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RECHTE GEWALT LÄSST SICH NICHT MIT LINKEM TERRORISMUS VERGLEICHENDie Ohnmacht des starken Staats

Wenn Bürger nach einem starken Staat rufen und Politiker an die Zivilcourage der Bevölkerung appellieren, dann liegen beiden Forderungen dieselben Gefühle zugrunde: Hilflosigkeit und Ohnmacht. Was nicht sein darf, das kann nicht sein. Anschläge auf jüdische Einrichtungen und Asylbewerberheime müssen sich doch verhindern lassen, und es sollte auch möglich sein, gewaltbereiten Rechtsextremisten ihr übles Handwerk schnell zu legen. Diese Überzeugung ist realitätsfern.

Justizministerin Herta Däubler-Gmelin hat jetzt in den Chor derer eingestimmt, die Parallelen zwischen rechtsextremen Gewalttätern und der RAF ziehen. Ein derartiger Vergleich geht vom Endpunkt einer Entwicklung aus, nicht von deren Beginn. Zwischen Links- und Rechtsextremismus gibt es einen großen Unterschied. Linke Ideologie basiert nicht von vornherein auf der Ausgrenzung bestimmter Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Der Rechtsextremismus definiert sich hingegen durch die Ausgrenzung von Minderheiten.

Diese Erkenntnis macht einen von linken Tätern verübten Mord nicht weniger verwerflich als einen Mord aus dem rechten Milieu. Aber sie macht deutlich, warum es im Kampf gegen rechts in besonderer Weise darum geht, den Anfängen zu wehren. Das Strafgesetzbuch ist für diesen Kampf ungeeignet.

Möchte jemand ernsthaft anregen, Polenwitze zu verbieten? Lässt sich gegen Schwulenhass polizeilich vorgehen? Soll Martin Walser ins Gefängnis gesteckt werden, weil er im Zusammenhang mit Auschwitz das ungeheuerliche Wort der „Moralkeule“ benutzt hat? Die Justiz kann nur eine bereits vollzogene Straftat ahnden. Wenn aber Gewalttäter glauben, den Willen eines großen Teils der schweigenden Mehrheit zu vollziehen, müssen andere sich gegen dieses Klima wehren. So etwas geht nicht von heute auf morgen.

Allzu lange ist in Deutschland die Gefahr von rechts verharmlost worden. Es ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel, dass Polizeisprecher nach Übergriffen gegen Ausländer erklären, nichts deute auf einen rechtsextremistischen Hintergrund des Vorfalls hin. Sie sagen es auch dann, wenn noch keinerlei Hinweise auf die Täter vorliegen. Das dürfte auch diese oft ärgern. Sie wollen ja durchaus Proselyten machen und Aufsehen erregen. Ob auch darin ein Grund für die dramatische Zunahme antisemitischer Handlungen zu sehen ist, bei denen sich ein Zusammenhang mit der politischen Rechten ja grundsätzlich schwer leugnen lässt?

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat jetzt darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dazwischenzureden, wenn durch Witze eine Atomsphäre von Vorurteilen entsteht. Dieser Hinweis ist nicht besonders spektakulär, aber dafür umso notwendiger. Aktive Gewalttäter lassen sich durch Überzeugungsarbeit nur selten erreichen. Ihre Mitläufer schon. Rechtsextremisten sehnen sich in besonderer Weise nach Gemeinschaftsgefühl. Isolation mag für sie bedrohlicher sein als Gefängnis.

BETTINA GAUS

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