■ Querspalte: Alzheimer und Demokratie
Alter, Siechtum und Tod. Mit diesen brisanten Fragen der Menschheit mußte sich das Verfassungsgericht gestern beschäftigen. Ein putzmunterer Kommunalpolitiker von 65 Jahren, ein junger Alter also, wollte Bürgermeister werden, doch die niedersächsische Gemeindeordnung befand, er sei hierfür zu alt. „Memento mori“, riefen ihm da die Verfassungsrichter zu. Oder neudeutsch: Bedenke die „Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit“.
Harte Worte für einen Menschen voller Tatendrang. Wenn dieser angesichts des niederschmetternden Urteils nun in Depression und Trübsal verfallen sollte, dann hat ihn niemand anderes als das Verfassungsgericht auf dem Gewissen. Schließlich sieht man an unserem Kanzler, der mit seinen 67 Jahren sicher noch einen guten Dorfbürgermeister abgeben könnte, daß ein verantwortungsvolles Amt Menschen zufrieden und gesund erhält.
Doch warum immer auf die Politiker schauen? Sind nicht auch wir Wähler eine potentielle Gefahr für das System? Nein, ich will nicht über Intelligenztests im Wahllokal reden. Soviel Vertrauen muß sein: Wer die vielen D-lastigen Abkürzungen auf dem Wahlzettel auseinanderhalten kann, soll auch künftig ohne Wenn und Aber wählen dürfen.
Was aber passiert nach der Wahl? Wer stellt sicher, daß die Bürger eine volle Wahlperiode durchhalten und damit die Verantwortung für ihre Wahlentscheidung übernehmen? Immer häufiger beobachten wir doch folgendes: Schon kurze Zeit nach Abgabe ihrer Stimme flüchten sich Wähler in Alzheimer und andere sinnvernebelnde Krankheiten. Dieser individuelle Eskapismus führt zu Vertrauensverlusten bei der realitätstreuen Bevölkerung und kann nicht geduldet werden.
Letztlich hilft nur eines: Haben Abgeordnete einen zu hohen Anteil von an Alzheimer Erkrankten unter ihren Wählern, dann dürfen sie künftig nur noch bei Psychiatriefragen mitbestimmen. Christian Rath
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