■ Querspalte: Kohle schützen! Jetzt!
„Rettet die deutsche Steinkohle!“ Immer wieder greifen verzweifelte Bergleute zu diesem dramatischen Appell. Sie organisieren Demonstrationen und Menschenketten. Ist das nicht aber doch ein wenig widersprüchlich?
Wie kann man die edle Kohle retten, wenn man sie gleichzeitig ausbuddelt? Wie kann man das schwarze Gold schützen, wenn man anderen Menschen ermöglicht, es zu verbrennen? Letztlich ist die Kohle doch nirgendwo sicherer als tief, ganz tief unten in der Erde. Wer die Kohle also wirklich retten will, müßte deshalb ganz schnell alle Zechen schließen und die Bergleute in den kohlepolitisch wohlverdienten Vorruhestand entlassen.
Aber das ist nicht der Wunsch der Bergleute. Sie fordern nicht nur den Erhalt der Steinkohle, sondern auch den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Man sollte so etwas nicht vorschnell als Widerspruch abtun, wenigstens solange noch der Stratege Hans Berger an der Spitze der IG Bergbau steht.
Berger will die deutsche Steinkohle vor dem vorschnellen Zugriff des Weltmarktes retten und dabei möglichst viele deutsche Arbeitsplätze erhalten. Um Bergers Ansatz zu verstehen, benötigt man ein wenig bisher geheimgehaltenes Insider-Wissen. Die australische Importkohle ist nämlich nur deshalb so billig, weil sie uns von unten, also von der anderen Seite des Globus her, geraubt wird – und das, ohne die völkerrechtlich üblichen Kohletransfergebühren zu zahlen. Eine Unverfrorenheit ohnegleichen.
In der Diskussion ist deshalb die Ummantelung der deutschen Kohlereviere mit einem gigantischen unterirdischen und stählernen Sarkophag. Ein Projekt von wahrhaft nationaler Bedeutung. Es würde allen Bergleuten auf Jahre hinweg Arbeit verschaffen, ohne daß auch nur ein einziges Brikett verfeuert werden müßte. So können Kohle und Arbeitsplätze gleichzeitig geschützt werden. Daß dabei auch noch unsere heimische Stahlindustrie langfristig saniert wäre, sei nur am Rande erwähnt. Blühende Landschaften warten. Christian Rath
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