■ Querspalte: Die bayerische Maßregel
Im Jahr 1910 befaßte sich die bayerische Regierung mit dem Bierpreis. Das Ergebnis war zunächst ernüchternd: Der Preis wurde abrupt hinaufgesetzt – um zwei Pfennig pro Liter. Allerdings traten bald danach besorgniserregende Räusche auf: In Steinhöring, Deggendorf, Osterhofen und Dorfen entzündete der Volkszorn die dortigen Brauereien. Wenig später brannte halb Europa, und wiederum kurze Zeit danach gab es deshalb in Bayern nur noch Dünnbier zu trinken, was dann gemäß einer anderen Geschichtsschreibung unmittelbar zur bayerischen Revolution von 1918 geführt haben soll.
Im Jahr 1997 befaßte sich der Dachauer Stadtrat mit dem Bierpreis. Vor allem die örtlichen CSU-Politiker konnten nun zeigen, daß sie aus der Geschichte gelernt haben: Keine Inflation auf dem Dachauer Volksfest!, forderten sie. Der Preis für den Liter Bier muß der alte bleiben: fünf Mark dreißig! Drei Liter Bier für fünfzehn Mark neunzig! Fünf Liter Bier für sechsundzwanzig Mark fünfzig, medizinische Sofortversorgung am Umfallort inklusive. Dankbar notieren wir jetzt, daß sich die CSU-Männer im Kampf für einen erschwinglichen Rausch gegen den Dachauer Bürgermeister, einen parteilosen Gesellen, durchsetzen konnten.
Doch besorgniserregende Nachrichten erreichen uns in diesen Tagen aus München. Auf dem Oktoberfest soll der Bierpreis weiter steigen. Nicht fünf Mark dreißig wie in Dachau, sondern zehn Mark sechzig werden in diesem Jahr verlangt. Welche Umwälzungen stehen dem Freistaat da bevor?
Unsere Hoffnung gründet sich in dieser kritischen Situation allein auf das bayerische Kabinett. Dessen Wirtschaftsminister Wiesheu hat bereits bewiesen, daß er so richtig über eine Autobahn rauschen kann und dabei die stabilisierende Wirkung des Alkohols zu nutzen weiß. Gemeinsam mit dem nüchternen Stoiber ist von ihm hier ein Gesetzentwurf zu erwarten, der den Bierpreis begrenzt – gemäß der bayerischen Maßregel: Maßhalten beim Preis für die Maß, und die Masse hält das Maul. Felix Berth
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