Querung des Fehmarnbelts: Märchenhafte Zahlen
Laut Gutachter lohnt sich weder Brücke noch Tunnel. Wurde das Nutzen-Kosten-Verhältnis im Bedarfsplan bewusst schön gerechnet, oder war's ein Versehen?
HAMBURG taz | Der volkswirtschaftliche Nutzen einer Querung des Fehmarnbelts wird von Gutachtern in Zweifel gezogen. Die Expertise des Münchner Verkehrsplanungsbüros Vieregg-Rößler, die am Dienstag vorgestellt wurde, ermittelt ein Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von höchstens 0,66: Pro investierten Euro läge der volkswirtschaftliche Ertrag somit bei nur 66 Cent. Der NKV ist die rechnerische Grundlage für alle Verkehrsprojekte, förderungswürdig durch den Bund sind nur Vorhaben mit einem Wert von mehr als 1,0. Für Malte Siegert, Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen die Fehmarnbelt-Querung, sind die Folgen klar: "Das Projekt ist ein Milliardengrab."
Überhöhte Annahmen
Im Auftrag des Bündnisses hat Vieregg-Rößler den Bedarfsplan Bundesschienenwege nachgerechnet, den das Bundesverkehrsministerium im November 2010 dem Verkehrsausschuss des Bundestages vorgelegt hatte. Darin wurden fast 50 Vorhaben mit einem NKV zwischen 1,0 und 2,0 aufgelistet. Einzig die Verbindung über die Ostsee zwischen Fehmarn und Dänemark glänzt mit einem Wert von 6,7. "Märchenhaft", staunte Siegert und ließ das Münchner Büro nachrechnen.
In seiner 27-seitigen Expertise weist Gutachter Karlheinz Rößler nun nach, dass der Hauptfaktor "Eingesparte Lkw-Kosten" von weit überhöhten Annahmen ausgeht. Der Bedarfsplan nennt einen Betrag von 6,3 Milliarden Euro, der der deutschen Volkswirtschaft zugutekäme, wenn die Güterverkehre mit Skandinavien durch die Verbindung über den Fehmarnbelt vom Lkw auf die Schiene verlagert würden.
Das sei im Vergleich zu den anderen Projekten im Bedarfsplan ein "um mehr als den Faktor 17 überhöhter Wert", sagt Rößler. Es müsse sich "um einen Rechenfehler handeln", mutmaßt der Gutachter diplomatisch. Siegert wird deutlicher: "Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass aus purer Verzweiflung das nicht zu Rechtfertigende möglich gemacht werden musste."
Dänemark will auf eigene Kosten von gut 5 Milliarden Euro einen Tunnel oder eine Brücke von jeweils etwa 18 Kilometern Länge bauen, der oder die sich über 30 Jahre durch Mauteinnahmen amortisieren soll. Für die deutsche Seite fallen ausschließlich Kosten für die Landanbindungen in Schleswig-Holstein von etwa 800 Millionen Euro an. Der Bundesrechnungshof indes geht vom doppelten Betrag aus. Und das würde den NKV noch weiter verschlechtern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu