Radsport in Afrika: Unbehagliches Radeln
Ein kriegerischer Konflikt gefährdet den Sport in Ruanda. Die größte Radtour findet dennoch statt. Und die Weltmeisterschaft im Herbst?
Normalerweise war die Tour du Rwanda immer ein fester Bestandteil des Rennkalenders, doch in diesem Jahr war sich das deutsche Radsportteam Bikeaid unsicher, ob es die weite Reise in das ostafrikanische Ruanda antreten sollte. „Eigentlich habe ich mich sehr auf das Rennen gefreut, weil ich beim letzten Mal die Atmosphäre super fand und auch die Region echt spannend ist“, erzählt Vinzent Dorn, Fahrer beim Team Bikeaid. Am Ende habe man sich für eine Teilnahme entschieden. „Und trotzdem hatte ich in diesem Jahr so ein bisschen ein flaues Gefühl in der Magengegend.“
Kein Wunder, denn die Tour du Rwanda findet nicht nur am Rande eines Krisengebiets statt, sondern auch in einem Land, dem von der UN vorgeworfen wird, direkt an diesem tödlichen Konflikt beteiligt zu sein. Bereits seit Jahrzehnten ist der angrenzende Osten der Demokratischen Republik Kongo umkämpft, es geht um Bodenschätze, aber auch um ethnische Konflikte. Im Januar 2025 eroberte die Rebellenmiliz M23, offenbar unterstützt von Ruanda sowie Uganda, die ostkongolesische Stadt Goma. Mehr als 3.000 Menschen sollen den Kämpfen bislang zum Opfer gefallen sein, Hunderttausende sind auf der Flucht.
Eben dort findet derzeit nun das größte Radrennen des Kontinents statt; im September soll Ruanda die Straßenrad-WM austragen – als erstes afrikanisches Land überhaupt. Die acht Rennabschnitte der Tour führen über etwa 800 Kilometer durch Ruanda, dabei kommt das Peloton dem Krisengebiet teilweise gefährlich nahe. So lag der Ziel- und Startort der dritten Etappe nur wenige Kilometer von der ostkongolesischen Grenze und somit von Goma entfernt.
Enorme Sicherheitsvorkehrungen
Partystimmung herrschte dort trotzdem, von dem Konflikt habe man nichts mitbekommen, beschreibt Dorn die Situation. Das läge zum einen an den enormen Sicherheitsvorkehrungen, zum anderen würden die Teams während der ganzen Tour du Rwanda vom politischen Geschehen abgeschirmt. Er fühle sich aber auch aus einem anderen Grund sicher: „Wenn einer weißen Person im Kontext des Rennens etwas passieren würde, hätte das drastische Folgen“, glaubt Dorn. „Ich habe eher ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken, dass mein Leben als weißer Mann aus Deutschland mehr wert ist als das Leben von den vielen Menschen hier, die in den letzten Wochen gestorben sind.“
Doch nicht alle teilen dieses Sicherheitsempfinden. So sagte das belgische Soudal-Quick-Step-Team, eines der besten Radsportteams der Welt, seine Teilnahme ab – wegen eben jener Nähe zum Krisengebiet. David Lappartient, Präsident des Radsportweltverbands UCI, hält dennoch an der Austragung der Weltmeisterschaften fest. Ruanda sei für den Tourismus und die Wirtschaft weiterhin sicher, außerdem sei der Radsport ein Botschafter für Frieden, Freundschaft sowie Solidarität, heißt es von der UCI.
Um jegliche Bedenken aus der Welt zu schaffen, besuchte Lappartient, der Ende März auch mit der Hilfe afrikanischer Stimmen zum neuen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees gewählt werden möchte, dann auch den Auftakt zur Tour du Rwanda – gemeinsam mit Staatschef Paul Kagame.
Politische Verfehlungen in den Hintergrund rücken
Dieser ist wiederum dafür bekannt, das negative Image Ruandas – Kagame werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, die Opposition wird unterdrückt – durch hochkarätige Sportveranstaltungen sowie Sponsorings aufpolieren zu wollen. Nicht nur die UCI pflegt enge Verbindungen zu dem Land, auch die Fifa, die Formel 1 sowie der FC Bayern München sind auf die eine oder andere Art geschäftlich mit Ruanda verbunden.
Die Befürchtung, instrumentalisiert zu werden, sei durchaus ein Thema im Fahrerfeld, berichtet Dorn. „Einfach, dass der Sport beziehungsweise wir als Sportler dafür benutzt werden, politische Verfehlungen in den Hintergrund zu rücken“, so der 26-Jährige, der seine zweite Tour du Rwanda fährt. „Einerseits will ich mich nicht benutzen lassen, andererseits will ich aber auch, dass der Sport im Vordergrund steht und wir damit auf bestimmte Themen aufmerksam machen können.“
Trotzdem freue sich Dorn, dass die WM an Ruanda vergeben wurde, denn das Land sei radsportverrückt – unter einer Voraussetzung: „Ich hoffe natürlich, dass Herr Lappartient den Konflikt zum Thema macht und sich dafür einsetzt, dass sich die humanitäre Lage verbessert, wenn er mit den Verantwortlichen hier spricht.“ Die Entscheidung, zur Tour du Rwanda gereist zu sein, bereut Dorn zumindest aus sportlicher Sicht nicht, denn noch liegt er im Rennen um das Bergtrikot vorne.
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