Radverkehr: Die Bahn hält am Südkreuz dicht
Der jahrelang mögliche, doch seit Monaten gesperrte Durchgang durch den Bahnhof soll geschlossen bleiben. Das kappt den de facto ersten Radschnellweg der Stadt.
Der Blick geht nach rechts oben, zu dem Gerüst über dem Hintereingang: Wieder keine Arbeiten zu sehen, und doch immer noch alles abgesperrt, wie seit Monaten. Also immer noch kein Durchkommen durch den Bahnhof Südkreuz hin zum glatten Asphalt längs der S-Bahnlinien 2 und 25.
Seit Monaten ist das so, und stets gab es unter Radlern die Hoffnung, dass damit doch irgendwann mal Schluss und die Tür wieder auf sein müsse wie in all den Jahren zuvor. Damit scheint es aber endgültig vorbei. Denn die Deutsche Bahn beantwortet eine taz-Anfrage dazu nun so: „Der genannte Weg war niemals ein offizieller bzw. öffentlicher Zugang zum Bahnhof. Nach Beendigung der Baumaßnahmen (voraussichtlich Ende 2018) wird dieser Zugang weiterhin nicht öffentlich zu nutzen sein.“
Erst vor knapp zwei Wochen hat das Abgeordnetenhaus das neue Mobiltätsgesetz beschlossen, in dem auf Seite 30 unter § 44 steht: „Es sollen 100 km Radschnellverbindungen errichtet werden.“ Zentrales Kriterium: Autofreiheit. Knapp sechs Kilometer davon aber gab es de facto schon: nördlich und südlich des Bahnhofs, vom S-Bahnhof Priesterweg gleich am Insulaner in Schöneberg bis zum Anhalter Bahnhof.
Die Betonung liegt auf: Gab es. Denn durch Baugerüst und Türsperrung können Radler nicht mehr durch den Bahnhof schieben, sondern müssen erst den von Taxis und Bussen intensiv genutzten Vorplatz queren und dann auf die stark befahrene Wilhelm-Kabus-Straße ausweichen, die nur in Süd-Nord-Richtung einen Radstreifen hat. Vorbei die Illusion, auf einem fast autofreien Leitstrahl unterwegs zu sein.
Der Weg durch den Bahnhof werde „weiterhin nicht öffentlich zu nutzen sein“, schreibt die Deutsche Bahn also. Weiterhin nicht? Durch welche Tür sind dann die vielen hundert Radler und Fußgänger in den vergangenen Jahren regelmäßig gegangen? Tatsächlich steht zwar an der Tür „Kein öffentlicher Durchgang“. Die Bundespolizei aber, mit ihrer Wache gleich neben der Tür, hatte mit dem Durchgangsverkehr vor ihren Augen kein Problem – immer vorausgesetzt, dass die Radler schoben.
Fahrlässig oder pragmatisch?
„Bei dem Zugang handelt es sich um eine reine Bahnfläche, die nur zur betrieblichen Nutzung freigegeben ist“, schreibt die Pressstelle auch noch. Das hieße im Umkehrschluss, dass die Bahn da über Jahre höchst fahrlässig gehandelt hätte, weil sie Hunderte Betriebsfremde nicht darin hinderte, diese „reine Bahnfläche“ zu betreten.
Gut möglich, dass Gestalten der Kategorie Kampfradler, die im Bahnhof nicht abstiegen und durch die Menge preschten, die Toleranz der Bahn stark belasteten. Doch mutet es schon skurril an, dass sich so etwas ausgerechnet an dem deutschlandweit meistüberwachten Bahnhof – wo die Bundespolizei 2017 ihr Pilotprojekt zur Gesichtserkennung startete – nicht ohne Türverschluss verhindern lassen sollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin