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Radler wollen auf die Straße

Berlins Fahrradverkehrsnetz (1): Separate Radwege bieten nicht den Schutz, den sie vesprechen / Eigene Spuren auf der Fahrbahn sind sicherer  ■ Von Christian Arns

Schön rot sind sie ja, die Radwege, die sich an vielen Straßen Berlins entlangziehen. Doch sie geraten immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik: Als „Geldverschwendung“ bezeichnete jüngst eine Gruppe den geplanten Bau eines Radwegs in Charlottenburg. Wer dort wetterte, war keineswegs der ADAC oder die Autolobby der Christdemokraten; die AG Verkehr der Grünen/AL wandte sich vehement gegen das rote Streifchen, das Radlern meist zwischen parkenden Autos und dem Bürgersteig zugebilligt wird.

„Die sind kein Zugeständnis an die Fahrradfahrer, sondern Tribut an den immer schneller werdenden Autoverkehr“, bewertet Axel von Blomberg die klassischen Fahrradwege. Der Landesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad- Clubs (ADFC) kritisiert, daß der Radverkehr der Autos wegen von der Straße verdrängt worden sei. Den Radlern werde Sicherheit vorgegaukelt, die es in Wirklichkeit nicht gebe. Hauptursache für Unfälle mit schweren Verletzungen sei für Radfahrer noch immer der Zusammenstoß mit rechtsabbiegenden Autos. „Kein Wunder“, schimpft Blomberg, „die Fahrer sehen einen ja kaum.“ Auch sei die Farbe von der Seite schlecht zu erkennen: „Eine nasse Straße in Nähe einer Ampel wirkt nachts viel farbiger als der Radweg.“

Die Charlottenburger Grünen schätzen das genauso ein: „Ein Sicherheitsgewinn für den Radverkehr ist durch das überholte Radwegekonzept nicht zu erwarten.“ Eine mögliche Variante ist in Berlin bereits an wenigen Stellen verwirklicht, die Fahrradspur. Hauptunterschied zum Radweg ist, daß diese Spur links der parkenden Autos geführt wird, also unmittelbar neben dem fließenden Verkehr. Besonders gut ist das in Tiergarten in der Franklinstraße zwischen Gotzkowskybrücke und dem Salzufer gelungen, wo Radlern in beiden Richtungen so breite Spuren zur Verfügung stehen, daß selbst das Überholen gefahrlos möglich ist. Einen Nebenaspekt findet ADFC-Chef Blomberg daran besonders wichtig: „Wir erobern uns ein Stück der Straße zurück, schließlich sind wir überzeugt, das objektiv bessere Verkehrsmittel zu nutzen.“

Weg wollen die engagierten Radfahrer des ADFC oder der Grünen Radler aber auch von der Pflicht, Radwege benutzen zu müssen, wenn sie denn schon einmal da sind. Das vermieden die Charlottenburger Grünen auch gerne in der Knobelsdorff- und Sophie- Charlotten-Straße, wo sie langsamen Pedaleuren das vorsichtige Fahren auf dem Bürgersteig erlauben wollen: „Die schnellen Radfahrer, die sich auch auf der Fahrbahn sicher fühlen und für die Fußgänger eher eine Gefahr darstellen, müssen es jedoch nicht.“

Damit kann nach Ansicht Blombergs auch den unterschiedlichen Interessen Rechnung getragen werden. „Manche Radfahrer wollen nicht auf die Straße, gerade Ältere fühlen sich auf dem Radweg oder Bürgersteig sicherer, selbst wenn sie es nicht unbedingt sind.“ Ideal wäre demnach eine Spur auf der Straße und die Erlaubnis für langsame und vor allem vorsichtige Fahrer, auf dem Bürgersteig fahren zu können.

Nächste Folge: Der bessere Weg – Velorouten.

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