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Radlerhauptstadt Mailand

■ 500 gelbe städtische Fahrräder wurden aus pädagogischen Gründen ohne Kontrolle verliehen, und von Fahrradfans prompt geklaut und umgemalt

Rom (taz) - Giampaolo Pillitteri, seines Zeichens Bürgermeister von Mailand, hatte „eine der kühnsten Visionen, die hier jemals ein Mensch geträumt hat“: Sie sah gelb aus, hieß „Torpedo“ und lief auf zwei Rädern. „Innerhalb eines halben Jahres“, schwärmte der sozialistische Stadtvater, „wird Mailand zur Welthauptstadt des Fahrrads geword Fahrradverleih etwa in Rom oder Turin). Verkehrsreferent Attilio Schemmari sah eine „Initialzündung sondergleichen“ voraus. Tatsächlich überstieg die Initiative alle Erwartungen - kaum waren die Velocipeds freigegeben, waren sie weg. Das Problem nur: sie sind noch immer weg. Allenfalls zwei Dutzend sind wieder aufgetaucht; meist auseinandergefallen oder mit einem kräftigen Achter lädiert liegengeblieben. Bürgermeister Pillitteri schäumt: „Eine Riesensauerei“ nennt er die Klauerei, „unvorstellbar und ein Tiefpunkt unserer Gesellschaft“. Ob er seinen Mailändern noch einmal die Gunst eines solchen zukunftsweisenden Experiments zukommen läßt, weiß er derzeit noch nicht. Pillitteri–Gegner sehen die Sache eher mit Schadenfreude: Man hätte, spottet das Satireblatt Tango, „das Experiment vielleicht nicht gerade in einer sozialistisch regierten Stadt machen dürfen“ - Sozialisten gelten im italienischen Volkswitz als geborene Diebe. Doch da wehrt sich die gescholtene Partei heftig: Schließlich habe man auf dem Parteitag in Rimini vergangenen April das „Pilotexperiment Fahrrad“ gestartet, und nicht eines davon sei weggekommen. Damals freilich hatten die sozialistischen Organisatoren bei Benutzung auch den Personalausweis und eine Kaution verlangt. Man kennt ja schließlich seine Klientel.

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