wunder also, dass Michael Schumacher bis heute noch immer als sexuell völlig normal gilt. Jedenfalls in der Schweiz.
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