Radfahren in Nigeria: Nachts ohne Licht und Gullys

Nigerias Megacity Lagos versinkt im Verkehrschaos. Der Umstieg aufs Fahrrad könnte helfen. Dem stehen einige Tücken entgegen – und ein Imageproblem.

ein Mann repariert ein Fahrräder

Godfrey Angya verkauft seit Jahren gebrauchte Fahrräder Foto: Katrin Gänsler

LAGOS taz | In Ikoyi, einem der besonders teuren Wohn- und Geschäftsviertel von Lagos, hat Godfrey Angya ein kleines Unternehmen aufgebaut. Das Geschäft liegt unter freiem Himmel an der Bayo Kuku Road Ecke Gerrard Road und besteht aus einem guten Dutzend Fahrrädern in allen Größen, die er an einem Zaun aufgereiht hat.

Zudem bietet er Ersatzteile an und führt Reparatur- und Wartungsarbeiten durch. „Fahrräder waren schon immer meine Leidenschaft“, sagt der 44-Jährige, der ursprünglich aus dem Bundesstaat Benue im Zentrum des Landes stammt. Lange musste er auf ein eigenes Rad verzichten. Seine Mutter hatte nicht genügend Geld dafür. Ein geschenktes Fahrrad durfte er nicht annehmen. Erst als er nach Lagos, mit 21 Millionen EinwohnerInnen die größte Stadt des Landes zog, konnte er sich sein erstes Rad leisten.

Daraus hat Godfrey Angya vor mehr als zehn Jahren ein Geschäft gemacht. Er verkaufte das Rad einem Freund, kaufte sich ein neues. Neben dem Handel mit gebrauchten Rädern entstand ein Verleih. Angya muss immer wieder gegen den Autolärm ansprechen.

Entweder wird gehupt oder ordentlich aufs Gas gedrückt, falls sich auf der viel befahrenen Gerrard Road tatsächlich eine Lücke auftut. Das könnte anders werden, wenn in der Megacity Lagos viel mehr Menschen aufs Fahrrad umstiegen. Mit seinem kleinen Unternehmen will Godfrey Angya dazu einen Beitrag leisten.

Radeln gilt als hochgefährlich

Es gibt keine Zahlen, wie viele Menschen in Lagos Fahrrad fahren oder sich vorstellen könnten umzusteigen. Radfahrer sind noch immer eine Seltenheit im Stadtbild, gilt das Radeln hier doch als umständlich – und hochgefährlich: Es gibt kein Radwegenetz, die Abwasserkanäle sind nicht abgedeckt, der Verkehr ist verglichen mit Europa aggressiv.

Gleichzeitig braucht die City dringend und schnell Alternativen, sagt Olamide Udoma Ejorh von der Organisation Entwicklungsinitiative für Lagos (LUDI): „Mobilität ist für alle, egal ob superreich oder Geringverdiener, eine große Herausforderung. Die Staus sind ein riesiges Problem.“

Wer Pech hat, braucht in Lagos für wenige Kilometer mehrere Stunden. Alternativen wie Schienenverkehr oder Fähren gibt es nicht. Bisher konnte man Staus mitunter auf einem Okada, einem Moped-Taxi, umfahren. Zum 1. Februar hat die Landesregierung diese jedoch von den Hauptverkehrsstraßen verbannt – sie galten zwar als das schnellste Verkehrsmittel im Land, aber auch als das gefährlichste.

In einigen Vierteln dürfen sie schon länger nicht mehr genutzt werden. Betroffen sind auch Unternehmen wie Gokada und ORide, die 2019 in Lagos populär geworden sind. Die Taxen ließen sich per App bestellen, der Fahrer brachte einen Helm mit, der Preis musste nicht langwierig ausgehandelt werden.

Mopeds verlieren Bedeutung

In einem öffentlichen Transportsystem, das nach Einschätzung von Olamide Udoma Ejorh zuverlässig und bezahlbar sein muss, dürften die Mopeds künftig aber an Bedeutung verlieren. Mehr Raum für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen zu schaffen, ist deshalb umso wichtiger.

„Wir müssen dafür nicht die komplette Infrastruktur ändern, Hindernisse müssen aber verschwinden: Gibt es abends genügend Licht? Sind Gullys abdeckt?“ Das Verkehrsministerium hat zwar 2018 einen Strategieplan für den nicht motorisierten Verkehr veröffentlicht. „Doch das reicht nicht aus. Es braucht auch Lobbyarbeit“, erklärt die Mobilitätsexpertin Ejorh.

Darum bemühen sich seit dem vergangenen Jahr die drei Jungunternehmer von Awa Bike, Damilola Olugbemi, Ifeoluwa Ogundipe und Ibukun Tunde-Oni. Ihre leuchtend grünen Räder fallen schon von Weitem auf. Für die Mieträder, die ebenfalls per App und Kundenkonto verliehen werden, gibt es in Lagos derzeit drei Standorte mit gut 200 Rädern.

Noch werden sie ausschließlich auf zwei Hochschul-Standorten und einer Siedlung genutzt. Der Vorteil: So können sie leichter zeitnah gewartet und zur Leihstation gebracht werden. Ziel ist es aber, dass die Fahrräder künftig nicht nur in der ganzen City, sondern auch in anderen Städten Nigerias verliehen werden. Ibukun Tunde-Oni, der eigentlich Arzt ist, geht es dabei nicht nur um bessere Mobilität: „Wir müssen auch über den Klimawandel und Gesundheit sprechen.“

Alle Welt fährt Rad. In Nigeria gibt es allerdings auch noch ein Imageproblem, sagt Tunde-Oni. Dort gilt das Auto als Statussymbol. Wer sich das nicht leisten kann, hat zumindest ein Moped. Doch ständig steigende Kosten könnten das neben dem Verkehrschaos ändern. Werbung in sozialen Netzwerken und Radtouren oder Lernkurse für Einsteiger seien jetzt wichtig, sagt Tunde-Oni. Alles solle den Lagosians vermitteln: Fahrradfahren ist cool, meint Tunde-Obi, „unsere Fahrräder sind cool“.

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