„Auch Sabotage ist friedlich“
Sind Aktionen des zivilen Ungehorsams, wie sie Extinction Rebellion derzeit in Berlin durchführt, wirkungslos? Muss die Klimabewegung radikaler vorgehen? Ein Streitgespräch zwischen Annemarie Botzki und Tadzio Müller
Interview Erik Peter
und Timm Kühn
Im Monbijoupark, der von der Klimabewegung am Montag besetzt wurde, wimmelt es von Aktivist:innen. Einige haben sich in Bäumen verschanzt, andere liefern sich mit der Polizei Katz-und-Maus-Spiele und versuchen eine Räumung zu verhindern. Sprechchöre hallen durch den Park, die Stimmung ist aufgeladen – aber friedlich. Auf einer Decke Platz genommen haben Annemarie Botzki, eine der Organisatorinnen der Klimaaktionswoche „August Rise Up“ von Extinction Rebellion (XR), und der Klimaaktivist Tadzio Müller.
taz: Frau Botzki, zum Auftakt der Aktionswoche wurde zuerst der Platz des 18. März besetzt; jetzt versuchen Sie den Monbijoupark als Camp für die ganze Woche durchzusetzen. Wie zufrieden sind Sie bis dato?
Annemarie Botzki: Es ist krass, mit was für einem Polizeiaufgebot wir konfrontiert sind. Am Brandenburger Tor wäre die Blockade spektakulärer ausgefallen, wenn nicht so viel unseres Materials konfisziert worden wäre. Unter den Umständen bin ich zufrieden, was wir daraus gemacht haben. Wir haben den Verkehr blockiert und konnten ein erstes Zeichen setzen, dass wir sechs Wochen vor der Wahl wieder hier in Berlin bei den Regierenden sind.
Herr Müller, sind Sie beeindruckt?
Tadzio Müller: Wenn man im Verkehrsbericht mehr über eine Blockade hört als in den Nachrichten, dann ist das zumindest ein taktischer Erfolg. Das kann man XR zugute halten, auch weil man, wenn man im Zentrum der Stadt agiert, stärkerer Repression ausgesetzt ist und Polizist*innen mehr als auf dem Land bei „Ende Gelände“-Aktionen in die Blockadefreiheit eingreifen. Man muss sich aber die Frage stellen: Was ist der Nutzen dieser Blockaden? Irgendwann werden diese Aktionen in die öffentliche Wahrnehmung eingepreist. Dann hört man eben nichts mehr darüber im Nachrichtenteil. Auch Ende Gelände zuletzt in Brunsbüttel und Fridays for Future im Frankfurter Bankenviertel hatten keine große Aufmerksamkeit. Wie oft kann man also eine Cola-Flasche schütteln, sodass sie noch überschäumt?
Botzki: Wenn man unsere Aktion multipliziert, wenn sich noch viel mehr Menschen beteiligen würden, wäre es auch noch mal medial einschlagender. Erst mal aber ist es gut, dass wir nach Corona überhaupt wieder mit mehr als 1.000 Menschen bundesweit hier auf den Straßen sind. Man muss nicht die ganze Aktionsform anzweifeln.
Müller: Die andere wichtige Frage ist doch aber: Inwiefern ist dieses Modell, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, die dann zu einer Politikveränderung führt, noch erfolgreich? Die Kohle-Kommission der Bundesregierung, die einen Ausstieg erst für 2038 plant, hat doch gezeigt, dass das politische System dagegen resistent ist, wenn es um Fragen von fossilen Brennstoffen geht. Wir sehen, dass im Grunde Politik und Wirtschaft nicht in der Lage sind, die Transformation einzuleiten. Auf der einen Seite haben wir, gerade nach dem jüngsten Bericht des Weltklimarates IPCC, dem Absaufen Westdeutschlands und unseren brennenden „Urlaubsländern“, eine verschärfte Krisenwahrnehmung. Auf der anderen Seite sind unsere Aktionen des zivilen Ungehorsams, das Einsetzen unserer Körper, Business as usual.
Was verstehen Sie unter zivilem Ungehorsam?
Botzki: Es geht um Regelüberschreitung. Wir als XR orientieren uns dabei daran, was in der Öffentlichkeit gerade noch als legitim angesehen wird. Bei uns bedeutet das Straßenblockaden, nicht angemeldete Versammlungen. Aber niedrigschwellig, sodass auch Familien dazukommen können. Parallel dazu machen wir aber auch kleinere, weniger inklusive Aktionen, wie vor einem Jahr die Bürobesetzungen beim Deutschen Braunkohlen-Industrie-Verein. Dabei ist der Aktionskonsens, dass wir gewaltfrei sind, also auch keine Sachgegenstände beschädigen, obwohl das eine Grauzone ist.
Müller: Die alte Frage ist: Kann man gegenüber Dingen gewalttätig sein? Der Liberalismus würde sagen Ja. Kritische Ansätze würden sagen, das Eigentum an Produktionsmitteln oder fossilen Brennstoffen stellt eine Form struktureller Gewalt dar. In der Abwägung von Rechtsgütern scheint es mir legitim, wenn Menschen mit ihren bloßen Körpern Teile der fossilen Infrastruktur kaputtmachen. Friedlich ist die Sabotage deshalb, weil keine Menschen zu Schaden kommen. Klar, XR lebt davon, Blockaden anschlussfähig zu machen. Andere, wie etwa Ende Gelände sind da eventuell mehr in der Pflicht. Es gibt bereits Akteure der Klimabewegung, die über zivilen Ungehorsam plus oder friedliche Sabotage reden, auch wenn sie es noch nicht ankündigen. Aber diese Aktionen werden kommen.