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Die WahrheitEine Kristallschale voll Klee für den Präsidenten

Der irische Ministerpräsident ist beim Auftritt im Weißen Haus besser gewandet als Selenskyj. Genützt hat ihm das Duckmäusertum nicht viel.

W enigstens ist er nicht aus dem Oval Office hinausgeworfen worden. Irlands Premierminister Micheál Martin schlug sich vorigen Mittwoch besser als sein Amtskollege Wolodymyr Selenskyj eine Woche zuvor. Martin hatte dem US-Präsidenten Donald Trump ja auch eine Kristallschale voller Kleeblätter mitgebracht, wie es Tradition am Saint Patrick’s Day ist.

Der Heilige mit Migrationshintergrund – er stammte aus England – ist allerdings am 17. März gestorben, und deshalb begeht man seinen Ehrentag an diesem Montag. Doch Trump hatte andere Pläne. So verlegte Martin den Feiertag kurzerhand. Das ist schließlich das Mindeste, was man für den verblondeten Diktator tun kann.

Ansonsten hielt sich Martin zurück und überließ dem Gastgeber die Show. Der hielt eine halbwegs kohärente Lobrede auf seinen wunderschönen Golfplatz in Doonbeg im Westen Irlands, der just zur selben Zeit von propalästinensischen Demonstranten mit Spaten in einen Kartoffelacker verwandelt wurde. Vielleicht kommt Trump nun auf die Idee, die Grüne Insel zu annektieren und zu einem gigantischen Luxusgolfresort zu machen.

Am Mittwoch war er aber noch überaus freundlich zu seinem Gast. Er sei ein ganz besonderer Mann, sagte er, und Martin muss sich in diesem Moment wie ein ganz besonderer Mann gefühlt haben. Als Trump gegen seinen Feind, die Europäische Union, wetterte, machte Martin ein Gesicht, als ob Irland abseits im Atlantik läge und mit der EU nichts zu tun habe. Es fehlte nur, dass er seinerseits Strafzölle gegen die EU verhängte.

Gelobt sei Trump

Martin bedankte sich pausenlos überschwänglich und lobte Trump: „Sie haben in den ersten hundert Tagen dieser Regierung wirklich sehr schnell außergewöhnliche Dinge getan.“ Dann kam Trump auf die irische Wohnungsnot zu sprechen: „Wissen Sie, warum Sie eine Immobi­lien­krise haben? Weil es Ihnen so gut geht.“ Das sei eine sehr gute Analyse, flötete Martin. In Wirklichkeit war es eine äußerst bescheuerte Analyse, denn Martins Partei und ihr Koali­tions­partner, die Irland seit hundert Jahren regieren, haben dem Land die Wohnungsnot trotz allen Reichtums eingebrockt.

Aber Martin konnte zufrieden sein, selbst Vizepräsident J. D. Vance war ungewohnt zahm und zeigte seine Socken mit Kleeblattmuster, die er zu diesem Anlass gekauft hatte. Die böse Überraschung folgte am nächsten Tag: Nur 24 Stunden nachdem er gesagt hatte, er wolle Irland nicht schaden, drohte Trump, dass er demnächst 200 Prozent Zoll auf irischen Whiskey und alkoholhaltige Produkte aus der EU erheben werde. Das wäre fatal, denn der Export irischen Whiskeys nach den USA macht 40 Prozent der Gesamtausfuhren aus.

Die US-Iren sollten sich also heute zu Ehren des Heiligen ausgiebig irischen Whiskey hinter die Binde kippen. Im nächsten Jahr können sie sich das wahrscheinlich nicht mehr leisten.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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1 Kommentar

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  • Wieso sollte auch der Flegel aus dem weißen Haus unbemerkt an Irland vorbeigehen?



    SLÀINTE!🥃🍀🥃🍀