Rache für Massaker in Afghanistan: Regierungsmitglieder beschossen
Angriff auf hochrangige Delegation bei Besuch der Betroffenen des Massakers. Erster größerer Protest nach dem Amoklauf bleibt friedlich. Taliban drohen mit Enthauptungen.
BERLIN taz | Eine hochrangige Regierungsdelegation ist am Dienstag bei Ermittlungen im südafghanischen Distrikt Pandschwaji unter Beschuss geraten. Sonntag früh hatte dort ein US-Soldat bei einem Amoklauf 16 Zivilisten getötet. Die Delegation traf sich laut dem afghanischen Sender Tolo TV in einer Moschee mit Dorfbewohnern, als Unbekannte draußen das Feuer eröffneten. Dabei starb ein wachhabender afghanischer Soldat, drei weitere Personen wurden verletzt, wie Tolo TV unter Berufung auf Augenzeugen auf seiner Webseite meldete. Zur Delegation gehörten zwei Brüder von Präsident Hamid Karsai, die in der Provinz Kandahar politische Ämter haben, sowie der Provinzgouverneur und ein Minister aus Kabul. Die Schützen konnten unerkannt entkommen.
Am Morgen hatten in Dschalalabad, Hauptstadt der östlichen Provinz Nangarhar, mehrere hundert Studenten friedlich gegen das US-Militär protestiert. Berichten zufolge riefen sie „Tod den USA“ und verbrannten eine Puppe, die US-Präsident Barack Obama darstellte.
Propaganda der Taliban
In der Hauptstadt Kabul blieben laut Tolo TV aus Protest gegen das Massaker den zweiten Tag Parlamentsabgeordnete den Sitzungen fern.
Die aufständischen Taliban versuchten weiter, die Bluttat propagandistisch auszuschlachten. In einer im Internet verbreiteten Erklärung behaupteten sie, die Tat sei nicht die eines verwirrten Einzelnen gewesen, sondern von einer Gruppe geplant und durchgeführt worden, die dabei auch Luftunterstützung gehabt habe.
Zugleich drohten die Taliban: „Mit der Hilfe Allahs des Allmächtigen werden wir die Köpfe eurer mörderischen sadistischen Truppen abschneiden und in jedem Winkel des Landes Rache nehmen für den Märtyrertod jedes einzelnen Afghanen.“
Scharfschütze und dreifacher Vater
In den USA wurden unterdessen Details über den Täter bekannt. Der 38-jährige Vater dreier Kinder soll als ausgebildeter Scharfschütze bereits dreimal im Irak im Einsatz gewesen sein. Dabei zog er sich bei einem Autounfall eine Hirnverletzung zu, wie der Sender CNN berichtete.
John Allen, der Nato-Oberbefehlshaber in Afghanistan, sagte dem Sender, ein afghanischer Wächter habe das Verschwinden des Soldaten aus seinem Stützpunkt bemerkt. Darauf sei ein Suchtrupp losgeschickt worden, der dann auch erste Ermittlungen am Tatort aufnahm.
Verteidigungsminister Leon Panetta sagte gegenüber Journalisten, er schließe im Falle eines Prozesses die Todesstrafe für dem Amokläufer nicht aus.
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