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■ QuerspalteKein Stau in Bonn

Warum sollten Bonner Beamte nach Berlin wollen, wo doch dort bekanntlich an jeder Ku'damm-Ecke das Verbrechen und eine Polizeiwanne lauern? Schön ist das Leben dagegen am Rhein. Ruhe und Ordnung stellen sich wie von selbst ein. Und selbst das Bundeskanzleramt liegt so friedlich wie eine Postfiliale in der Sonne.

Manchmal aber bricht die Wirklichkeit über die Stadt herein. Dann werden die Bonner unsanft daran erinnert, daß es da draußen im Lande offensichtlich Probleme gibt. Gestern war es mal wieder soweit. 2.000 Polizisten, Kriminalbeamte und Bundesgrenzschützer demonstrierten gegen die Sparpläne des Bundes und der Länder.

Erschrocken fragte sich mancher Bonner: Wird es diesmal wieder einen Stau geben wie am 10. Juni? Da hatten doch tatsächlich 5.000 Ordnungs- und Sicherheitshüter die deutsche Ordnung für 45 Minuten eigenhändig, ohne Genehmigung und einfach so außer Kraft gesetzt und die B9 Richtung Bad Godesberg blockiert. Der Bonner General-Anzeiger empörte sich über soviel Illoyalität und erinnerte die Polizisten an ihre „Vorbildfunktion“. Das las auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und schlug prompt und demutsvoll die Hacken zusammen.

So rabiat wie die Kommunalgewerkschaft Komba am 10.Juni wollte man die Kollegen gestern nicht in den grünen Kampftag schicken. Nur einen Coitus interruptus billigte die GdP ihrer Basis zu. Bevor es so richtig schön wurde, wurde sie wieder zurück ins Glied gepfiffen. Demonstrieren ja, aber bitte nicht allzu heftig. „Symbolisch“ durften die Ordnungshüter gestern die Bannmeile rund ums Regierungs- und Parlamentsviertel bewachen, am Abend gar Fackeln entzünden. Deutsche Beamte sind halt keine Bergarbeiter, die mal so nebenbei symbolisch die Bannmeile stürmen. Ruhig floß derweil der Verkehr über die Adenauerallee, so ruhig wie der Rhein. Und die Ministerpräsidenten der Länder konnten ungestört über ihren radikalen Sparplänen brüten. Die allerdings waren nun gar nicht symbolisch gemeint. Severin Weiland

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