■ Querspalte: Nur für ÖTV-Mitglieder
Viele schimpfen auf Gewerkschaften. Das ist falsch. Gewerkschaften „fetzen“, wie wir im Osten so sagen, und stehen geschlossen gegen: Alleinfernsehguck- und -trinktraurigkeiten sowie gegen die Atomisierungstendenzen des spätabendlichen Kapitalismus. Ein Atom ist machtlos. Wenn sich ganz viele zusammentun, wird ein Schuh draus, der Arbeitgeber zittert, wenn dein starker Arm es will.
Einige Jahre war ich in zwei Gewerkschaften. Nachdem im meiner Journalistengewerkschaftszeitung ein Artikel über „weibliche und männliche Denke und Schreibe“ erschien, bin ich da wieder ausgetreten. Ich bin doch nicht bescheuert und aus Vergeßlichkeit und weil's so gut klingt außerdem ja auch noch in der ÖTV, der geheimnisvollsten aller Gewerkschaften. Nach zehn Jahren weiß ich jedenfalls immer noch nicht, ob die ÖTV nun mit OE oder Ö geschrieben wird. Mal hü, mal hott. Die Fördermitgliedsbeitragszahlungen für Nichtangestellte sind nicht allzu hoch, und wenn dein starker Arm dann schwach wird im naßkalten Herbst des Erwerbslebens, kommt der ÖTV-Vorsorgeplan vorbei; eine pfiffige Idee und ein „neuer Leistungsbeweis der ÖTV“.
„Versicherungen sind ein fester Betandteil einer eigenverantwortlichen Vorsorge“, heißt es im Schreiben meiner ÖTV-Ortsverwaltung. „Das gilt besonders für das ,Tabuthema Todesfall‘. Wer gezielt vorsorgt, kann mit wenig Geld eine Versorgungslücke schließen.“ Eine „vorherige Gesundheitsprüfung“ ist für den Abschluß nicht vonnöten; außerdem gibt es, „auf Wunsch, eine Unfalltod-Zusatzversicherung mit verdoppelter Versicherungssumme“, eine „hohe Überschußbeteiligung“ und einen „Nachlaß von bis 20 % gegenüber dem Einzeltarif“. Im „Antrag auf Abschluß einer Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall nach dem ÖTV-Vorsorgeplan (Tarif F2E mit Sonderkonditionen)“ steht mein Name schon drin. Das ist so, als wenn man ein Foto vom eigenen Grabstein geschickt kriegt. Ich tret' jetzt ganz aus der Gewerkschaft aus. Detlef Kuhlbrodt
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