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RAF dementiert Kiechle-Anschlag

■ Geplantes Attentat auf den Landwirtschaftsminister eine „VS-Kiste“ / Der „Agrarwurm“ Kiechle kein Angriffsziel“

Berlin (taz) - Die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) bestreitet, auf den Bonner Landwirtschaftminister Ignaz Kiechle Anfang März ein Attentat vorbereitet zu haben. Wie berichtet hatte sich Anfang März ein RAF-Kommando „Juliane Plambeck“ in Bekennerschreiben selbst bezichtigt, einen Anschlag auf den Agrarminister geplant zu haben. Zu der Aktion sei es aber nicht gekommen, da es „durch ein nicht kalkulierbares Ereignis bei der geplanten Durchführung zu einer Gefährdung Unbeteiligter gekommen“ wäre. Obwohl die Sicherheitsbehörden keine konkreten Hinweise auf ein Attentat finden konnten, wurden die Schreiben als „echt“ bezeichnet.

In dem einseitigen Brief mit RAF-Signet (Roter Stern mit Maschninenpistole), der am 26. April in Franfurt aufgegeben wurde, werden die Meldungen um den Anschlag in den Rang einer „Geheimdienst-Aktion“ des Vefassungschutzes (VS) erhoben. Sie sollten eine „Verunsicherung, Spaltung und Desorientierung“ produzieren. „Wir haben uns entschlossen (...) zu reagieren, weil wir mitgekriegt haben, daß nach der Veröffentlichung und weiten Verbreitung der VS-Erklärung in vielen Städten und Scenes Genossinnen und Genossen angefangen haben, sich mit diesem Quatsch auseinanderzusetzen.“ Der „Agrarwurm“ Kiechle sei ein „völlig nicht-nachvollziehbares Angriffsziel“. Mit entpolitisierten Parolen wie etwa der vom „forcierter Aktionismus“, zu dem im Bezichtigungsschreiben zum vermeintlich geplanten Attentat aufgerufen wurde, werde versucht, „die Nähe, die über den Angriff auf Herrhausen zwischen vielen Teilen der revolutionären Linken und uns neu enstanden ist, zu treffen“. Der Vorsitzende der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, war am 30. November letzten Jahres bei einem Sprengstoffanschlag der RAF ums Leben gekommen.

Nach 20 Jahren bewaffneter Politik, heißt es weiter, „und den Erfahrungen, die die Menschen mit uns haben, kann der Geheimdienst natürlich nicht mehr damit kommen, wir würden das Trinkwasser in Großstädten vergiften, das nimmt ihnen heute niemand mehr ab“.

Der Chef des Hamburger Vefassungsschutzes, Christian Lochte, stufte gestern das einseitige Schreiben, mit der Absenderabgabe der Deutschen Apotheker- und Ärztebank in Frankfurt, als echt ein. Ein gleichlautender Brief wurde auch dem Bonner Büro der Nachrichtenagentur 'afp‘ zugestellt. Ausgehend davon, daß es sich um ein echtes Schreiben der RAF handelt, stellt sich die Frage, wer die Bekennerschreiben zu dem angeblich geplanten Kiechle -Attentat verfaßt haben könnte. Eine Urheberschaft des VS für die früheren Bekennerbriefe schloß VS-Chef Lochte aus. Möglicherweise, wurde gestern spekuliert, hätte es in den Reihen der RAF eine Richtungskorrektur aufgrund der „gegenläufigen Dikussion“ im Unterstützerumfeld gegeben.

Wolfgang Gast

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