Radikale Bargeldreform in Indien: Banknoten über 1,36 Euro wertlos
Die indische Regierung zwingt das Land auf den Weg zur bargeldlosen Gesellschaft. Das soll die Schattenwirtschaft eindämmen.
„Um uns aus dem Griff von Korruption und Schwarzgeld zu befreien, haben wir entschieden, dass die aktuellen 500- und 1000-Rupien-Noten nicht mehr gültig sind“, sagte Modi. Ein 1000-Rupien-Schein, bisher die größte Banknote im Land, ist gerade einmal 13,60 Euro wert. Schon um Mitternacht sollte er nichts mehr wert sein. Die größte legale Banknote im Land ist nun der 100-Rupien-Schein – rund 1,36 Euro.
Schon kurz nach Modis Ansprache bildeten sich lange Schlangen vor den Geldautomaten, die aber entweder gar kein Geld mehr oder nur noch minimale Beträge ausspuckten. Am Mittwochmorgen stauten sich die Autos vor den staatlichen Tankstellen und Apotheken, die zu den wenigen Stellen gehörten, die ein paar Tage lang noch große Scheine annehmen durften. Den meisten von ihnen ging bereits am frühen Morgen das Wechselgeld aus, was häufig zu lautstarken Auseinandersetzungen führte. Kleinere Geschäfte und Straßenhändler hatten sichtlich weniger Kunden – was angesichts fehlender Geräte für bargeldlose Zahlung auch vorerst so bleiben dürfte.
Noch bis zum 30. Dezember haben Bargeldbesitzer nun Zeit, ihr Geld zur Bank zu bringen oder gegen neu entwickelte Banknoten im Wert von 500 oder 2000 Rupien zu tauschen, die die indische Notenbank RBI ab Donnerstag versprochen hat. Bargeld soll jedoch auch danach knapp bleiben: Gerade einmal 4000 Rupien (54 Euro) dürfen direkt getauscht werden, der Rest muss auf ein indisches Konto eingezahlt werden. Anschließend bleiben Abhebungen an Geldautomaten auf 4000 Rupien pro Tag limitiert, wer direkt in die Filiale geht, darf pro Woche zunächst nicht mehr als 20.000 Rupien abheben.
Die ohne Bankkonto sind besonders getroffen
„Eine ganze Währung so auszutauschen wird die Wirtschaft kurzfristig bremsen“, schreibt Fondsmanager Sandip Sabharwal auf Twitter. „Aber dafür werden die Bankeinlagen sprunghaft steigen und die Zinsen spürbar sinken.“ Die indische Regierung erhofft sich durch den Zwang zum papierlosen Geld vor allem ein Ende der Schattenwirtschaft, die verschiedenen Schätzungen zufolge ein Fünftel bis ein Viertel der indischen Wirtschaftskraft ausmacht.
Besonders schmerzhaft dürfte die Umstellung für diejenigen werden, die kein Bankkonto haben. Laut Weltbank waren das im Jahr 2014 fast die Hälfte aller Inder. „Indien bleibt eine auf Bargeld basierende Wirtschaft“, beginnt selbst die indische Notenbank ihre Erklärung zur Aktion.
Nur 2,89 Prozent der Inder sollen Einkommensteuer zahlen
Zu denen, die kein indisches Konto haben, gehören auch Touristen. „Für die kommenden Tage ist in ganz Indien mit erheblichen Engpässen bei der Bargeldversorgung zu rechnen“, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin. Indien-Reisende wurden aufgefordert, dies bei ihren Planungen unbedingt zu beachten. Bargeldloser Zahlungsverkehr sowie die Nutzung internationaler Kreditkarten sollen zwar möglich bleiben. Letztere werden in Indien jedoch etwa in Hotels oder Restaurants häufig nicht akzeptiert.
Das Auswärtige Amt verwies auch auf eine Zusicherung der indischen Regierung, wonach Touristen bis einschließlich Freitag weiterhin bei der Ein- und Ausreise an internationalen Flughäfen Geld umtauschen können. Dies gilt allerdings nur bis zu einem Höchstbetrag von 5000 Rupien – weniger als 70 Euro.
In Indien sind Schwarzgeld und Korruption weit verbreitet. Offizielle Schätzungen gehen davon aus, dass nur 2,89 Prozent aller Inder überhaupt Einkommensteuer zahlen. Selbst Immobiliengeschäfte werden häufig bar abgewickelt, um Steuern zu vermeiden. Rechtschaffene Bürger hätten nichts zu befürchten, sagte nun Finanzminister Arun Jaitley. Wer aber über Schwarzgeld verfüge, werde nach dessen Herkunft befragt werden und wer Geld aus Verbrechen besitze, der habe nun „ein ernsthaftes Problem“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos