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RUNDER TISCH: KANZLER ERÖFFNET FALSCHE BAUSTELLE GEGEN GEWALTGut gemeint, schlicht gedacht

Bundesregierung und Fernsehanstalten, die tun was – gegen Gewalt, für das Seelenheil unserer Kinder, für den Frieden im Land. Jetzt haben sie sich mit Kanzler Schröder auf die Gründung eines runden Tisches gegen Gewalt im Fernsehen geeinigt. Er soll einen Kodex für den künftigen Umgang mit Gewaltdarstellungen vorlegen. So weit. So fad.

In diesen Tagen wird schneller geheuchelt, als man denken kann. Natürlich wissen die Beteiligten, dass diese vom Kanzler gewünschte Veranstaltung nichts als populistische Augenwischerei ist. Sie wird ohne Konsequenzen und ohne Resultate bleiben.

Zur Erinnerung: Schon 1993, als in Liverpool zwei Elfjährige ein zweijähriges Kind ermordet hatten, wurde eine Zurückhaltung bei Gewaltdarstellungen diskutiert. Fernsehanstalten versprachen Besserung und weniger Leichen und Blut pro Tag. Das mussten sie tun, schließlich hatten sich die kleinen Killer bei ihrer Tat an ihrem Lieblingshorrorvideo „Child Play 3“ orientiert. Diese absurde Diskussion verlief glücklicherweise recht schnell im Sand. Und so hat sich bis heute nichts am Gewaltlevel blutiger White-Trash-Filme auf RTL 2 geändert. Das ist in Ordnung. Kann man sich gute, spannende Romane, Theaterstücke, Film ohne Sex, Schmutz und Gewalt vorstellen?

Mit dem runden Tisch hat der Kanzler ganz offensichtlich die falsche Baustelle eröffnet. Er wird damit weder einen Amoklauf verhindern, noch die Zahl der Gewaltdelikte vermindern. In Deutschland sinkt die Zahl der Gewaltdelikte seit Jahren vor allem deshalb, weil der Anteil junger Männer an der Gesamtbevölkerung geringer wird. Alternde Gesellschaften werden friedlicher. Und in den USA ging die Verbrechensrate nicht wegen der Politik der Null-Toleranz zurück, sondern schlicht auf Grund der Vollbeschäftigung. Sie eröffnet normabweichenden Gruppen zumindest die Chance, es einmal mit ehrlicher Arbeit zu versuchen. Aber weder eine Politik der Anerkennung und der Vollbeschäftigung, und schon gar keine puritanische Mediennorm werden Dramen wie Erfurt verhindern können. Das Restrisiko bleibt. EBERHARD SEIDEL

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