: Rätselraten über Anschlag
Bei einem Überfall auf einen Kosmetiksalon in Schöneberg ist am Donnerstagabend eine Frau getötet worden. Vier weitere wurden verletzt. Über Täter und Tatmotiv gibt es nur Spekulationen
von BRITTA STEFFENHAGEN
Auch einen Tag nach dem blutigen Anschlag auf einen Kosmetiksalon sind die Hintergründe der Tat noch völlig unklar. Am Donnerstagabend war in dem Nagelsalon „Planet Nails“ in Schöneberg eine Frau getötet und waren vier weitere Frauen zum Teil schwer verletzt worden. Der Leiter des Kriminalamts, Hans-Ulrich Voß, sprach von einem brutalen, offensichtlich zielgerichteten Anschlag. Als „Vorsichtsmaßnahme“ wurden die in unterschiedlichen Krankenhäusern untergebrachten Frauen unter besonderen Polizeischutz gestellt. Private Motive sind ebenso möglich wie organisierte Kriminalität. Da fast alle Opfer „osteuropäisch, vermutlich russischsprachig“ seien, wurde außerdem das Fachkommissiariat für Kriminalität aus dem osteuropäischen Raum eingeschaltet. Bisher konnte jedoch weder bestätigt werden, dass es sich um eine Straftat aus dem Milieu der „Russenmafia“ handelt noch dass ein Fall organisierter Kriminalität vorliegt.
Sicher ist nur, dass am Donnerstagabend gegen 18.30 Uhr ein maskierter Mann in das Nagelstudio eingedrungen war, drei Schüsse auf eine der Angestellten abfeuerte und beim Verlassen des Geschäfts einen Sprengkörper zündete. Die Angestellte starb noch am Donnerstagabend an den Schussverletzungen. Sie ist vermutlich Russin oder Ukrainerin. Die anderen Frauen – sowohl Angestellte als auch Kundinnen – sind seit gestern außer Lebensgefahr. Nach unbestätigten Angaben sind sie alle zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt. Eine der Frauen ist Deutsche, die anderen kommen aus dem osteuroäpischen Raum. Die Ermittlungen haben die Staatsanwaltschaft und eine Mordkommission übernommen.
Der Täter konnte flüchten und ist spurlos verschwunden. Nach ersten Angaben soll es sich um einen jungen Mann zwischen 18 und 25 Jahren handeln. Die Polizei fand jedoch bisher keine Zeugen, die eine Täterbeschreibung liefern konnten. Die Inhaberin von „Planet Nails“ ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand eine Frau aus Osteuropa. In der Umgebung des Nagelstudios in der Passauer Straße gibt es viele russische Geschäfte, darunter ein Lebensmittelgeschäft und einen Import-/Exportladen.
Seit gestern Abend ermittelt die Mordkommission gemeinsam mit Sprengstoffexperten vor Ort. Es ist bisher ungeklärt, ob es sich bei dem Sprengkörper um eine Handgranate handelt. Die Splitterfunde hatten dies zunächst nahe gelegt. Sicher ist, dass „kein gewönlicher Sprengstoff verwendet wurde“, erklärte LKA-Leiter Voß. Mit bloßem Auge waren gestern von außen am Salon trotz der nicht unerheblichen Detonation keine Spuren erkennbar. Ein Mitarbeiter der Feuerwehr sprach von einem „splitternden Sprengkörper, der Rauch verursacht“.
Ein Polizeisprecher in Düsseldorf kündigte unterdessen an, dass Ermittler prüfen werden, ob ein Zusammenhang mit dem Anschlag auf eine Düsseldorfer S-Bahn besteht. In beiden Fällen wurde als Sprengsatz vermutlich eine Handgranate verwendet. Auch beim Düsseldorfer Fall stammten die Opfer aus dem osteuropäischen Raum. Bei dem Anschlag Ende vom Juli wurden zehn Menschen schwer verletzt, zwei von ihnen lebensgefährlich. Die Opfer waren überwiegend jüdischen Glaubens. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin, Andreas Nachama, erklärte gestern, er habe keinerlei Hinweise, dass die Betroffenen des Anschlags auf das Nagelstudio jüdischen Glaubens seien. Diese Aussage sei allerdings „nicht in Stein gemeißelt“.
Aufklärung verspricht sich die Polizei von den Ergebnissen der noch andauernden Spurensicherung im „Planet Nails“ und von der Zeugenvernehmung. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bekannt gab, wird „mit Hochdruck“ an dem Fall gearbeitet.
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