piwik no script img

RAW-Gelände in BerlinDas Bunte ausgetrieben

Auf Berlins beliebter Partymeile RAW-Gelände geht ein Gespenst um. Das Gespenst sind Investorenträume, die bald wirklich in Erfüllung gehen sollen.

Platz schaffen: ein Disco-Tänzchen für Investorenträume Foto: Sebastian König

Berlin taz | Es geht wieder richtig ab auf dem RAW-Gelände im Berliner Ortsteil Friedrichshain. Konzerte, Partys, alles fast wie früher. Skater besuchen die Skatehalle, Kneipenbesucher die „Bar zum schmutzigen Hobby“, und Touristengruppen bekommen die tollsten Graffiti gezeigt. Das RAW-Gelände ist mit seinen über 70.000 Quadratmetern Fläche (was etwa zehn Fußballfeldern entspricht) das größte in sich geschlossene Kultur­areal Deutschlands.

Das nun so massiv umgekrempelt werden soll, dass man es in ein paar Jahren kaum noch wiedererkennen wird. Im großen Stil sollen viele der alten Gebäude abgerissen und durch Bürokomplexe ersetzt werden. Wie viel buntes Treiben dazwischen dann noch möglich sein wird, das ist die große Frage.

Das RAW-Gelände hat eine wildbewegte Geschichte hinter sich. Es diente schon im 19. Jahrhundert der Instandhaltung von Lokomotiven, vor gut hundert Jahren erhielt es den Namen Reichs­bahnausbesserungswerk, kurz: RAW. Nach der Wiedervereinigung ließ die Deutsche Bahn als neuer Eigentümer der alten Industrieanlage seine Züge aber lieber woanders reparieren. Eine wuchernde Club- und Kulturszene übernahm die ziemlich heruntergekommenen Gebäude, von denen viele unter Denkmalschutz stehen. Die wiederum wurden in den letzten 20 Jahren von immer wieder wechselnden Eigentümern verwaltet, die hier schon alles Mögliche von Wohnungen bis hin zu Studentenwohnheimen entwickeln wollten.

Als sie damit nicht zum Zuge kamen, weil der Bezirk das Kulturleben wenigstens einigermaßen erhalten wollte, wurde einfach an den nächsten spekulationsfreudigen Investor weiterverkauft.

Entwicklung des Geländes

Der Bezirk selbst oder das Land Berlin kamen freilich nie auf die Idee, das Gelände hier in der zentralen Lage selbst zu erwerben. Ein riesengroßer Fehler, das hat die Politik immerhin längst selbst erkannt. Aber wie so oft in Berlin wurde gepennt oder an der falschen Stelle geknausert.

Und so kommt es, dass der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg nur noch bedingt in der eigenen Hand hat zu bestimmen, wie sich das Gelände in Zukunft entwickeln wird. Denn seit 2015 teilen vier Investorengruppen das Gelände unter sich auf, die nun nicht mehr nur einfach ihren Besitz teurer weiterverscherbeln, sondern bleiben und entwickeln wollen.

Um den Teil von Kurth Immobilien aus Göttingen, die sich mit über 50.000 Quadratmetern Fläche den weitaus größten Teil des Areals schnappen konnten, wird seit Jahren besonders geschachert und gefeilscht. Kleinkunst, ein paar Ateliers, ein Kinderzirkus und auch die Skate­halle sind hier angesiedelt. All das, so signalisierte der Bezirk früh, möchte er möglichst erhalten. Kurth also zum Bezirk: Gut, wenn ihr das so wollt, dann bietet uns etwas an.

Und so kommt es, dass als Teil eines Deals nun die soziokulturellen Einrichtungen für die nächsten 30 Jahre gesichert werden sollen, Kurth dafür zig Clubs abreißen lassen darf, um stattdessen Bürokomplexe zu errichten. Mindestens ein Hochhaus von bis zu 100 Metern Höhe soll entstehen.

Bald die Bagger

Spricht man mit Carsten Joost, Sprecher der Initiative RAW Kulturensemble, über dieses Prozedere, kriegt der sich kaum noch ein. Der Bezirk habe sich erpressbar gemacht und der Investor dürfe viel zu viel bauen, meint er.

Doch für Joost sieht es gerade nicht gut aus. Aktuell ist man noch in der Findungsphase, welches Architekturbüro das RAW-Gelände am Ende umkrempeln darf. In den nächsten Monaten soll dann ein Bebauungsplan erstellt werden. Schon im nächsten Jahr könnten die Bagger kommen. Und ein deutschlandweit einzigartiges Gelände wird Büros gewichen sein, zwischen denen ein kleiner Kinderzirkus darauf aufmerksam zu machen versucht, dass er auch noch da ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • ... Und ein deutschlandweit einzigartiges Gelände wird Büros gewichen sein, zwischen denen ein kleiner Kinderzirkus darauf aufmerksam zu machen versucht, dass er auch noch da ist...



    Zum Kotzen!(Nicht! der Kinderzirkus)



    Jennifer Rostock feat Jupiter Jones Insekten Im Eis



    www.youtube.com/watch?v=sqlRIsCyqrk

  • Ach der Markt, der gute alte Markt der alles regelt. Ist es nicht schön was für eine schöne saubere Welt er uns hinterlässt, diese glitzernden Fassaden , die glatten schönen Wände und die glücklichen Menschen erst in den Häusern die neue und noch tollere Märkte erschliessen.

  • Schade und wieder schade. Alle wollen das RAW als Kulturraum erhalten. Aber es kommt anders... Und wieder wird das mit einem leicht ohnmächtigen "Tja..." kommentiert. Als gäbe es gegen den Druck der Investoren eben kein Mittel. Ja, leider hat weder der Clubbetreiber noch die gewählten im Senat die Möglichkeit etwas zu unternehmen. Ja, da kann man nur zuschaue und etwas seufzen, denn machen kann da niemand etwas. Denn der Druck der Investoren, ja der ist so groß und der ist echt heftig....

  • Schade. Immer wieder schade.

    In unregelmässigen Abständen fliegt uns dann die Giermaschine um die Ohren. Die Zeche zahlen nicht diejenigen, die sich daran bereichert haben.