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RIECHERINNERUNGEN

 ■  Bettruhm

Gelesen: „Wen wir nicht riechen können, um den machen wir einen großen Bogen. Über Abneigung oder Entzücken entscheidet selbstherrlich unser Geruchssinn.“

Unsinn - schon sprachlich. Unangemessen, ausgelatschte Gedankenbahn. Stinkt mir mein Liebster, neige ich mich auch ihm ab. Die Wahrheit ist also komplex und unser Geruchssinn limbisch, limpisch, nicht „herrlich“. Dennoch können wir uns Gerüche - nein, nicht vor-stellen, aber wohl -phantasieren. Sonst wäre es nicht möglich, daß ich mich schon angepinkelt fühle von folgendem Satzanfang: „Gehe ich mit meiner Frau zu Bett...“ Ich rieche Duschgel (oder Dschungel), DM-Drogerie -Markt oder Body Odor. Es muß doch noch was drittes geben: Tertium Datur!

Als junge Menschen sind wir einmal bei einem „Fest“ die Polonaise um null Uhr durch das Schlafzimmer der abwesenden Eltern getanzt - in Schuhen über deren weiße Federbetten. Den Schlafzimmergeruch habe ich nicht bewußt in Erinnerung, müßte phantasieren, dennoch muß ich seither „gewußt“ haben: Ehe, nein danke.

Oder meine Schwägerin: In deren kühlfrischen Schlafzimmer bin ich jedesmal überzeugt - hier können die doch nicht vier Kinder gezeugt...

Nun zu mir selber: Gestern, ich und Didi beziehen unsere Bettsachen neu mit neu(t)ral riechender Wäsche; das Zimmer atmet Tauwetter nach nasenverwirrendem Novemberfrost. Na so was. Ich freu mich auf mein Bett.

Und dann abends - Diedie kommt herein, sofort ein Haßgefühl bei mir. Obwohl ich nur bemerke, daß Idi irgendwie ungewaschen ist, nicht mal stinkt. Erinnerung: Zweimal tagsüber habe ich Didis Körpergeruch durch karierte Flanellblusenärmel wahrgenommen. Zuviel Schweiß, Kaffee, Gelreste, Zigaretten. All die vielen Vorbehalte gegen meine Liebste purzeln mir ins Hirn: Heuchlerisch, heulerisch, Ruhmsucht, Betschwester... „go away from mei Bettruhm“, eifere ich, trau es mich nicht sagen, D.D. liegt schon neben mir wie gewöhnlich. Meine Laune wird faul von all den Charaktermängeln, meine Bettdecke ist verdorben, ich schlafe schlecht.

War das nur mein „selbstherrlicher“ Geruchssinn gewesen? Nein, ich habe seine limbische „Entscheidung“ (s.o., 1.Satz) ja bemerkt und angenommen.

Erkenne dich selbst, erkenne deine Instinkte, stell dich ihnen.

Was ich, an anderer Stelle, schon geahnt habe: wenn mir immer, wenn ich staubige Räume entrümpele, so eine un erklärlich-wahnsinnige Drecks-Laune hochkommt (obwohl ich nichts rieche), liegt's daran, daß der Geruchssinn, seine Auswirkung, nicht über die Kontrollinstanz des Großhirn geht. Was wir riechen (auch was uns nur in die Nase steigt, die evtl. schon total abgestumpfte), das fühlen wir gleichzeitig. Wenn ihr unerklärliche Gefühle fühlt, prüft, was da gegebenenfalls an Sinnesempfindungen vom Hirnstamm durch die kalte Küche vorgedrungen sein kann!

In meinem Fall war's leicht: am nächsten Abend neigte ich mich wieder zu Didie, nun den Duft von Fleisch, Salz, Wasser verströmend. Und Sexualdüfte - natürlich - die ich überHaupt nicht wahrnehme, über Haut aber wohl; die mich induftrinieren, mich persönlich verstricken in annäherungsweise „bestimmte“ Muster. Bettruh‘, Bettruhm.

Nasenbaer

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