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Räumung in KreuzbergZwangsumzug ausgesetzt

Am Mittwoch sollte die Kreuzberger Familie Gülbol ihre Wohnung verlassen. Nach Protestaufrufen ist die Zwangsräumung nun ausgesetzt - aus "formellen Gründen".

Die Situation auf dem Wohnungsmarkt treibt die Berliner zum Protest. Bild: dapd

Räumung geplatzt: Eine für den kommenden Mittwoch geplante Zwangsräumung einer Kreuzberger Familie wurde von Gerichtsseite ausgesetzt. Das bestätigte Ulrich Wimmer, Sprecher der Berliner Zivilgerichte, der taz.

Die Gerichtsvollzieherin hatte sich bereits für den Mittwochmorgen angekündigt. Dieser Termin werde nun verschoben, sagte Wimmer. Er nannte dafür "formelle Verfahrensgründe". Es sei unklar, ob der Familie das Räumungsschreiben fristgerecht zugestellt wurde. Die Räumung werde aber nachgeholt, so Wimmer. Den neuen Termin nannte er nicht, da dies das Verfahren "vereiteln" könne.

Nahe liegt aber auch ein anderer Grund für die Absage: Seit Tagen hatten Unterstützer der Familie um das Bündnis "Zwangsräumungen verhindern" zu Sitzblockaden für den Mittwoch mobilisiert. Ihre Beteiligung hatten mehr als 300 Personen angekündigt, darunter der Präsident des Fußballvereins Türkiyemspor, Musiker und Abgeordnete von Grünen und Linken. Rund 100 von ihnen hatten bereits am 22. Oktober eine erste Räumung der Familie mit Sitzblockaden verhindert - ein Novum in Berlin.

Die fünfköpfige Familie lebt seit mehr als 30 Jahren in der Lausitzer Straße in Kreuzberg, seit 16 Jahren in der heutigen Wohnung. Ihr war gekündigt worden, weil sie eine Mieterhöhung um fast 100 Euro erst nicht gezahlt hatte, vor Gericht verlor und dann die fälligen Nachzahlungen nicht fristgerecht überwiesen hatte. Dass die Familie finanzielle Schwierigkeiten anführte, erkannten die Gerichte nicht an.

Familienvater Ali Gülbol bestätigte die Aussetzung des Verfahrens. Die Räumungsankündigung sei ihm aber fristgerecht zugegangen, sagte der 41-Jährige. "Die Absage ist wohl eher der großen Öffentlichkeit geschuldet." Erleichterung spüre er nicht. Die Räumung sei ja nicht aufgehoben, werde aber wohl erst im kommenden Jahr stattfinden, mutmaßt Gülbol. Er hofft weiter, seine Wohnung behalten zu können.

Das Bündnis "Zwangsräumungen verhindern" wertete die Absage als Teilerfolg. "Wir haben die zweite Räumung schon verhindert, bevor wir uns überhaupt hingesetzt haben", sagte Sprecherin Sara Walther. Sie kündigte auch für einen neuen Räumungstermin Proteste an.

Wochenendausgabe

Am kommenden Samstag erscheint die sechste Ausgabe der neuen taz.berlin-Wochenendausgabe. Sie bietet auf zwölf Seiten unter anderem ein aktuelles Schwerpunktthema, eine stark erweiterte Kulturberichterstattung, einen Wochenrückblick und das einstige Montagsinterview.

Zudem erscheint der taz.plan jetzt immer donnerstags als 16-seitige Beilage. Er liefert eine unverzichtbare Orientierung durch das Berliner Kunst-, Kultur- und Nachtleben.

Am Samstag in der Wochenendausgabe: Mieterverdrängung - was passiert mit Kreuzberg? Außerdem ein Text von Detlef Kuhlbrodt über seinen Lieblingsbillardsalon sowie ein Interview mit Anarcho-Karikaturist Klaus Stuttmann.

Drei der Unterstützer erklären für die taz, warum sie mitmachen.

Murat Dogan, Präsident Türkiyemspor e.V.:

"Ich kenne die Familie seit 20 Jahren, das sind gute Freunde. Natürlich unterstütze ich sie vor einer Zwangsräumung! Ich bin selbst Kreuzberger und möchte, dass diese Leute hierbleiben. Sonst ginge doch die ganze Kreuzberger Kultur verloren: die Unterschiedlichkeit, das Miteinander."

Dota Kehr, alias "Kleingeldprinzessin", Musikerin:

"Die Räumung steht exemplarisch für eine Entwicklung in dieser Stadt, die unbedingt verhindert werden muss - sonst ist das nie wieder rückgängig zu machen. Investoren treiben die soziale Entmischung voran und die Regierung heißt es gut. Mit Wohnraum darf aber nicht spekuliert werden: Wohnen sollte ein Menschenrecht sein! Ich wohne seit elf Jahren in Kreuzberg und leider wird es immer einheitlicher und wohlhabender hier. Aber noch kann man sich dagegen wehren. Auch Familie Gülbol ist ja noch da. Also müssen wir ihnen helfen."

Katrin Schmidberger, Grünen-Abgeordnete:

"Angesichts der dramatischen Mietsituation ist vehementer, friedlicher Protest gegen die Zwangsräumung absolut angebracht. Berlin läuft geradewegs auf eine massive Wohnungsnot zu, weil der Senat nichts dagegen tut. Da müssen wir als Opposition Druck machen, für ein Zwangsräumungs-Moratorium, und für die Anerkennung, dass in ganz Berlin ein angespannter Wohnungsmarkt herrscht. Nur so lassen sich Instrumente gegen die Wohnungsnot finden. Der jetzige Protest der Zivilgesellschaft macht deutlich, dass die bisherige Mietenpolitik gescheitert ist."

Am Samstag in der neuen Wochenendausgabe der taz.Berlin: drei Seiten zu Zwangsräumungen und zur Mieterverdrängung in Kreuzberg - und dem Widerstand der Einwohner dagegen.

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14 Kommentare

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  • C
    Contenance

    @Michael Klein,

     

    Contenance, mein linker Freund, Contenance. Wohl besser eine Auszeit von Kommentarschreiben nehmen (man könnte statt dessen zum Ausgleich den CDU-wählenden Nachbarn anschreien oder ähnliche Formen des Widerstand gegen den Faschismus ausführen). No pasaran!

  • MK
    Michael Klein

    @Teermaschine!

    Ihr Kommentar ist voll von niederem und perversem Niveau, er kommt aus dem niedersten perversesten Dreckloch, wo es zum Erbarmen nach ekelerregender Kacke stinkt! Links stand mal für Fortschritt und Veränderung, das stimmt! Aber nicht auf Kosten der Arbeiterbevölkerung! Und Links bedeutet auch, die Natur zu bewahren und zu schützen! Wissen Sie das nicht?

    Und was Gesetze betreffen, im Namen des Gesetztes wurde schon viel Schindluder getrieben und immens viel Schaden angerichtet, denken Sie nur an die Schüsse an der Berliner Mauer! Dort wurde auf Menschen geschossen, die in den WEstteil flüchten wollten! Alles nach Recht und Gesetz! DAs sagten vor Gericht auch die MÖrder von Chris Guffroy vor über 20 Jahren bei der Gerichtsverhandlung!

     

    @J.Murat!

    Ihren Spott bezüglich Hartz 4 sollten Sie sich besser sparen, Sie wären nicht der erste, der jahrelang über Arbeitslose und Sozialempfänger herzog und dann plötzlich von einem Tag zum anderen seinen Job verloren hat!

  • MK
    Michael König

    Mein Gott, wie sich einige hier aufregen.

    Schade, dass die Seite vom Bündnis nicht verlinkt ist, da könntet ihr ja einfach mal weiterlesen.

     

    Fam. Gülböl hat die Mietschuld bereits beglichen. Er hat die Wohnung außerdem für 20.000 Euro selbst saniert(!) Der Vermieter hält dennoch an einer Kündigung fest, um die Wohnung im Anschluss teuerer (derzeit nach oben unbeschränkt) neuvermieten zu können.

     

    Das sind doch einfachste Zusammenhänge.

     

     

    Und für alle sozialen Hetzer: Vater Ali Gülbol ist gelernter Malermeister, die Kinder im höheren Bildungsweg. Als ob das entscheidend wäre...

     

    http://zwangsraeumungverhindern.blogsport.de/2012/10/22/verhinderung-einer-zwangsraeumung-in-kreuzberg/

     

    zur not einfach mal berliner zeitung lesen:

     

    http://www.berliner-zeitung.de/berlin/fall-ali-guelbol-zwangsraeumung-in-kreuzberg-gestoppt,10809148,21049280.html

  • P
    pabloP

    @JR Ewing: Sie haben den Artikel wohl nicht gelesen der Grund der Räumung wird sehr wohl erwähnt. Also erst lesen dann Meckern.

  • JE
    JR Ewing

    Herr Klein,

     

    Ihr Rundumschlag verkennt die sehr konkreten Fragen, die sich den anderen Leserbrief-Autoren gestellt haben, und die im Artikel (vermutlich absichtlich) nicht behandelt werden. Vor allem die Frage nach der Ursache des Rauswurfs. Als Jurist wuessten Sie, dass kaum etwas schwieriger ist in Deutschland als einen Mieter loszuwerden (und vor allem die, die es verdient haetten).

     

    Und ja, ich blaettere gerne mal in der BILD (ebenso wie in der TAZ, der Titanic, der FAZ, der FunkUhr, dem Hamburger Abendblatt, und der Apothekenumschau) und bin ueberzeugt, dass man nur durch regelmaessige Lektuere von Zeitungen verschiedener Art ein einigermassen vollstaendiges Weltbild bekommt. Freue mich aber, wenn Sie durch taeglichen ausgiebigen TAZ-Konsum Ihr Weltbild kritiklos bestaetigt sehen

  • K
    Krambambuli

    Über kurz oder lang wird geräumt, Sitzblockade hin oder her.

    Unterstützung sollte in der Suche nach einer neuen Bleibe stattfinden, alles andere ist illusorisch.

    Wünsche der Familie viel Glück, aber ich denke das dieser Kampf auf Dauer nicht zu gewinnen ist.

  • JM
    J. Murat

    Die fünfköpfige Familie des 41 jährigen Familienvaters lebt seit über 30 Jahren in der Lausitzer Straße?

    Wohl eher nicht, außer der hatte mit 11 Jahren bereits eine Ehefrau und drei Kinder.

    Billiger Versuch, auf die adventliche Tränendrüse zu drücken.

    Übrigens werden mit jedem Räumversuch die Schulden der Familie steigen.

    Schlechte Aussichten, es sei denn sie hartzen eh schon.

  • MK
    Michael Klein

    Und wo Unrecht durch Gesetz und Gerichte legalisiert wird, dann wird Gesetzesbruch und Widerstand gegen die Obrigkeit und auch gegen den Staat zur Pflicht! Es geht hier nicht nur um preiswerten Wohnraum für Geringverdiener, es geht hier um die Erhaltung unserer wertvollen Demokratie! Und die gilt es zu bewahren!

  • T
    Teermaschine

    @) michael klein und andere kleingeister

     

    Dann können wir uns doch zukünftig Gesetze und Gerichte sparen, oder? Ging doch früher mit Klo auf halber Treppe auch, nicht wahr?

    Angesichts solcher Statements kann man verstehen, warum manche Süddeutsche dieses Drecksloch im märkischen Sand am liebsten an allen 4 Ecken anzünden und niederbrennen würden. Links stand mal für Fortschritt und Veränderung. Heute repräsentiert die Linke, zumal in Berlin, nur noch die miefige Spiessigkeit einer Kleingartenkolonie, die schon durch einen Touri-Bus ihr "Biotop" bedroht sieht.

  • W
    wauz

    Diese Räumungsklage ist die Folge von einer miesen Gesetzgebung und einer noch mieseren Rechtssprechung. In diesem Fall liegen nämlich längst keine Mietschulden mehr vor. Der Sache nach müsste also, gemessen am gesunden Menschenverstand, die Angelegenheit erledigt sein.

    Das

  • MK
    Michael Klein

    @chris!

    Was an diesem Artikel ist denn dürfig? Na los, antworten Sie mal!

    Mir scheint, dass in unserer GEsellschaft immer noch ein hohes Maß an kritikloser Obrigkeitsgläubigkeit vorhanden ist! Nach dem Motto "Na ja, der Vermieter wird schon seine Gründe haben", "Na die Ordnung muss endlich wieder hergestellt werden" "Es muss mit eiserner Hand radikal für Ordnung gesorgt werden"!

    Der Fall dieser Familie ist einer von tausenden Räumungsklagen, er ist nur die Spitze des Eisberges! Die wenigsten gehn damit an die Öffentlichkeit!

    Es ist zum Kotzen, dass die Obrigkeitsgläubigkeit bei uns immer noch so immens viel vorhanden ist! Gelernt haben wohl die wenigsten der Deutschen Bürger!

     

    @J.R.Ewing!

     

    Dann dürfte doch für Sie die Bildzeitung die geeigneteste Informationsquelle sein, wo Sie sich informieren könnten, soweit Sie überhaupt dazu in der Lage sind zu erkennen, dass die Axel-Springer Presse seit Jahrzehnten Volksverblödung betreibt und dafür die Veranwortung trägt, dass unser Land immer mehr der Verblödung zum Opfer gefallen ist, dass Dummheit unser Land regiert, ja dass die Gehirne zahlreicher Bundesbürger durch den Verblödungsjournalismus total verdreckt sind, es tut mir leid, dass in dieser Schärfe sagen zu müssen!

     

    @Wolfgang Banse!

    Es muss auch Innenstadtbezirke wie Kreuzberg, Neukölln oder WEdding geben, wo Wohnungen mit bezahlbaren Mieten vorhanden ist! Zudem hat jeder das REcht, sich dort eine Wohnung zu nehmen, wo er wohnen möchte, für Luxusmieten sind STadtteile wie Zehlendorf, Lankwitz, Steglitz, WEstend, Grunewald (dort gibt es wohl kaum Mietwohnungen, sondern regelrechte Paläste für Millionäre, die meisten der Verursacher des Bankenskandals leben dort wie die Made im Speck) wohl besser geeignet!

  • JE
    JR Ewing

    Der typische einseitige TAZ-Verbloedungsjournalismus.

     

    Wie furchtbar muss sich bitte in Deutschland ein Mieter von Wohnraum auffuehren, bis er zwangsgeraeumt werden darf? Und das von mehreren Instanzen bestaetigt? Wieso wird der Grund der Raeumung nicht erwaehnt? Miete nicht gezahlt? Andere Mieter belaestigt?

     

    Man tut der Sorge um stark steigende Neuvermietungspreise einen Baerendienst, wenn man ihn so sachfremd mit (vermutlich) unzumutbarem Mieterverhalten durchaeinanderwirft, das zu Rauswuerfen fuehrt.

  • C
    Chris

    Irgendwie ist der Artikel dürftig.. Warum wird die Familie zwangsgeräumt? Wird nur die eine Wohnung zwangsgeräumt oder das ganze Haus? Welche Gründe hat der Vermieter in den Prozessen genannt, weshalb die Familie ausziehen muß? Wurden Alternativen angeboten? Etc.? Etwas mehr Infos, bitte..

  • WB
    Wolfgang Banse

    Auch der kiez Kreuzberg muss isch daran gewöhnen ,dass die Meten anziehen,was alerdings ncht dazu führen darf dass Wohnungs-und Obdachlosigkeit das Resultat sind.