piwik no script img

Quickies

■ Uli Becker über „Mann und Frau in Wort und Bild“

Der aus Westfalen nach Berlin emigrierte Asphaltliterat Uli Becker läßt keine Zweifel daran, daß er die sexuellen Genüsse für die einzig sinnvolle Beschäftigung des kurzen Menschenlebens hält. Er dürfte zur Zeit der einzige deutsche Dichter sein, der so entspannt und unpeinlich die Entdeckungsreisen zwischen den Laken zu feiern vermag: Gedichte, die verbinden, was der deutsche Spießer, der noch die fleischlichen Freuden mit Pflichterfüllung verwechselt, für unvereinbar hält: Komik und Orgasmen, Gier und Verspieltheit. Nach den Gedichtbänden „Frollein Butterfly“ und „Das höchste der Gefühle“ rundet nun „Das nackte Leben“ die Trilogie ab, die dem glücklich Verliebten als Aphrodisiakum dient und den Unglücklichen an bessere Zeiten erinnert.

Raffiniert spielen die Gedichte mit den Doppelbödigkeiten der Sprache und stellen nebenbei klar, daß sich so ziemlich alles erotisch aufladen läßt, wenn man selbst entsprechend hochgestimmt ist: ein Spiel ohne Grenzen. Die Illustrationen von Rotraud Susanne Berner setzen dieses Spiel mit trockenem Humor kongenial fort. Die harmlosesten Dinge werden bei ihr so nebeneinandergestellt, daß auch der unschuldige Betrachter Phallus- und Vagina-Zeichen in ihnen sieht: ein spitz aufsteigender Wolkenkratzer und eine große Wolke, ein Croissant und eine Tasse Kaffe, Füller und Tintenfaß, sogar ein Löffel und zwei Eiskugeln werden zu Symbolen des Eindringens — Theweleit-Leser werden ihre helle Freude an diesem Spiel mit Assoziationen haben. Lakonisch hält Becker fest, wer dabei mit wem spielt: „Wackelt verdammt der Schwanz mit dem Hund,/ und der kommt heim und riecht nach Katze.“ Fröhlich gibt der Feldforscher im Selbstversuch zu, daß er nicht mehr richtig tickt und seine Freuden nicht mit irdischen Maßstäben messen will: „Selbst wenn ich die Armbanduhr anbehalte,/ die Kaltblütigkeit hab ich nie, draufzusehen/ in dem Moment und nachzumessen, wie lange/ der währt... und wozu? Reicht mein Gefühl,/ mir zu sagen, daß unsere Spanne hienieden/ kurz ist — jedenfalls das, was zählt davon.“ Dem hat der Rezensent nichts hinzuzufügen. Peter Laudenbach

Uli Becker: „Das nackte Leben. Mann und Frau in Wort und Bild“. Illustriert von Rotraut Susanne Berner. Einmalige limitierte Auflage von eintausend Exemplaren. 32 Seiten, 16 DM Maro Verlag.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen