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Radio-Bremen-Talk "3nach9"Nach vier Monaten Aus für Roche

Charlotte Roche hört nach nur vier Monaten als Moderatorin von "3 nach 9" auf. Radio Bremen war wohl zu ungeduldig mit ihr – und die "Skandalnudel" zu wenig sie selbst.

Passten doch nicht zusammen: Charlotte Roche vor dem "3nach9"-Logo. Bild: dpa

BERLIN taz | In "Wahrheit oder Pflicht" ist Charlotte Roche ganz bei sich - und das nicht etwa, weil sie in der dem Partyspiel nachempfundenen Sendung mit Roger Willemsen pinkeln geht. Wer sie nach ihrem Bestseller "Feuchtgebiete" auf Körpersäfte reduziert, tut ihr sowieso unrecht. Roches große Qualität, die auch "Wahrheit oder Pflicht" auszeichnet, besteht darin, so erfrischend unbefangen und empathisch mit ihren Gästen zu interagieren, wie man es im Fernsehen nur selten gesehen hat - zuletzt leider auch von ihr selbst. Am Montag wurde bekannt, dass ihr fünfter Auftritt als Moderatorin des alteingesessenen Radio-Bremen-Stuhlkreises "3 nach 9" am Freitag schon ihr letzter gewesen ist. Als Grund gibt der Sender - wenig überraschend - "unterschiedliche Auffassungen über die Sendung" an. Über Details schweigen sich beide Seiten aus. Es ist anzunehmen, dass Roche sich auf die Unterlippe beißen muss, zu sagen gäbe es zu ihrem schnellen Abschied sicherlich eine Menge.

"Wahrheit oder Pflicht" hat es übrigens nie ins Fernsehen geschafft, zu sehen ist die Pilotfolge nur auf YouTube. Für solch ein gewagtes, belebend pubertäres Format ist offenbar kein Platz im hiesigen TV-Programm - und nach Roches Scheitern bei "3 nach 9" muss man sich schon fragen, ob das auch für sie selbst gilt.

Begonnen hat die Karriere der 31-Jährigen, wie bei vielen Kollegen ihrer Generation, beim Musikfernsehen. Mit dem Viva/Viva-2-Indiemagazin "Fast Forward" begründete sie von 1998 bis 2004 ihren Ruf als "Queen of German Pop Television" (Harald Schmidt) - von dem sie bis heute zehrt. Während es Musikfernsehkolleginnen wie Heike Makatsch und Jessica Schwarz durch einen Wechsel ins Schauspielfach gelungen ist, ihre Karriere voranzutrieben, eine auch in der Erwachsenenwelt tragende Perspektive für sich zu entwickeln, hat Roche bis heute ihre Rolle nicht gefunden. Sie will raus aus der Nische, kommt aber im Mainstream nicht an - im doppelten Wortsinn. Das Problem kennen auch viele andere frühere MTV- und Viva-Moderatoren (Mola Adebisi, Niels Ruf, Sarah Kuttner). Nicht jede Karriere hat eben eine Fortsetzung verdient - allerdings wäre es um niemanden so schade wie um Charlotte Roche. Ihr Talent ist unbestritten - übrigens auch von der "3 nach 9"-Redaktion. "Wir wollen eine andere Sichtweise, die für alle Altersgruppen spannend ist", sagte RB-Programmdirektor Dirk Hansen, als Roche im vergangenen Jahr als Komoderatorin neben Giovanni di Lorenzo und Nachfolgerin von Amelie Fried vorgestellt wurde, mit der sie nur eins gemeinsam hat: dass sie auch Bücher schreibt.

Die Entscheidung für Roche war genau bis Montag mutig - doch dann hat sich offenbart, dass der Wille zur Erneuerung nur ein Lippenbekenntnis war - wie so häufig im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Was vielen dort seltsamerweise immer noch nicht klar ist: Wer kurzfristige Erfolge erwartet, verhindert damit langfristige Entwicklungen. Und dass das gesetzte "3 nach 9"-Stammpublikum nicht auf Anhieb begeistert ist, wenn neben dem distinguierten Italiener plötzlich eine junge Frau sitzt, die es aus Illustrierten nur als "Skandalnudel" kennt, ist ja wohl wenig überraschend. Charlotte Roche spürte diese Vorbehalte und wirkte deswegen bei "3 nach 9" verkrampft, angestrengt, überangepasst. Dass sie mit gelöster Handbremse auf diesem Sendeplatz, bei diesem Publikum kaum besser angekommen wäre, ist die Tragik dieser Personalie. Charlotte Roche hat verloren. Sie konnte gar nicht gewinnen. Es ist ein Jammer.

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24 Kommentare

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  • MT
    Michael Tenhagen

    Ich finde es äußerst interessant, dass, sobald von Charlotte Roche die Rede ist, immer die gleichen Adjektive gehäuft auftreten:

     

    Erfrischend, frisch, quieklebendig, unbefangen, anders, unverblümt, unkonventionell, nonkonformistisch, frech...usw.

     

    Wieso nur wirkt sie auf mich eher berechnend, selbstverliebt und angepasst? Erkennen ihre Fans etwa nicht, dass ihr Getue einfach nur eine Masche ist, um Geld zu verdienen?

     

    Ihre Art zu moderieren oder zu interviewen erfordert keinerlei Intellekt, sondern einzig und allein eine unendliche Selbstverliebtheit, die sie dazu bringt, jeden Blödsinn, der ihr durch den Kopf geht, herauszuposaunen, und ihre Fans beklatschen diesen geistigen Abfall auch noch als Ausdruck von Nonkonformismus.

     

    Angepasst ist sie deswegen, weil sie zwar vielleicht auf manche Spiesser vom Lande wirken mag, wie eine total hippe Checkerin, aber jeder, der schon mal in einer größeren Stadt gelebt hat, weiss, dass in den entsprechenden Szenevierteln fast *alle* jungen Frauen so aussehen wie Charlotte, sich so kleiden wie Charlotte, und auch die gleichen wirren Sachen im Kopf haben wie Charlotte. Sie ist also beleibe kein "Original".

     

    Ich finde weniger die Person Charlotte Roche kritikwürdig, als ihre vergötterung durch die Roche-Apologeten. Wie bräsig muss man sein, um an Charlotte etwas "frisches" und "unkonventionelles" erkennen zu meinen?

  • H
    heine

    gruß von der ganzen familie fr. roche. mir war irgendwie klar, daß die altehrwürdigen herren des öffentlich-rechtlichen funks sie bald rausschmeißen. bei pro 7 wars natürlich auch nichts anderes. sie waren für mich als moderatorin eine ausnahmeerscheinung. ich hoffe sie finden eine neue anstellung. das talkshowformat an sich ist auf einem absteigenden ast. wenn man seine eitelheiten gegeneinander pflegt, dann bitte auch ohne scheu und drohkulissen profilsüchtiger fernsehbosse oder rundfunkratschefs oder sonstwem...

  • M
    Marie

    Och ...wie SCHADE ist das denn? 3 nach 9 fing gerade ein bisserl an , wieder Spass zu machen . Ich mag Frau Roche (fand aber ihr "skandalöses" Buch langweilig..) und bedauere es das so ne taffe Frau einfach gehen muss ...

  • K
    kuba

    Ich fand sie überraschent frisch und lebendig.

     

    Ich habe nur eine dieser Sendungen gesehen undich war überrascht, welche lebendige Fragen Sie einbrachte und dachte noch 3 x 9 musst du öffters einschalten. Nun ist wieder nix.

  • LV
    Lothar von der Ems

    Es gibt doch noch einen lieben Gott.

  • B
    BEA

    Man soll den Klang der Stimme nicht unterschätzen. Roche hat eine Piepsstimme, fast so schlimm wie Anett Louisan. Grauenhaft. Charlotte ist nicht unersetzbar. Froschquaken ist schöner.

  • E
    Elsa

    An Giovanni di Lorenzos Seite gehört keine junge Frau, sondern eine gestandene ältere Journalistin vom Format einer Juliane Bartel. Gabriele von Arnim wäre ein geeigneter Gegenpart mit Standvermögen, Thea Dorn könnte das auch. Eine junge Frau an di Lorenzos Seite geht gar nicht - er packt das nicht mehr, sie erträgt es nicht. Aber warum eigentlich nicht den drögen männlichen Moderator endlich austauschen, anstatt am vermeintlichen weiblichen Besetzungsproblem herumzudoktern? Warum meint die Redaktion, diesem Mann dauernd neue Frauen servieren zu müssen?

  • T
    Thomas

    @Hildegard Cissée:

     

    das alte Niveau findet sich doch nur in den sehr alten Sendungen, die es bei 3nach9 Classics zu sehen gibt. Neben dem spießigen und vorlauten di Lorenzo war gerade Charlotte Roche jemand, der den Interviews endlich mal wieder eine neue Qualität von Offenheit und Frische beibrachte. Wirklich peinlich und schwer erträglich sind meiner Meinung nach eher die Sendungen von Kerner, Beckmann und Anne Will.

  • GT
    Golan Trevize

    Kuttner ist als Autorin mit großem Erfolg im Mainstream angekommen. Ruf ist trotz einiger Absetzungen auch noch nicht so verbrand wie die anderen die man sich bemüht hat aufzuzählen um Frau Roche aufzuwerten. Für den "Mainstream" sind die jedenfalls alle tauglicher als es die unprofessionelle Roche. Ich mag sie zwar aber Sie hat sich noch nie als anpassungsfähig genug gezeigt um dauerhaft irgendwo haften zu bleiben. Schade.

  • P
    prest

    Nicht so schlimm, gibt ja noch andere Viva Sternchen die auch naiv dahermoderieren.

  • P
    Peter

    Ich habe an Frau Roche (bei dem Wenigen, das ich gesehen habe) nichts zu kritisieren - außer mangelndem Realitätssinn: Mit so einer nervenden Quäkstimme (für die sie nichts kann!) sollte man nicht versuchen, in einem Medium zu reüssieren, in dem es nun mal auf Stimme ankommt.

  • AA
    Anne Andres, Potsdam

    Unterschiedliche Auffassungen über eine Sendung sind doch bei so einem Zuschauerspektrum doch vollkommen normal. Ich fand die quieklebendige Charlotte Roche an der Seite von Giovanni di Lorenzo gerade durch ihre gegensätzige Art sehr erfrischend. Wie konnte Radio Bremen nur so ungeduldig diese intelligente Fröhlichkeit vom Sender nehmen?

  • R
    Raabe

    Schade, schade, die letzte Sendung war doch nur erträglich wegen ihr. Man muss eben auch gute und interessante Gäste einladen. Was war das lustig, wie sie sich so schön angelegt hat mit dieser Adeligen, die damit gedroht hat, nie mehr zu kommen. Wie sie den etwas irritierten Freiherr Knigge mit Knick Knack Knigge begrüßt hat, Max Raabe gefragt hat, ob er näher am Gemüse ist, weil er auf einem Bauernhof groß wurde (der hat den Spaß wenigstens verstanden) oder Karl Moik...äh..weiß ich nicht mehr, es gibt Gäste, denen kann man keine neuen Fragen mehr stellen.

    Ich schätze, sie hat sich einfach gelangweilt und dann wollte sie alles ein bißchen aufheitern und das hat den Herrn nicht gepasst. Am Anfang hat man ihr wohl noch als Einstand Leute wie Bela B., Sting oder Kitty, Daisy & Lewis eingeladen, das wird mal in den 3 nach 9 Classics in 20 Jahren laufen und dann wird man merken, was man an ihr hatte oder hätte haben können nach ein paar Monaten und Jahren.

  • T
    TVJunkie

    Warum ist es um C. Roche im Vergleich zu Mola Adebisi, Niels Ruf, Sarah Kuttner "besonders schade"?

     

    Leider gilt für alle vier, dass ihnen nach der Viva Zeit breite Publikumserfolge versagt blieben. Wenn Serien wie "Herzog" nach wenigen Folgen abgesetzt werden (und nicht mal die produzierten Folgen ausgestrahtl werden), sagt das aber mehr über die Sender als über die Darsteller aus. "Vorwerfen"(wenn überhaupt etwas) kann man den vier höchstens, dass sie sich von den Sendern in mehr oder weniger "experimentellen" Formaten verstecken lassen, die eigentlich gar nicht zum Erfolgt geführt werden sollen.

    Naja, solange die vier nicht beim "Perfekten Promi Dinner" auftauchen, habe ich noch Hoffnung :-)

  • WH
    Wolfgang Hanspach

    gerade auch in der rolle der sich zurücknehmenden Charlotte wAR SIE FÜR MICH REIZVOLL. Unter dem gesprochenen braven Wort schien ja flimmernd etwas von ihrer eigenart durch. Und hätte man sie gelassen ware die ihr eigene Art wahrscheinlich irgendwann mehr und mehr in den vordergrund getreten. Aber vielleicht haben genau das die (un-)verantwortlich hat geahnt. warum sie das nicht wollten - schwer zu verstehen .Überraschend war in diesem Fall die Redaktion (weniger Charlotte Roche). Leider war es für mich eine Überraschung der Kategorie Schock.

    Wolfgang

  • A
    Andi

    Jammerschade, fand sie sehr belebend für die Sendung

  • T
    Tiff

    Ein interessanter Kommentar. Wenn nur nicht immer diese semantischen Ungenauigkeiten in der taz wären. "Körpersäfte" ist nicht synonym zu "Körperflüssigkeiten", auch wenn es sich vielleicht schöner anhört.

  • P
    PuuhBaerFfm

    Schade ist es nicht, wenn sie nun geht. Als "flippige" Interviewerin von Hitparadensternchen war sie sehr nett und niedlich, bei 3nach9 war sie die totale Fehlbesetzung.

     

    Aber auch Giovanni di Lorenzo ist mittlerweile unerträglich geworden. Es gibt nicht eines, aber wirklich kein einziges Interview, bei dem er seinem Gespächspartner nicht ins Wort fällt. KEIN einzier gast konnte am 15. Januar auch nur eine komplette Antwort formulieren, ohne dass Herr di Lorenzo selbigen mit einer unnötigen, mehrmals sogar unhöflichen Bemerkung unterbrach.

     

    Radio Bremen sollte doch einmal darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll ist, gleich beide Moderatoren auszutauschen.

  • R
    Ragism

    Ja, so eine hat keine Chance im gutbürgerlichen Deutschland. Wir vertragen hier nur Moderatoren wie Pilawa, Pflaume, Wickert.

     

    Für mich ist sie keine Skandalnudel. Sie sagt, was sie denkt. Und meistens liegt sie damit gar nicht so falsch. Sehr viel dümmlicher erscheinen mir die Leute, die "Feuchtgebiete" nicht verstanden haben und eine engagierte und ausgefallene Person des öffentlichen Lebens mit ihrer von Langweiligkeit triefenden Verachtung strafen.

  • K
    Kristin

    Wenn der Trennungsgrund wirklich nur mit der Redaktion zu tun hat, dann sollte man einfach die Redaktion neu besetzen. Charlotte hat das sehr gut gemacht. Wegen ihr bin ich an den 3 nach 9 Freitagen immer schön zu Hause geblieben. Aber vielleicht will der NDR seine heißgeliebten CDU-Wähler nicht verprellen. Und ich liege mit meinen 25 Jahren Lebenszeit 50 Jahre unter dem Zuschaueraltersdurchschnitt.

    Es ist ein Jammer. Der NDR macht einen Fehler.

  • H
    hessebub

    Zum biederen Giovanni hat sie eh' nicht gepasst. Die Frau funktioniert nur mit eigener Sendung. Ob man ihre Mischung aus Unkonventionellem und Naivität mag, bleibt Geschmacksache.

  • AS
    adam smith

    Sehr bedauerlich für mich als bekennenden Roche-Fan. Ich fand, sie war in 3nach9 sehr erfrischend, auch wenn sie sich stark zurücknehmen musste. Jetzt hoffe ich, dass es neue, kongeniale Formate für sie geben wird.

  • D
    Daniel

    Schade, die Folgen mit Charlotte waren die einzigen von 3nach9, die ich jemals gesehen habe... und werden es wohl auch bleiben.

  • HC
    Hildegard Cissée

    Charlotte Roche war von Anfang an eine Fehlbesetzung. Gott sei Dank ist das nun zu Ende, es war nur noch zum Abschalten. Man kann nur hoffen, dass die Sendung 3 nach 9 bald wieder das Niveau erreicht, das sie einmal hatte. Es war nur noch peinlich, und das hat man nicht nur Giovanni di Lorenzo angesehen.