Rainer Wendt doch kein Staatssekretär: Hochgradig verantwortungslos
Dass die Koalitionspartner in Sachsen-Anhalt die Personalie Rainer Wendt blockieren würden, war klar. Was sollte das Ganze also?
V on Personalpolitik als Provokationsstrategie sollte man die Finger lassen. Das weiß nun hoffentlich auch Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht, der vergeblich versuchte, den umtriebigen Polizeigewerkschafter Rainer Wendt zu seinem Staatssekretär zu machen.
Er wollte also einen Mann berufen, der unter anderem über „genetische Grundbausteine“ junger Muslime spekulierte und immer wieder populistische Positionen in der Zuwanderungspolitik äußerte – und der gleichzeitig, über Jahre hinweg, zu Unrecht eine Doppelbesoldung bezog. Nicht gerade eine Leuchtfigur rechtsstaatlicher Prinzipien.
Ein Schmerztest also nicht nur für SPD und Grüne als Koalitionspartner der CDU in Sachsen-Anhalt, sondern auch für die Bundes-CDU, der die diversen Alleingänge ostdeutscher Landespolitiker noch in den Knochen stecken. Ob wirklich das Kanzleramt ein „Kommando“ gegen Rainer Wendts Berufung gab, wie er selbst nun erwartbar kolportiert, wird schwer zu klären sein.
Aber dass man in Berlin ein nachvollziehbares Problem mit Wendt in Amt und Würden haben dürfte, noch dazu in einem Bundesland, dessen CDU nicht erst seit dieser Sache im Verdacht steht, der AfD eher durch Annäherung als durch Konfrontation begegnen zu wollen – das hätte man schon vermuten können. Ebenso, dass die SPD, die sich bei der zunächst beschlossenen Beförderung des umstrittenen Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen einst schwer blamiert hatte, inzwischen dazugelernt hat.
Umso eigenartiger, dass Holger Stahlknecht – der auch CDU-Landeschef von Sachsen-Anhalt ist – offenbar ernsthaft dachte, diesen Plan durchzubekommen. Er riskierte damit nicht nur den Bruch der Kenia-Koalition, deren Aufkündigung für SPD und Grüne unausweichlich gewesen wäre, hätte die CDU auf Wendt bestanden.
Sein politisch hochgradig verantwortungsloses Handeln hat auch dazu geführt, dass sich Wendt nun, unter zahlreichen Solidaritätsbekundungen von rechts, in einen mit allerlei Halbgarheiten verzierten Opfermythos hüllen kann. Für die Christdemokrat*innen wird das noch viel Ärger bedeuten.
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