piwik no script img

RadfahrenAutofahrer sollen spuren

Zu viele PS-starke Verkehrsteilnehmer missachten die für den Radverkehr reservierten Spuren.

Zurück auf den Gehweg wollen die Radlobbyisten natürlich niemanden schicken. Bild: DPA

Berlins Radstreifen haben ein Autoproblem: Überall in der Stadt und zu jeder Tageszeit stehen Kraftfahrzeuge auf den Spuren mit dem Fahrrad-Piktogramm herum. Das belegt die Auswertung der Kampagne „Radspuren frei“, mit welcher der Umweltverband BUND und der Fahrradclub ADFC zwischen März und Juni auf die Problematik aufmerksam machten. Im Rahmen der dreimonatigen Aktion konnte man zugeparkte Spuren melden. Nun gibt es Zahlen: Am meisten betroffen von Falschparkern sind demnach Kreuzberg und Charlottenburg.

Die Rechtslage ist eindeutig, aber nicht unkompliziert: Während Radfahrstreifen mit durchgezogener Linie für Autofahrer tabu sind, dürften sie auf einem sogenannten Schutzstreifen (gestrichelte Linie) kurz stehen bleiben. In der Praxis ist das aber fast nie der Fall, denn entweder stehen hier auch noch Halteverbotsschilder oder es gibt einen Parkstreifen rechts neben der Spur – und in zweiter Reihe halten ist sowieso verboten. Freilich gibt es Ausnahmen, etwa für Polizeistreifen oder Taxen, die einen Fahrgast absetzen.

Laut Tilo Schütz, Radverkehrsexperte des BUND, gingen rund 2.000 Meldungen engagierter Radler bei den beiden Organisationen ein. Gemeldet haben sie exakt 5.964 einzelne Blockaden durch Kraftfahrzeuge, verteilt auf 138 von insgesamt 259 Radstreifen in Berlin.

Dass diese Statistik nicht ganz repräsentativ ist, geben BUND und ADFC offen zu, schließlich stand es jedem frei, sich zu beteiligen oder nicht. Das könnte so manche Auffälligkeit erklären: Im Pankow etwa, zumal im Ortsteil Prenzlauer Berg, sind nachweislich viele Radler unterwegs, von dort kamen aber nur 7 Prozent der Meldungen – bei 40 Prozent aus Charlottenburg-Wilmersdorf, 31 Prozent aus Friedrichshain-Kreuzberg und 16 Prozent aus Mitte. Möglicherweise liegt es daran, dass Charlottenburg-Wilmersdorf eine Hochburg des ADFC ist.

Am engsten scheint es auf der Schlesischen Straße in Kreuzberg zuzugehen – oder dort sind die kritischsten Radfahrer unterwegs. Die Statistik verzeichnet jedenfalls 671 Blockaden. Mit 623 Radspur-Parkern folgt die Franklinstraße in Charlottenburg. Die Ursachen sind dabei ganz unterschiedlich: Während auf der Schlesischen Straße vor allem Taxifahrer Probleme bereiten, die außerhalb der vorgesehenen Stände auf Kunden warten, blockieren den Radstreifen in der Franklinstraße häufig Großtransporter, die Fahrzeuge für eines der dort ansässigen Autohäuser anliefern. In der Schlüterstraße mit ihrer kleinteiligen Geschäftsstruktur sind es dagegen fast ausschließlich private Pkws, deren Fahrer „nur mal eben“ in den Laden springen.

Besonders problematisch ist das alles, weil BUND und ADFC seit vielen Jahren und durchaus mit Erfolg die Bevorzugung von Radstreifen gegenüber den als unsicher geltenden Bürgersteig-Radwegen fordern. Dieses Argument machen die Falschparker zunichte: Mit jedem Ausweichen auf die Autospur steigt für Radfahrer wieder das Unfallrisiko.

Zurück auf den Gehweg wollen die Radlobbyisten natürlich niemanden schicken – deshalb bieten sie Lösungsvorschläge an. Verstärkte Kontrollen durchs Ordnungsamt fordert ADFC-Landeschefin Eva-Maria Scheel: „Die Einnahmen aus den Bußgeldern sollten direkt den Bezirken zufließen, damit die Ordnungsämter endlich ausreichend Personal erhalten.“ Auch die neue Fahrradstaffel der Polizei würde Scheel gerne noch häufiger sehen. Weitere Rezepte sind Kurzzeitparkplätze sowie Lieferzonen, wie sie demnächst in der Neuköllner Karl-Marx-Straße sowie der Warschauer Straße in Friedrichshain entstehen sollen.

Bleibt abzuwarten, was die Berliner Verwaltung aus all dem macht. „Noch haben wir keine Resonanz“, so Tilo Schütz.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • In diesem gut geschriebenen Bericht ist von Radstreifen und von Polizeistreifen die Rede. Dazu eine Verständnisfrage: Gibt es separate Polizeistreifen, oder ist damit etwas völlig anderes gemeint?